Seit ich mich mit Spirituosen auf tieferer Basis auseinandersetze, habe ich gemerkt, wieviele Vorurteile ich gepflegt hatte. Ich bin seit einiger Zeit mit der Frage beschäftigt, ob sich neben Schnapsvorurteilen, die sich fast allesamt durch Immersion in ein Thema schnell erledigen, auch andere Ressentiments, die ich nur noch nicht als solche identifiziert habe, in meinem Kopf befinden. Das gute am Niederschreiben von Gedanken zu hochgeistigen Getränken, wie auch zu Büchern und anderen Artikeln, ist, dass man sich nochmal explizit mit dem Konsum auseinandersetzt, und man zu Introspektion angeregt wird. Dabei purzeln die Engstirnigkeiten hin und wieder wie die Dominosteine. Ich würde das gern jedem mal ans Herz legen.
Eines dieser Vorurteile, die ich hegte und pflegte, war das gegen deutsche Weinbrände. Die Werbung versprach immer so viel, und legte sich als Zielgruppe die älteren Herren zurecht, die im Lehnstuhl aus dem elitären Cognacschwenker den ach so besonderen Geist nippten – für junge Leute nicht wirklich ansprechend. Meine Experimente in dieser Richtung waren dann auch erstmal passend-ernüchternd: Ich habe den Asbach Urbrand, und seine direkte Konkurrenz Chantré probiert und ziemlich runtergemacht. Zwei Produkte probiert, zwei Totalausfälle – das ist der Stoff, aus dem die Befangenheit für die Zukunft gemacht ist. Soviel besser können die anderen Brände von Asbach dann ja nicht sein, oder?
Ich bin über meinen Schatten gesprungen, und habe mir eine Flasche des Asbach Privatbrand 8 Jahre gereift zugelegt. Und was soll ich sagen? Das Vorurteil hat sich als genau solches herausgestellt, wie in den allermeisten Fällen, in denen wir diese Präjudizien auf die Prüfstation führen.
Schon farblich ist der Asbach Privatbrand ausgesprochen attraktiv. Dunkles Hennarot, mit glühenden, orangenen Reflexen. Da hat man schon was allein vom Anschauen – auch wenn natürlich berücksichtigt werden muss, dass zumindest ein Teil der Farbe von der zugesetzten Zuckerkulör stammt.
Das Auge hat genug geschwelgt, nun ist die Nase dran, und sie findet Datteln und reife Banane; viel Schokolade und Karamell sowie Butter. Etwas Lösungsmittel ist da, aber praktisch nichts von dem meist etwas unangenehmen Schwefel, den ich bei vielen Weinbränden zu entdecken meine.
Tatsächlich schafft es ein Großteil der Aromen auch auf die Zunge: Der Asbach Privatbrand wirkt buttrig, süß, schokoladig, mit Anklängen von Karamellbonbons. Leichte Fruchttöne nach Banane, Aprikose, Dattel. Das sehr angenehme, weiche, runde Mundgefühl überzeugt in jeder Beziehung, wie auch der Abgang – trocken, leicht bitter, etwas Ingwerschärfe auf der Zunge. Insgesamt lang und süß, warm und weich.
Ich bin baff – das ist vielleicht einer der besten Traubenbrände, die ich bisher getrunken habe, auf jeden Fall runder und weicher als alle spanischen Brandys, und dabei aromatischer als viele französische Cognacs, die ich kenne. Mich wundert es nicht, dass die Herstellerfamilie das als Privatreserve für sich behalten wollte (das ist natürlich nur eine dieser von Schnapsbrennern so geschätzten Fantasiehintergrundgeschichten).
Wie der Name schon sagt, ruht der Asbach Privatbrand mindestens 8 Jahre in Limousin-Eichenfässern, eine reife Leistung im wahrsten Sinne des Wortes für einen Brand. 40 Volumenprozent weist er bei Abfüllung auf, und man bezahlt um die 18€, zum Beispiel im Real-Supermarkt. Ein wirklich überraschend gutes Preisleistungsverhältnis. Dabei erhält man zum Brand selbst noch einen Kunstkorken, eine etwas altmodisch gestaltete Flasche mit dem durchaus schon als ikonisch bezeichenbaren Etikett und eine repräsentative Dose.
Laut Dale DeGroffs Rezept für den Bull’s Blood gehört spanischer Brandy in diesen Cocktail. Der Asbach Privatbrand kann es mit jedem Spanier aufnehmen, und er passt wunderbar als Ersatz dafür. Ein herrlich süß-lieblicher Cocktail ohne Ecken und Kanten; DeGroff sagt über ihn, dass er durch seine „Freundlichkeit“ punktet. Dem kann ich nur zustimmen.
Bull’s Blood
¾ oz Asbach Privatbrand 8 Jahre gereift Weinbrand
¾ oz Weicher Rum (z.B. Vizcaya Cask 23)
¾ oz Orange Curaçao
1½ oz frisch gepresster Orangensaft
[Rezept nach Dale DeGroff]
Vor einer Weile wurde die Flaschenform und Verpackung geändert; die Dose und die etwas hässliche neue Flasche sind für meinen Geschmack ein Rückschritt im Vergleich zur alten Version. Nun, das sind Äußerlichkeiten.
Nach dem Probieren und Schätzen lernen weiß ich, was ich bei diesem Weinbrand verpasst hätte, hätte ich mich von meinen Vorurteilen leiten lassen. Ich mag mir einfach nicht vorstellen, was ich bereits verpasst habe, weil ich es in Vergangenheit getan hatte. Selbstverständlich haben solche Geisteseinstellungen, dass man von einer Erfahrung auf die Zukunft schließt, ihren Sinn; wir lernen durch diesen Mechanismus schließlich auch, dass man, wenn man einmal von einem speziellen Hund gebissen wird, sich allen Hunden gegenüber vorsichtig verhalten sollte – das ist in uns tiefer verankert als unser Bewusstsein. Aber müssen wir uns wirklich komplett davon steuern lassen? Natürlich nicht. Für mich ist der Asbach Privatbrand ein perfektes Beispiel dafür.
Guten Morgen, werden Sie auch noch den Asbach Spezialbrand 15 Jahre testen ? Der ist noch mal eine Spur besser. LG Jens
Wenn ich in Zukunft an eine Flasche herankomme, werde ich die ganz sicher testen!