Bier am Freitag – Brouwerij Van Steenberge Gulden Draak 9000 Quadruple

Erneut gibt es heute was aus der Brouwerij Van Steenberge, die mir schon so richtige Knaller wie das Pyraat, aber auch das Bornem und das Monk’s Café präsentiert hatte. Vor einer Weile hatte ich bereits auch das Gulden Draak Calvados Barrel Aged Ale über den grünen Klee gelobt; hier kommt nun eine weitere Drachenimpression der belgischen Braumeister, das Gulden Draak 9000 Quadruple, in einer schön komplett schwarz befolierten Flasche und mit dem drachenwürdigen Alkoholanteil von 10,5%. Das muss man sicher mögen, und auch verkraften, meine Erfahrungen mit der Brauerei zeigen mir aber, dass die das im Griff haben. Auch für das Quadrupel der Golddrachenfamilie?

Brouwerij Van Steenberge Gulden Draak 9000 Quadruple

Wie so oft bei Flaschengärungsbieren: Bitte vorsicht beim Eingießen. Mein spezielles Gulden-Draak-Glas hat neben einem sehr festen Standfuß auch nach oben hin genug Platz, um all den beige-farbenen Schaum aufzunehmen, der da entsteht; das Gushing ist so stark, dass man das Bier am besten direkt über dem Glas öffnet. Er sackt nach einer Weile zusammen, bildet dann aber eine langlebige, stabile Feinschaumschicht. Das Bier selbst ist minimal trüb, von herrlicher haselnussbrauner Farbe, die ohne Gegenlicht fast für eine geschlossene Blickfläche sorgt.

Die Nase ist sehr malzig, kräftig, würzig, genau das, was ich mir von einem belgischen Quadrupel erhoffe. Eine leichte Parfümnote schwingt mit, vielleicht Töne von Lavendel, Zitrus, Rosmarin und Thymian, das sind aber eher Gefühle als klar festmachbare Fakten. Man bekommt Lust, einen Schluck davon zu nehmen.

Im Mund entsteht eine fette, satte Textur, fast schon aufgeschäumt wirkt das. Der Antrunk zeigt sich ebenfalls direkt von der würzigen Seite, das Malz wirkt sogar fast etwas pikant. Dieser Eindruck verstärkt sich im Verlauf noch weiter, aus der initialen Süße entwickelt sich eine hübsche Säure, die beiden Komponenten spielen im Wechsel miteinander, bis sie sich am Ende beide verabschieden und einer sehr befriedigenden Trockenheit, die mit der nun sehr prägnanten Pfeffrigkeit einher geht, Platz machen. Aromatisch bleibt es mäßig interessant, das ist ein Bier der Effekte – ein Bier der Sensorik der Zunge, nicht der Nase. Zum Schluss kommt noch leichter Jasminhintergrund auf, mit dem das 9000 Quadrupel ausklingt.

Brouwerij Van Steenberge Gulden Draak Classic und 9000 Quadruple

Ein gelungener Vertreter seines Stils, fett, breit und mit Wucht, noch eine Schippe drauf im Vergleich zum auch schon von mir sehr geschätzten Gulden Draak Classic. Mir fehlt am Ende irgendwas, ich kann aber nicht klar festmachen, was, das mich daran hindert, in Begeisterung auszubrechen. Das ist aber ungerecht: Wer belgische Quadrupel mag, kann hier unbesehen zugreifen.

Bier am Freitag – Hanscraft Bayerisch Nizza Wheat Pale Ale

Das Problem habe ich gerade häufig – ich schaue mir die alten Bierrezensionen an, die ich vor Jahren geschrieben hatte, aber nie veröffentlicht, und will dann neue Bilder und letzte Eindrücke dazufügen. Zu diesem Zwecke erwerbe ich dann noch ein, zwei Flaschen, und stelle dabei fest, dass der neue Eindruck nicht zu den alten Tastingnotes passt. Nun, entweder hat sich mein Gaumen verändert, oder das Bier wird anders hergestellt, etwas, was ich gerade bei Craftbier dann doch so häufig sehe, dass ich letzteres ehrlich vermuten darf. Aktuelles Beispiel: Hanscraft Bayerisch Nizza Wheat Pale Ale. Alte Version: Dreifach kaltgehopft mit Perle, Citra, Centennial, Chinook, und 5,3% Alkoholgehalt. Neue Auflage: 5,0%, und Hopfensorten leicht verändert mit Tradition, Citra, Summit, Chinook. Da lohnt sich keine Veröffentlichung der alten Tasting Notes, da werden neue gemacht. Bitteschön!

Hanscraft Bayerisch Nizza Wheat Pale Ale

Optisch erstmal sehr trüb, bananig-bleich, blass. Feiner langlebiger Schaum, nicht viel davon, es knistert dafür sehr angenehm, und die starke Perlage gefällt mir auch. Geruchlich findet man hier eine Mischung aus Hefeweizen und Pale Ale. Mild, hefig, sehr fruchtig nach Orange, Pfirsich und Banane – mit einer gewissen Marmeladigkeit und vorsichtigen Würze.

Am Gaumen kommt es sehr frisch und rezent an, klar und etwas herbsäuerlich im Antrunk, mildbitter und leicht. Cremig und dennoch mit leichtem Körper. Danach kommt eine milde Süße zum Vorschein, die Säure dominiert dennoch weiterhin, eine hintergründige Zitronigkeit und ein Hauch Maracuja vielleicht. Orangenschale finde ich, das erinnert mich insgesamt durchaus an ein Witbier. Eher kurzer Abgang, frisch und leicht auch hier, ohne nennenswerte Rückstände an Aromen, mit plötzlich auftauchender knackiger Bittere. Eine leichte Mundtrockenheit verbleibt und das dadurch entstehende Mundgefühl ist eher unangenehm – ein Wermutstropfen am Schluss also.

Das fühlt sich tatsächlich irgendwie wie eine Mischform aus Hefeweizen und Pale Ale an, der Name ist also passend. Ein leicht aromagehopftes Weizen, könnte man auch sagen. Sehr süffig und angenehm zu trinken, ein herrlicher, wirksamer Durstlöscher. Erkennbar handwerklich gut gemacht – bis auf den Nachabgang finde ich keinerlei störende Effekte, ein rundes, perfektes kleines Bier zum Wegziehen; das Sobriquet „Clubbier“ finde ich unterhaltsam und berechtigt!

Die Ahnen wussten es schon – Los Muertos Mexican Dry Gin

Spirituosen mit Zutaten zu versehen ist etwas in Verruf gekommen, seit industrielle Hersteller diese hauptsächlich dafür genutzt haben, sehr mäßige aromatisierte Spirit Drinks auf den Markt zu werfen; insbesondere Spiced Rum hat sich damit hervorgetan. Nicht, dass hier wirklich edle Gewürze und Früchte in handwerklich mühseliger Arbeit mazeriert wurden, nein, man nimmt die billigeren und aufwändigeren Extrakte und Aromastoffe, am Ende, so denkt man sich, kann der ahnungslose Konsument das eh nicht wirklich voneinander unterscheiden. Ich habe eine Nachricht für diese Art Produzenten: Doch, der Kunde kann das. Ich persönlich bin, so verrückt das für den klingt, der meine Geschichte bezüglich Zusatzstoffen in Spirituosen kennt, zu einem großen Fan richtig gut gemachten Spiced Rums geworden, und weiß zu schätzen, wenn auch in anderen Kategorien gut gemachte Zusammenstellungen von regionalen Pflanzenbestandteilen eingesetzt werden.

Der Los Muertos Mexican Dry Gin wird mit „botánicos ancestrales“, also Pflanzen, die man schon von den Ahnen her kennt, angesetzt – dabei handelt es sich um so durchaus exotische Dinge wie Avocadoblätter, Cempasúchil-Blumen, Tecomán-Limetten, Poblano-Chilis, Koriandersamen und über Rauch getrocknete Jalapeños. Man hält sich in Tlaquepaque in Jalisco scheinbar an recht regionale Zutaten, das ist etwas, was ich zu schätzen weiß, auch wenn ich ein paar davon noch nie zuvor gehört, geschweige denn je probiert hätte, das ist aber auch nicht erwartbar, denke ich. Die Cempasúchil-Blumen kennt man aber wahrscheinlich vom Sehen, denn sie wird in nachgemachter Form aus Draht und Papier gerne als Deko benutzt; insbesondere für Feiern am Día de los Muertos, was ja zum vorliegenden Gin irgendwie gut passt. Die Destillation jenes erfolgt jedenfalls mit einer Potstill, die Maestro Destilador Bernardo González bedient, der den Brand auch am Ende auf 43% Alkoholgehalt einstellt.

Los Muertos Mexican Dry Gin

Kristallklar, ohne Fehler, ohne auch den Anflug einer Tönung landet der Gin im Glas. Angenehm zeigt sich die Viskosität, die beim Schwenken erstmal einen durchgängigen Film an der Glaswand hinterlässt, der dann in einzelne, schmale Beinchen aufgeteilt abläuft. Vereinzelt bleiben auch kleine Tropfen hängen und vereinigen sich erst später für den gemeinsamen Abstieg.

Erstmal Entwarnung gibt die Nase – auch wenn Wacholder nicht explizit aufgezählt wird, ist er dennoch die dominierende Komponente der Botanicals, so deutlich, dass er schon beim Schwenken des Glases wahrnehmbar ist, ohne dass man das Näschen ins Gläschen halten muss. Tut man letzteres dann, finden sich die traditionellen Pflanzenbestandteile, zunächst wirklich diese schwerfruchtige, grünrote Seite einer fetten, frisch aufgeschnitten Jalapeño oder Poblano, leichte Zitrustöne der Limette, die leicht seifigen Aspekte des Korianders, und ganz spät auch ein Hauch von Floralität. Man erkennt spätestens nun, dass es sich nicht um einen klassischen Gin handelt, diese Chilifrucht mit einem Touch von Rauch ist schon überhandnehmend, aber gar nicht unangenehm, mir gefällt das sehr, einfach weil ich auch gern Chilis in unterschiedlichen Formen esse.

Los Muertos Mexican Dry Gin Glas

Die schon vom Auge entdeckte Öligkeit ist auch der erste Eindruck, den der Mund spürt, da ist eine fette Textur und viel Breite, die sich weich an den Gaumen legt und sich verbreitet. Ganz dezent ist da auch gleich etwas Süße, die viel einer eventuellen Bitterattacke auffangen kann. Wacholder und eine schwer zu greifende Fruchtigkeit erscheinen, letztere ist wahrscheinlich aus der Kombination von Limette und Chili zu erklären. Schön kräuterig, ohne wirklich superexotisch zu wirken, die mexikanischen Botanicals integrieren sich gut mit dem Wacholder. Im Verlauf beginnen Alkohol und Chili dann ein leichtes Prickeln auf die Zunge zu bringen, und im Abgang läuft der Los Muertos Mexican Dry Gin dann mit viel feinherbem Feuer spürbar den Rachen hinunter, hinterlässt dabei ein freches Kribbeln, das mit Rauchchili-Aromen versetzt ist, ohne aber scharf zu brennen. Zum Schluss klingt ganz vorsichtig eine Blumennote nach, ohne die grünen pflanzlichen Seiten zu verdrängen.

Mir gefällt, wie klug und mit handwerklich geschickter Hand hier die Aromen der doch starken Zutaten zusammengesetzt und ineinander verwoben sind, ein buntes Bild, das durchaus dem gerecht wird, was man marketingtechnisch hier anpreist – das fühlt sich wirklich wie ein Gin aus Mexiko an, mit ungewöhnlichem Geschmack, sich aber dennoch nicht zu weit von der Vorstellung eines klassischen Gin entfernend.


Der Gin hat jedenfalls sicher die Kraft und den Charakter, sich auch im Zusammenspiel mit Zutaten behaupten zu können, die sonst vielleicht einen zarten Gin überdecken würden. Enzian und Melonenlikör, zum Beispiel, im Electric Circus. Jedenfalls finde ich, dass sich in diesem Drink zusammen mit dem Los Muertos viel ergänzt; da geht definitiv was ab im Mund!

Electric Circus Cocktail

Electric Circus
¾oz / 23ml Dry Gin
¾oz / 23ml grüner Melonenlikör
¾oz / 23ml Zitronensaft
¾oz / 23ml Enzian
1 Spritzer Bitters
Auf Eis shaken.

[Rezept nach Chall Gray]


Die Flasche ist eine standardisierte, hätte ich mal gesagt, tonnenförmig und ohne große Spielerei. Das hat man sich fürs Etikett aufgehoben, das dem leicht angeschickerten Auge jedenfalls viel zu bieten hat, mit Exotik und in schönen bunten Farben. Es passt zum Inhalt.

Gin ist eine sehr variable Kategorie, das hat sich über die letzten Jahre deutlich gezeigt. Mir gefallen nicht alle Variationen, die da passiert sind, und manche finde ich gelinde gesagt sogar unerträglich. Der Los Muertos Mexican Dry Gin ist sicher keiner, der in letztere Gruppe bei mir fallen würde – hier hat man sich für einen interessanten, spannenden Weg entschieden, der sich trotzdem nicht zum Gimmick entwickelt hat. So soll es sein.

Offenlegung: Ich danke Los Muertos Spirits für die kosten- und bedingungslose Zusendung einer Flasche ihres Gins.

Bier am Freitag – Hald Unser Härtsfelder Heimattage Bier

Schon auf der Autobahn wird man darauf hingewiesen – die Heimattage Härtsfeld 2024 sind das große Ding für die nächsten paar Monate auf der östlichen schwäbischen Alb. Meine Heimatstadt Neresheim beteiligt sich natürlich stark daran, da geht alles vom Maibaumfest oder einer Hocketse, über Vorträge, Gottesdienste und Popup-Ausstellungen bis hin zum Betriebstag der Härtsfeld-Museumsbahn, einem Seefest und einem Ritterturnier. Wirklich für jeden Geschmack was dabei. Dazu bringt die lokale Brauerei Hald aus dem Teilort Dunstelkingen ein helles Vollbier mit 4,8% Alkoholgehalt mit, und das Hald Unser Härtsfelder Heimattage Bier will ich im Zuge der Heimattage natürlich auch einem weiteren Publikum vorstellen.

Hald Unser Härtsfelder Heimattage Bier

Kristallklar und leuchtend, strahlende goldene Farbe ohne jeden Partikel in der Flüssigkeit. Dazu ein feiner Schaum, daumendick beim Eingießen, der langsam auf eine dünne Schicht zusammensackt, wie man das vom Hellen kennt. Feine Perlage lässt beständig Bläschen aufsteigen.

Die Nase ist Gerste pur, schön getreidig, dabei klar und sauber, mit kleinen Aspekten von Hefe. Deutlich würzig, die Malzbasis kommt hier voll durch und bietet einen herben Charme für das Bier. Leicht erdig und heuig wirkt das, ohne die Stilbegrenzungen eines Hellen zu verlassen.

Frisch, frech, mit im Antrunk direkt zuschlagender Rezenzkante, so zeigt sich das Bier am Gaumen. Das hat extrem Durstlöschpotenzial, darüber brauchen wir gar nicht reden, die klare Struktur und feine, ganz leicht kauige Textur helfen zusätzlich, dass sich hier eine Rolle als Gaumenklärer zum Essen andeutet, oder zur puren Erfrischung im Sommer. Eine süße Basis, die mit Malz versehen ist, macht das ganze dann richtig schön trinkig. Der Abgang ist kurz, lässt ein leichtes Bittergefühl im Rachen zurück, und einen ganz dezenten Getreidenachklang.

Das kann man trinken. Der Durst treibts runter. Hab schon schlechtere Biere getrunken. Mit diesen typischen schwäbischen Komplimenten (ich hoffe, man versteht, wie ich das meine) verlasse ich das Bier, und rate ich Bierfreunden, die 2024 mal eine besondere Region in Baden-Württemberg besichtigen wollen, die einen ähnlich herben Charme wie dieses Bier, sich doch mal das Härtsfeld anzuschauen. Die Heimattage bieten vielleicht den Anlass, den ihr gesucht habt!

Der Storch ist gelandet – Stork Club Straight Rye Whiskey

Die Zeit verfliegt. Mir kommt es vor, als sei es erst gestern gewesen, als mein Artikel über regionale Spirituosen im Magazin BRANNT 2022 erschien; inzwischen kann man ihn hier online nochmal nachlesen, falls man es damals im Print verpasst hat. Dort hatte ich auch die Macher hinter dem Stork Club Straight Rye Whiskey der Spreewood Distillers in Schlepzig, den ich heute hier vorstellen will, interviewt, ein unterhaltsames Gespräch, in dem ich viel über die Sichtweise von Steffen Lohr, Sebastian Brack und Bastian Heuser, die die Brennerei 2015 übernommen und umgebaut haben, erfahren konnte. Nach dem Gespräch merkte ich, dass ein nicht unerheblicher Bestandteil aber noch fehlte, um wirklich zu begreifen, was dort gemacht wird: den Whiskey selbst zu probieren. Das hole ich nun zusammen mit meinen Lesern nach.

Der Grund, warum ich die Spreewood Distillers für meinen Artikel ausgesucht hatte, ist direkt erklärt: der Stork Club Straight Rye Whiskey basiert auf einer Mashbill aus 100% deutschem Roggen, sogar eigentlich extrem regional gesourcten Roggen von Bauern innerhalb eines Umkreises von 5km um die Brennerei. Näher geht kaum, und auch wenn ich bei Getreide vorsichtig bin, das Wort Terroir einzusetzen, passt es hier wahrscheinlich einfach gut, weil auch die anderen Begleitumstände so örtlich gebunden sind. Whisky selbst ist in den heutigen Zeiten ja auch bei weitem nicht mehr so als so exotisch empfunden, dass man sich ernsthaft die Frage „deutscher Whisky? Geht das überhaupt?“ stellen kann, viele Dutzend Brenner haben schon lange bewiesen, ja, das geht natürlich, gut sogar. Und der Stork Club Rye kann sogar als Beispiel dafür herhalten. Gießen wir uns ein Glas ein und verifzieren das.

Stork Club Straight Rye Whiskey

Mir gefällt es, wenn das Design den Inhalt der Flasche aufnimmt – die vielen kupfernen Applikationen am Flaschenhals, dem Stöpsel und dem Etikett treffen zwar nicht hunderprozentig die Farbe der Flüssigkeit, nähern sich dem leuchtenden Gold im Glas aber doch an. Leichte Viskosität sieht man darüber hinaus, auch wenn das Glaswandverhalten eher unauffällig bleibt.

Geruchlich nehmen wir erstmal ganz gelassen den doch erkennbaren Unterschied zu einem klassischen amerikanischen Roggenwhiskey an. Da fühle ich eine sehr viel deutlichere Nähe zu einem gelagerten Korn als zu einem Bourbon, etwas, was aufgrund der Herkunft auch nicht verwundern sollte, im Gegenteil – ich finde es gut, dass man hier nicht schlicht die Aromatik kopiert, sondern sich zwar am Vorbild orientiert, aber etwas eigenes macht. Sehr getreidig, würzig und gewürzig, mit schöner, tiefer Fruchtnote, die etwas an reife Birne und Quitte erinnert. Deutlich erdig, meine ich sogar, was die minimale Ethanol- und Kleberkomponente gut auffängt.

Stork Club Straight Rye Whiskey Glas

Das Mundgefühl ist für die eingesetzten 45% Alkoholgehalt zunächst sehr weich und fast zart, mit filigraner Struktur, die den Gaumen für das Kommende vorbereitet. Eine schwere, aromatische Süße, erinnernd an Ahornsirup oder Kandiszucker, wird im Verlauf durch kräftig-würzige Pfeffrigkeit ersetzt, mit der auch etwas Trockenheit einhergeht, ohne dass wirkliche Astringenz aufkommt. Die Aromatik, die wir schon erschnuppert hatten, wird sehr sauber auch auf den Geschmack übertragen, das bildet sich fast 1:1 ab, eben mit der Getreidelastigkeit, der Erinnerung an Lagerkorn, und dem erdigen Späteindruck. Etwas Karotte erinnert dann doch an Bourbon, und eine klare Minzkomponente entsteht im Abgang, die die Zunge leicht anästhesiert und einen Frischehauch im Mund zurücklässt. Der Nachhall besteht dann wieder aus Getreide, und Holz, das mit etwas Vanille abgerundet ist.

Insgesamt mag ich diese Interpretation eines Roggenwhiskys, sie wirkt leichter und frischer, weniger schwer als das amerikanische Vorbild, bleibt aber dennoch aromatisch und dicht, mit schöner, runder Struktur. Handwerklich ohne Frage sehr sauber gebrannt ist der Stork Club Rye darüber hinaus, das liegt einfach gut im Mund und rutscht auch ohne Klemmen durch.


Die Idee von Steffen Lohr, Sebastian Brack und Bastian Heuser ist es, eine deutsche Alternative zum Überseewhiskey anzubieten, insbesondere auch für die Bar. Das gelingt ihnen ohne Frage, und man kann das selbst zuhause im Deckside Derby ausprobieren. Der Stork Club liefert die Basis, die anderen Zutaten ergänzen die bereits bestehende Aromatik weiter. Eine schöne Variante eines klassischen Whiskey Sours, mit mehr Varianz als das Original, wenn man mich fragt.

Deckside Derby Cocktail

Deckside Derby
1½oz / 45ml Rye Whiskey
1oz / 30ml Grapefruitsaft
¾oz / 23ml Zitronensaft
¾oz / 23ml Honigsirup
¼oz / 7ml Allspice Dram
2 Spritzer Orange Bitters
Auf Eis shaken, auf frisches Eis abseihen.

[Rezept nach Nobian Henan]


Zur Flasche und zur Präsentation habe ich ja oben schon etwas gesagt, ein gelungenes Design, wie ich finde, da passt schön alles ineinander, und die Flasche liegt auch gut in der Hand.

Für alle, denen Regionalität etwas bedeutet, und die trotzdem natürlich nicht auf internationale Qualitätsstandards verzichten wollen, ist der Stork Club Straight Rye Whiskey natürlich voll ans Herz zu legen. Für die Heimbar taugt er als Variabilitätsbringer für Cocktails, und ist auch pur sehr angenehm zu genießen. Man muss also nicht in die weit entfernten USA oder nach Kanada blicken, will man guten Roggenwhiskey haben – das geht auch im kleinen Schlepzig, wenn man gute Materialien und Leute dafür hat, wie das dort offensichtlich der Fall ist.

Armagnac am Wochenende – Hontambère Armagnac Blanche verschiedene Rebsorten

Das 2. German Armagnac Festival ist in den Startlöchern, dies hier ist der letzte Hinweis, dass es noch möglich ist, nach Stuttgart zu kommen und kurzentschlossen die vielen Aussteller zu besuchen, die sich für dieses Jahr angemeldet haben. Letztes Jahr hatte ich ja schon ein ein paar winzige Eindrücke vermittelt, und ich bin mir sicher, dass es dieses Jahr mit gestiegener Erfahrung noch einen Ticken unterhaltsamer werden wird. Also auf! Dort wird es sicher auch so einige Blanche-Armagnac zu probieren geben, vielleicht sogar vom sicher teilnehmenden Château de Hontambère, von denen ich im Vorfeld schon ein paar rebsortenreine Blanches schlückchenweise versuchen konnte – hier meine Meinung zu Hontambère Armagnac Blanche Colombard, Blanche Folle, Ugni Blanc und Baco!

Hontambère Armagnac Blanche verschiedene Rebsorten

Alle sind Jahrgang 2022, und mit 50% Alkoholgehalt abgefüllt. Da alle keine Fassreifung erhalten haben, sage ich nichts spezielles für die Farbe, außer dass sie über alle vier Sorten identisch und ununterscheidbar glasklar, fehlerlos und mit erkennbarer Viskosität im Glas stehen.


Hontambère Armagnac Blanche Colombard

Beginnen wir mit dem Hontambère Armagnac Blanche Colombard. Sehr traubig, deutlich tresterig, und leicht erdig. Ein milder Eisenton, erinnernd an rostige Nägel, schwingt mit. Grün und vegetabil, ohne große Kräutereinschläge. Wirkt in der Nase etwas kurz und schmal, mit deutlichem Lack. Der sensorische Eindruck beim Antrunk ist süß und voll, deutlich runder als in der Nase. Trauben und Trester erscheinen sofort, nun viel fruchtiger und weniger grün. Sehr weiche Textur, breit und expansiv am Gaumen. Schöne Würze entsteht im Verlauf, weißpfeffrig und leicht die Zungenspitze anästhesierend. Ein langer Nachhall mit leicht nussigem Charakter bleibt.


Hontambère Armagnac Blanche Folle Blanche

Die Nase des Hontambère Armagnac Blanche Folle Blanche ist deutlich von Traubenaromen gesteuert, frisch und hell, und sehr leichtkörperig. Etwas Vanille, etwas Zimt, aber danach hört es schon schnell auf und geht in eine leichte Grüne über. Die Textur bleibt auch am Gaumen weich und rund, die Aromatik explodiert nicht, sondern orientiert sich an der leichten Nase. Schnell bilden sich buttrige Süßspeisen aus, Kekse, Streusel. Nur vorsichtige Würze kommt dazu, dafür eine ausdauernde, regelrecht aufblühende Floralität, die wirklich apart wirkt. Ein ganzer Blumengarten hängt im Nachklang lange nach.


Hontambère Armagnac Blanche Ugni Blanc

Beim Hontambère Armagnac Blanche Ugni Blanc muss man noch tiefer schnuppern als bei den beiden Vorgängern. Nur ein Hauch von Aromen findet sich, eine Mischung aus Blüten und traubiger Fruchtigkeit, das von einem herben Unterbau gehalten wird. Frisch, klar, aber auch etwas undefiniert, und das setzt sich am Gaumen fort. Es ist von allem was da, Blüten, Frucht, ganz milder Trester, doch alles eher dezent. Im Verlauf zeigt sich dann die Stärke dieses Brands, eine fette Salzigkeit und starke Würze, die Zunge und Gaumen prickeln lässt. Definitiv für mich eher ein Strukturbrand, weniger etwas für die feine Aromatik, und auch im Nachklang bleiben eher die Effekte zurück.


Hontambère Armagnac Blanche Baco

Der Hontambère Armagnac Blanche Baco ist mit Abstand der fruchtigste Armagnac der vier, das erinnert sogar an Tropenfrucht, vorsichtige Mango tut sich besonders hervor, mit etwas Passionsfrucht als Begleitung. Auch im Mund hat diese schwerfruchtige Seite Vorrang vor allem anderen, beide erwähnten Früchte sind klar erkennbar, und sie geben erst gegen Ende die Hauptrolle ab, wenn deutlich anästhesierend sich leicht salzige, aber sehr pfeffrige Würze auf die Zunge legt und diese bis lang über den Nachklang hinaus in Beschlag hält. Dann, ganz spät, kommt leicht geranische Floralität dazu.


Es ist sehr spannend, diese Rebsortenreinheit zu betrachten, denn definitiv sind sie alleinstehend sehr unterschiedlich zueinander; wenn man Armagnac kennt, spürt man aber auch, dass sie zusammen genommen genau ihre jeweiligen Stärken an einen Rebsortenblend einbringen können. Darum habe ich mir den Spaß gemacht und die Reste der Verkostungsgläser einfach zusammengekippt und meinen persönlichen Blend, grob geschätzt natürlich 1:1:1:1, probiert. Ich bin ehrlich – so schmeckt mir dieser Armagnac Blanche vom Chateau de Hontambère am Ende am besten, vollwürzig, blumig, fruchtig und kraftvoll. Eine sehr interessante Erfahrung von Anfang bis Ende. Wer sich für Armagnac, oder Weinbrand im Allgemeinen, interessiert, sollte sich so eine Samplereihe zulegen, um zu verstehen, woher die einzelnen Aspekte eines so vielgestaltigen Brands wie dem Armagnac kommen können.

Offenlegung: Ich danke Sascha Junkert von armagnac.de für die kosten- und bedingungslose Zusendung der vier Samples.

Craft und Kupfer – Purity Connoisseur 51 Reserve Organic Vodka

Wodka muss man lernen, das ist für mich ein Fakt, da gibt es soviele Missverständnisse, aber auch minderwertige Produkte zuhauf, die die Aufklärung dieser Unklarheiten nicht einfacher machen. Ein Land verbindet man geschichtlich ganz besonders mit Wodka, doch der Kauf russischer Produkte verbietet sich gerade natürlich, das schränkt den Genießer aber eigentlich praktisch nicht ein – es gibt mehr als genug traditionelle polnische, ukrainische und besonders finnische Wässerchen, die weit mehr als nur Ersatz sind, und selbst in Deutschland hat es Qualität, die man entdecken kann. Wodka ist auch in Schweden beheimatet, klar, man kennt die langen Supermarktregale voller Absolut-Flaschen, in dutzenden Geschmacksrichtungen aromatisiert, so dass das Klare, Echte hier doch etwas verloren ging zugunsten einer dadurch entstehenden belanglosen Arbitrarität. Doch Schweden hat, wie sich bei den Craftbrennern der Purity Distillery, an der Südspitze Schwedens verortet, zeigt, auch eine modern-rege Wodkakultur, die zurück zu den Wurzeln will.

Ich habe eine gewisse emotionale Nähe zu Schweden entwickelt, seit meinem Städtetrip nach Stockholm 2023, und darum musste ich nicht lange überlegen, ob ich mir den Purity Connoisseur 51 Reserve Organic Vodka als Beweisobjekt für meine Thesen heranziehe. Biozertifizierte Zutaten (hier Winterweizen und gemälzte Gerste in einer unveröffentlichten Mashbill) und Produktion in kleinem Maßstab, dazu die Transparenz, woher der Name kommt. Es ist ja für so manche Hersteller ein Wettbewerb, absurde Zahlen für die „Anzahl der Destillationsvorgänge“ zu präsentieren, da muss man als Kenner schon oft etwas schmunzeln, und auch in manchen Marketingtexten von Purity liest man diese seltsamen Messungen, doch in Wahrheit gibt es wirklich einen Grund für die „51“ im Namen – man zählt hier einfach die Anzahl der Schritte, die das Destillat durchläuft. Schritt 1 ist eine Potstill, deren Rohbrand dann durch zwei Säulen mit je 8 Platten läuft, was 17 Schritte ergibt. Für den Purity 51 macht man das ganze dreimal, so ein Zyklus dauert 6 bis 8 Stunden, und kommt so auf 51 Schritte (wer will, kann auch den Purity 17 und den Purity 34 erwerben). Zumindest etwas, woran man auch als jemand, der viele Brennereien besichtigt hat, glauben kann. Die Platten in den Säulen wurden stark modifiziert, so dass rund dreimal soviel Kupferkontakt stattfindet wie in normalen Säulen, die Vorteile von Kupfer beim Brennen sollten ja bekannt sein. Am Ende wird nicht kohlegefiltert, das Produkt schließlich auf 40% Alkoholgehalt eingestellt. Und so landet es bei mir im Glas!

Purity Connoisseur 51 Reserve Organic Vodka

Glasklar, ohne jeden Fehler, und mit einer ansprechenden Viskosität ausgestattet, so zeigt sich der Purity 51 im Verkostungsglas. Einzelne Wellen schwappen schnell hoch und zerschellen, legen einen feinen Film an die Wand, die dann dickbeinig zügig ablaufen.

Die Nase ist beinahe schon bezaubernd in ihrer zarten Floralität, voller Veilchen, Nelken und Kornblumen. Dazu findet sich eine dezente Kardamomnote, die zusammen mit Vanille fast den Eindruck von schwedischen Kardemummabullar erzeugt. Frische kommt noch durch Anflüge von Zitruszeste, aber nur ganz vorsichtig, bevor dann die erdig-nussige Getreidenote das Bild beherrscht, mit leichter Korianderseifigkeit. All das, so muss man sagen, ist natürlich in einer Feinheit und Zurückhaltung angeboten, wie man es von einem guten Wodka erwartet, ohne sich aufzudrängen, aber effektiv vorhanden. Ein guter Anfang!

Purity Connoisseur 51 Reserve Organic Vodka Glas

Im Mund zeigt sich der Purity 51 vielgestaltig – da ist zunächst die fette Textur, die sich initial extrem weich an den Gaumen legt, im Verlauf aber Struktur und Fahrt aufnimmt, bis sie im Finish deutlich kribbelig mit leisem, aber wirksamem Feuer glüht und wärmt. Ein richtig schöner Spannungsbogen, der nie langweilig ist. Die Aromen duplizieren sich von der Nase, da ist viel Grünheit, etwas Floralität, milde Süße und interessante Gewürzaspekte mit viel Kardamom, Muskatnuss und Vanille, immer in Abwechslung, dazu die grundlegende Getreidewürze mit viel reiner Gerste und Weizen. Leichte Orangenzeste, dazu einiges an Albedo, die vorsichtige Bittere miteinbringt. Der Abgang ist weiterhin rund, weist aber ordentlich Charakter auf, passt so gar nicht zu dem, was man sonst so als Neutralspirituose präsentiert bekommt – das ist der Purity 51 Reserve nämlich ganz sicher nicht!

Wodka hat so diesen Ruf, das langweiligste der Welt zu sein. Auch ich habe das persönlich erst durch viele, viele Wodka- und Kornverkostungen als Juror beim ISW gelernt, dass das eine Fehleinschätzung, verursacht natürlich durch die Massen an minderwertigen Produkten in deutschen Supermarktregalen, ist. Wer einen Wodka für die Heimbar sucht, bei dem man sich nicht wundert, warum James Bond immer eine Flasche Wodka in der Heimbar hatte, und einen wodkabasierten Mixdrink jedem anderen vorzog, der probiere mal den Purity 51 Reserve.


Im krassen Gegensatz zum harten Vodka Martini, geschüttelt, nicht gerührt, der über die Eiseskälte und die kantige Struktur punktet, will ich hier allerdings die Gewürz- und Süßspeisenseite des Purity 51 an einen Drink herangehen. Von der Facebookseite der Brennerei käue ich den Semla Shot wieder, auch wenn ich sowas nicht gern mache; doch hier gibt es für mich einfach keinen zweiten Gedanken, weil der Semla Shot mich sofort zurück nach Stockholm versetzt, in eine Bäckerei, in der es von Süßspeisen nur so wimmelt. Die Schweden haben eine regelrechte Kultur für Zimt- und Kardamomschnecken entwickelt, die ich in ihrer Konsequenz bewundere, und irgendwie so gar nicht zum Ruf des kühlen Nordvolks passt.

Semla Shot Cocktail

Semla Shot
1oz / 30ml angewärmten Amaretto ins Glas geben
1oz / 30ml Wodka vorsichtig darauf schichten
Mit Schlagsahne toppen und etwas Kardamom darauf streuen.

[Rezept nach Purity Distillery]


Die Flasche ist einerseits bauchig, andererseits mit einem schönen Schliff versehen, so dass man sich an einen Diamanten erinnert; dazu passt das schwarzgoldene Design des Etiketts. Ein durchaus edler Augenfang für die feine Heimbar.

Aktuell ist in Deutschland etwas schwer an den schwedischen Vodka heranzukommen, ich habe ihn aber unkompliziert bei einem Shop in Dänemark ordern können. Für mich lohnt sich das preisliche Upgrade, das man für so einen Craftvodka investieren muss, aber ganz sicher – das ist bei Wodka nicht anders als bei anderen Spirituosen. Den Schritt über die 5€-Discounterware spürt man hier jedenfalls so richtig dramatisch stark, das ist aber für den Purity 51 auch niemals der Vergleichswert: im Gegenteil, hier misst man sich mit höchstwertigen Bränden aus der ganzen Welt. Und steht am Ende, ehrlich, in einer glänzenden Position.

Fassfrisch gewählt – Mhoba Rum WR10 Select Single Cask for Kirsch Import

Mhoba Pure Single Sugarcane Juice French Cask Rum Select Reserve war eine der Spirituosen des Jahres 2020 für mich, da gab es keine Zweifel. Neulich erst hatte ich im Rahmen des VSGB-Projekts eine Kleinflasche des Mhoba 2017 FAQ Plastic Pure Single Rum probiert. Beide reiften in französischer Eiche, Ex-Rotweinfässer wurden genutzt. Für den nun zu besprechenden Mhoba Rum WR10 Select Single Cask for Kirsch Import hat man auf anderes Holz und eine andere Vorbelegung zurückgegriffen: das namensgebende Fass mit der Nummer WR10 bestand aus amerikanischer Eiche und enthielt zuvor Bourbon, genauer gesagt Woodford Reserve. 2019 wurde der fermentierte Zuckerrohrsaft der Sorte Nkomazi in einer Pot Still destilliert, 2023 dann das Fass von Kirsch Import selektiert und der Inhalt in 252 Flaschen abgefüllt. Unverdünnt, nicht gefärbt, gezuckert oder kühlfiltriert – da freut sich der Kenner, und ich bin schon gespannt, was der Rum zu mir im Glas sagen wird.

Mhoba Rum WR10 Select Single Cask for Kirsch Import

So ein frisches Fass aus amerikanischer Eiche gibt ordentlich Farbe ab, und auch wenn ein Großteil davon natürlich an die Vorbelegung des Bourbons ging, bleibt auch im Second-Fill noch genug Färbekraft übrig, was man an dem leuchtenden Terracotta sieht. Schwenkschwere erwarte ich bei einem Cask-Strength von 63,5% schon, und ich werde nicht enttäuscht, attraktiv viskos bewegt sich die Flüssigkeit im Glas.

Mhoba ist so ein Rum, den man durchaus wiedererkennt. Die Mischung aus quietschigen Estern, die reife Ananas, Mango und auch viel Zimt hervorbringen, und vanillig-cremiger Süße hat schon einen ganz eigenen Charakter. Auch wenn der Rum im „Agricole-Stil“ (so der Pressetext, hier hat jemand aufgepasst und die Wortwahl gut getroffen) gemacht ist, verwechselt man ihn eher nicht mit einem Agricole aus Martinique oder Guadeloupe, der Rum zeigt eher sensorische Verwandschaft mit Clairin aus Haiti. Frisch und rund zugleich, eine gewisse Portion Spearmint klingt mit, und eine winzige Spur tanninischer Lack, das hat was Erwachsenes, ohne wirklich bequem zu sein.

Am Gaumen und auf der Zunge liegt der Rum im Antrunk erstmal extrem weich und mild, richtig fettsüß und schwer, mit voller Textur, sehr überraschend für den hohen Alkoholgehalt, da wurde echt sauber gearbeitet. Ester blitzen kurz auf, das „quietschige“ Element, wie ich es gern nenne, das an getragene Sportschuhe erinnert, ist nur eine Sekunde da, macht dann Platz für viel tropische, reife Frucht. Würze kommt dazu, ein Anflug von Salzigkeit, durchaus schon maritim wirkend, und dann beginnt die Zunge sich zu wärmen, leicht zu prickeln, wie von ganz mildem schwarzem Pfeffer. Vanille und ein Hauch Zimt deuten auf das Bourbonfass hin. Lang, sehr mild und weich klingt der Rum dann aus, ohne uns je gepiekst zu haben, mit viel Tuttifrutti und süßem, karamellig-buttrigem Shortbread.

Sehr hübsch, unerwartet süßmild, dadurch aber auch extrem trinkig und schmeichelnd. Der Rum passt gut zu dem Woodford-Fass, muss ich sagen, und Kirsch hat ganze Arbeit bei der Auswahl geleistet, das ist wirklich ein rundes Produkt. Sehr empfehlenswert für Freunde starken Rums!

Offenlegung: Ich danke Kirsch Import für die kosten- und bedingungslose Zusendung eines Samples dieses Rums.

Subkultur und Gemeinwohl – Ambiq Bio Bitter Aperitif

„Unabhängige Spirituosen für eine freie Subkultur“ – ein Satz, den man erstmal verdauen muss. Was bedeutet das? Was ist eine unabhängige Spirituose, was eine freie Subkultur? Die Macher des Ambiq Bio Bitter Aperitif, auf dessen Rücketikett und den Pressetexten man diesen Satz findet, sparen nicht mit Erklärungen, wie sie es meinen. Nachhaltigkeit (kurze Lieferwege und Verzicht auf Unnötiges), soziale Verantwortung (Gemeinwohlökonomie, kooperatives und demokratisches Arbeiten) und Gerechtigkeit (selbstbestimmt und -organisiert, hierarchiefrei, Konsentverfahren bei Entscheidungen) sind nur ein paar der Schlagworte, die in einem manifestartigen Selbstbild zu finden sind. Aufklärung und Suchtprävention hat man sich darüber hinaus auf die Fahne geschrieben. Ein sympathisches, wenn auch auf den ersten Blick fast schon überfrachtet wirkendes Ensemble voller Ideen, deren reale Umsetzung die Welt aus meiner Sicht aber auch tatsächlich etwas besser machen könnten. Man braucht einfach Utopisten, müde Ironie und konservativer Pragmatismus werden nie etwas an der Situation ändern.

Eine Spirituose mit so einem Selbstbild bekommt bei mir schonmal etwas Vertrauensvorschuss, dennoch muss sie sich beweisen. Der Ambiq Bio Bitter Aperitif hat, neben den angesprochenen Metathemen, aber auch so eine interessante Grundstruktur zu bieten: Ein Basisdestillat aus Weizen wird mit sechs Botanicals, alle natürlich gemäß dem abgedruckten und im Namen enthaltenen Biosiegel biologisch zertifiziert gesourct, aromatisiert. Man findet hier Orange, Enzian, Chinin, Vanille, Wermut und Cassis. Das klingt für mich nach einer durchaus spannenden Mischung von erdigen, frischen, bitteren und süßen Aspekten. Probieren wir, ob sich das so im Glas auch bewahrheitet!

Ambiq Bio Bitter Aperitif

Farblich ist das sehr dramatisch eingestellt, tiefes, leuchtendes Rubinrot, dabei bleibt es kristallklar und durchsichtig. Im Glas bewegt sich der Aperitif leicht und geschmeidig, nicht wirklich offensichtlich ölig, aber mit einer erkennbaren Schwere.

In der Nase finde ich als allererstes einen sehr persönlichen Eindruck – schwarze Johannisbeeren und Holunderbeeren. Das erinnert mich gar nicht so entfernt an den Holundersaft, den meine Eltern früher eingekocht hatten. Danach kommt die Zeste einer Bitterorange, mit einem guten Anteil Albedo, und auch frischer Orangensaft klingt irgendwie mit. Natürlich wirkt das ingesamt bitter, so soll es auch sein, dabei aber fruchtiger als zum Beispiel Aperol oder Campari, zwei natürliche indirekte Konkurrenten in dieser Kategorie der Bitterspirituosen. Ganz milde und nur im Hauch vorhandene Anklänge von Lakritz und erdigem Enzian finde ich noch – ein insgesamt sehr ansprechendes und durchaus komplexes Geruchsbild soweit.

Ambiq Bio Bitter Aperitif Glas

Im Mund kommt das zunächst sehr mild an, angenehme Süße, kräftig ausgeprägt, aber nie pappig wirkend, definiert den ersten Eindruck. Dann spüre ich die schwarzen Johannisbeeren und den Holunder, sowohl von der Fruchtigkeit als auch von der diesen Beeren bereits inhärenten Bittere. Orange, vielleicht schon fast Bergamotte, erscheint aromatisch, mit dieser zestigen Seite. Leichte Gewürznoten spielen die Rolle des Komplexitätsgebers, nie wirklich klar definiert, einfach als zugrundeliegendes Bouquet. Spät bildet sich ein vorsichtiges Prickeln auf Zunge und Schleimhäuten, dem Alkoholgehalt angemessen, und dann erscheint auch eine gewisse Schärfe, mehr pikant und frisch, eine Mischung aus Minz- und Pfeffereffekt gewissermaßen, der dann den Abgang dominiert. Bittere, Süße und etwas Estragonfrische bilden den langen Nachklang.

Pur trinkt sich das sehr angenehm, viel weniger süß als die italienischen Produkte, dabei aromatisch voll und dennoch leicht, mit einer sehr hübschen herben Seite. Auf Eis, mit einer Zitronenscheibe, im Sommer würde das pur sicher richtig viel Spaß machen, darauf freue ich mich jetzt schon – der erste Sonnentag wird mit dem Ambiq Bio Bitter eingeleitet werden!


Neben dem Einsatz als herber Aperitif, wie der Name es ja schon vorschlägt, sehe ich den Ambiq durchaus auch als Variante auf bekannte Geschmäcker in Mixed Drinks. Wem zum Beispiel Campari zu bitter und Aperol zu süß ist, der findet hier eine Zutat, die in Rezepturen ähnlich verwendet werden kann und dem Gesamtbild dann einen neuen, interessanten Twist verleiht, sei es im Negroni, Jungle Bird oder dem Génération perdue, bei dem mit dem Ambiq alles passt.

Génération perdue Cocktail

Génération perdue
1oz / 30ml Dubonnet rouge
½oz / 15ml Cognac
½oz / 15ml Campari
Auf Eis rühren.

[Rezept nach unbekannt]


Die Literflasche mit Blechschraubverschluss ist einfach gehalten, hier zeigt sich, dass man sich wirklich daran hält, was man schreibt: der Verzicht auf unnötiges Chichi. Auch das Etikett ist ähnlich reduktionistisch. Über ein paar formulierte Gedanken hinaus, die auf dem Rücketikett zu finden sind, habe ich nicht das Gefühl, dass hier offensiv missioniert wird – gut gemacht, wenn das Produkt so wie hier überzeugt, findet die Ideenübertragung eh viel leichter über den Geschmack statt Laberei statt.

Mich haben sie jedenfalls überzeugt, und ich drücke der Firma Abyme alle Daumen, dass sich ihr Geschäftskonzept durchsetzt. Vielleicht steckt so eine Initiative auch andere an, statt dem großen Geld (das man als kleine Firma in der Spirituosenbranche eh nicht machen kann) etwas Nachhaltiges zu schaffen. Ich bin und bleibe Optimist, und würde es mir sehr wünschen, mehr Produkte dieser Art auf dem Markt zu finden.

Offenlegung: Ich danke Abyme für die kosten- und bedingungslose Zusendung einer Flasche des Ambiq Bio Bitter Aperitif.

Bier am Freitag – Leûp Cherry Brune

Das Leûp Cherry Brune stammt aus der Brasserie Artisanale Fredeber im belgischen Stembert. Man versucht sich da an der Herstellung eines kriekähnlichen Getränks, ich sage kriekähnlich, weil keine frischen Früchte verwendet werden, nichteinmal frischer Saft, sondern ein Kirschsirup aus Konzentrat. Dazu kommt laut Zutatenliste das Süßungsmittel E411 (Tamarindenkernmehl), das als ernährungstechnisch zwar unverdächtig, aber für mich als Bierfreund dennoch unnötig ist. Das Basisbier ist obergärig, flaschengereift, und mit 7% Alkoholgehalt ganz ordentlich kräftig eingestellt für so ein Fruchtbier – rettet dieser Wumms das Bier?

Leûp Cherry Brune

Im Glas wirkt es optisch erstmal mäßig begeisternd, ein etwas schmutziges Haselnussbraun, mit leicht rötlichem Touch. Starktrüb, nahezu blickdicht, aber auch ohne Schaum – das wenige, was beim Eingießen da ist, ist nach Sekunden weg, und nach einer halben Minute ist überhaupt nichts mehr da. In der Nase ist der eingesetzte Kirschsirup direkt dominant, fruchtig, leicht säuerlich im Eindruck, nur minimal darunter die Gerstenbasis. Bei empfohlenen 6°C muss man auch nicht wirklich weitersuchen nach Aromen, da findet man schlicht nichts.

Im Mund wirkt das ganze dann aber viel interessanter, da ist viel Würze, Getreide, schwere Frucht aus der Kirsche – und das ganze mit knackiger, britzelnder Säure versehen, so dass man sich über Rezenz keine Sorgen machen muss; die Kühle und trotz des Mangels an Schaum spürbare Karbonisierung kümmern sich weiterhin darum. Und auch wenn der Abgang dann sehr kurz und belanglos ist, muss man sagen – wenn man das Leûp Cherry als Erfrischungsbier betrachtet, macht es seinen Job ganz hervorragend, gerade, weil am Schluss noch eine echt derbe, fast schon holzige Bittere dazukommt.

Das ist kein wirkliches Kriek, mehr ein leicht aromatisiertes Bier, ohne viel Anspruch, aber mit dem frechen Kick, den man in der Sommerhitze genießen kann.