Mein Bewertungssystem

Es gibt Leute, die meinen, ein Bewertungssystem müsse quantifizieren. Man muss klar unterscheiden, ob das bewertete Produkt nun 3 oder 4 Sterne, 86 von 100 oder 92 von 100, drei von zehn oder sechs von zehn oder die „Doppelte Goldmedaille“ wert ist.

Persönlich finde ich das fuppes. Ich wage nicht mit ausreichender Sicherheit zu sagen, das dieser Schnaps 87,3 Punkte auf einer Skala von 40 bis 135 wert ist. Das hat zwei Gründe.

Erstens sind diese Bewertungssysteme zu starr. Manchmal habe ich Lust auf einen kratzigen Whiskey, dem ich zuvor, als ich gerade in meiner süßen Phase war, nur 80 Punkte gegeben hatte – und ich habe keine Lust, dauernd an den Zahlen drehen zu müssen. Darüber hinaus: Wie vergleiche ich einen 80-Punkte-Whiskey mit einem 80-Punkte-Tequila? Sind die gleichwertig? Ich sehe meinen persönlichen Geschmack nicht als so objektiv-ideal an, dass ich das behaupten könnte oder wollte. Wenn man einige der Bewerter, die dies tun, mal statistisch analysieren würde, käme eh heraus, dass sie sich trotz der möglichen Bewertungspunkte immer im selben Bereich bewegen – auf einer Skala von 1 bis 100 muss eine Spirituose schon extrem schlecht sein, um, sagen wir, 10 Punkte zu bekommen. Das kommt dann entsprechend auch so gut wie nie vor. Warum braucht man dann diesen Bereich, wenn eh alles im letzten Drittel oder Viertel der Skala liegt?

Zweitens habe ich einfach das Gefühl, dass man in Worten und Formulierungen einen genaueren Eindruck über ein Geschmackserlebnis mitteilen kann als in strengen, emotionslosen Zahlen. Die Farbe ist umgebungslichtabhängig, der Geruch von der Temperatur, der Geschmack von der Stimmung – das ist oft nicht messbar, und schon gar nicht reproduzierbar, eine der Grundvoraussetzungen für eine Quantifizierung. Ich will es aber auch den Lesern nicht allzu leicht machen: Wer nur auf den höchsten Punktwert schielt, verpasst oft das eine oder andere tiefbepunktete Schmankerl. Ich halte es da mit Dave Broom, der in seinem Buch „Rum: The Manual“ für sein Bewertungssystem, das er nur für Spirituosenmixturen, nicht aber auf die reinen Spirituosen anwendete, festhielt:

„These scores are for the mixes and not for the rum, each of which was chosen for its inherent quality, so read the tasting note to glean how that manifests itself.“

Letztlich will ich damit sagen: Wer von mir eine absolute Zahl des Werts einer Spirituose möchte, wird sie nicht kriegen. Wer einen Eindruck darüber erhalten möchte, wie sich eine Spirituose anfühlt, wie sie im Vergleich zu Peers abschneidet, wozu sie im Purtrinker- und Mixbereich taugt: Der ist hier richtig, und ich hoffe, diese zweite Gruppe von Interessenten ansprechen zu können.