Es ist schon seltsam – da kennt man auch als fortgeschrittener Spirituosenfreund dutzende von Rumbrennereien, Whiskydestillen und Tequileros, ist von kaum etwas überrascht, neue Firmen kommen eher selten auf den globalen Markt. Doch mit jeder neuen Abfüllung von Grape of the Art, die mir ins Haus flattert, denke ich mir – den Namen auf dem Etikett habe ich noch nie zuvor gehört, da wird mir immer wieder schmerzhaft vor Augen geführt, wie unbekannt Armagnac hierzulande noch ist, und wie wenig ich eigentlich über diese grandiose Spirituosengattung weiß. Beim GotA Hontambère 1985 Armagnac ging es mir wieder mal nicht anders. Der Brenner sitzt in der Domaine de Pouchégu in der Region Ténarèze, wo die Rebsorte Ugni Blanc 1985 zu einem Destillat verarbeitet wurde, das nach 36 Jahren Holzreifung schließlich im August 2022 in Fassstärke (in diesem Fall sehr angenehme 56,6%) auf 350 Flaschen gezogen wurde. Ich genieße sehr, wieviele Details die Jungs von Grape of the Art immer auf Etiketten und Beipackzettel packen – so soll es sein, jede kleine Information ist für einen analytischen Menschen wie mich ein zusätzlicher Funken, der den Genuss steigert. Analyse, Schmanalyse, rein ins Glas mit dem Stoff.
Nach all diesen Zahlen fangen wir an, weniger direkt messbare Größen zu untersuchen. Obwohl, auch für Farben kann man ja eigentlich klare Definitionen angeben – ich halte mich weiterhin gern an das „Farbenrad von Single Malt Whisky“, das ich vor Urzeiten mal bei Eye for Spirits runtergeladen hatte, und das mich bis heute begleitet – und da liegt der Hontambère bei zwischen Pariser Rot D1 und Gebrannte Siena D2. Der Armagnac lässt sich nur mit etwas Schwung in Bewegung versetzen, und die Beinchen, die dann aus dem entstandenen Film ablaufen, lassen sich viel Zeit dabei.
In der Nase finden sich richtig schöne, typische Noten von reifen Feigen, Rosinen, Walnüssen und überreifen Weinbergpfirsichen. Ein bisschen Lack ist mit drin, und etwas angebranntes Karamell, dazu ein Ticken Zimt und frisch dunkel gebackenes Brot. Etwas frisch versengtes Holz kommt in einer Phase, wenn man die Nase schon wieder aus dem Glas zieht, noch nach. Vielschichtig und sehr angenehm, ohne jede Störnote, das schnuppert sich extremst angenehm, ohne, dass der Alkoholgehalt je pieksen würde. Irgendwie erinnert mich das etwas an Bourbon.
Im Mund ist zunächst die Textur auffallend – es beginnt weich und sanft, voll und breit, wandelt sich dann aber von dieser gemütlichen Seite schnell in ein Kraftpaket, mit feuriger Würze, die die Zunge mehr als nur kitzelt, und dann sogar ins Trockenholzige übergeht, mit kräftiger Astringenz und chilihaftem Brennen im Abgang. Ein spannender Gefühlsbogen, der von holzig-deftigen Aromen getragen wird, mit etwas fruchtigreifer Pflaume und süßpikanter Melasse, was am Ende in steinobstigen Nachklängen endet, auch hier mit etwas leicht medizinischem und lackigem Holzeinfluss, anishaftiger, wilder Bittere und zimtiger Hitze. Der Mundraum bleibt gereizt, erwärmt und entspeichelt für eine ganze Weile – das muss man abkönnen.
Mit dem Hontambère hat man einen wuchtigen, schweren, trockenen Armagnac vor sich, der sich nie zurückhält, deutlich vom Holz beeinflusst ist, dabei aber noch Frucht durchscheinen lässt. Das trinkt sich nicht unkompliziert, zugegeben, aber aufregend, wenn man starke Spirituosen, die sich nicht einschmeicheln, mag. Ich genieße so etwas sehr – etwas, wofür man sich für so ein kleines halbes Verkostungsglas durchaus eine halbe Stunde Zeit lassen kann, ohne dass es langweilig wird.
Offenlegung: Ich danke Grape of the Art für die kosten- und bedingungslose Zusendung dieses Samples.
„Rum do Brasil“, das ist nun das zweite Mal, dass ich diese eher seltene Deklaration einer Spirituose lese. Brasilien verbinden wir einfach mit Cachaça, und ja, ich betone es einfach nochmal erneut, Cachaça ist kein Rum, sondern eine zweite Unterform des Zuckerrohrbrands, wie es Rum auch ist. Gar nicht so schwierig eigentlich. Doch zurück zum Thema, warum steht da nun „Rum“ auf dem Etikett des Soledade Rum do Brasil Armazenado em tonéis de Ipê? Ich habe einfach bei meinem Freund Vicente Bastos Ribeiro, der Master Blender bei der Fazenda Soledade ist, nachgefragt, was da Sache ist. Und er hat es mir ausführlich erklärt, ich gebe hier einfach eine sehr oberflächliche Version wieder: Der Hauptunterschied ist, dass bei diesem Rum für die Destillation eine Mischung aus Melasse und Zuckerrohrsaft eingesetzt wird – wie aufmerksame Leser meines Blogs wissen, ist für Cachaça ausschließlich Zuckerrohrsaft erlaubt. Ein paar Destillationsdetails sind auch anders als das Gesetz es für Cachaça vorschreibt. Vicente experimentiert gern mit seinen Destillaten, und der Soledade Rum ist so ein Versuch, mal „etwas anderes“ zu machen.
Ich erkläre noch gern das Wort „armazenado“ – es ist der technische Begriff für die Tatsache, dass der Brand nach dem Destillieren „in Holzbehältern aufbewahrt“ wird, Dauer und Fassgröße sind dabei nicht bestimmt. „Tonéis“ sind schließlich dann eben die Fässer, und „Ipê“ ist eine in Brasilien heimische Hartholzart, die man durchaus öfter für Cachaça einsetzt. Sie ist grundsätzlich nicht unproblematisch, denn die Bestände der brasilianischen Walnuss, wie man sie auch nennt, sind zwar im Moment noch nicht offiziell als „stark gefährdet“ gekennzeichnet, doch bereits seit langem „übererntet“ und allein deswegen schon kurz davor, in diesen Status zu geraten. Und die vielen illegalen Abholzer, die aktuell in Brasilien praktisch ungehindert ihr kriminelles Unwesen treiben können, werden sich darüber hinaus schon darum kümmern, dass wir dieses Holz bald sehr viel seltener sehen werden. Ich hoffe, die neue brasilianische Regierung setzt sich etwas mehr für die Umwelt ein, als es die alte getan hat. Wieder hin zu leichteren Themen, probieren wir den Soledade-Rum!
Man erkennt, dass das Ipê-Holz schon eines ist, das etwas Farbe an die in ihm gelagerte Flüssigkeit abgibt (manche brasilianischen Hölzer sind da sehr viel sparsamer), ein leichtes Ocker mit einem Touch von Orange. Beim Schwenken zeigt sich der Rum lebendig und nur leicht viskos, die sich bildenden Beinchen laufen schnell ab.
Hält man das Glas dann an die Nase, verwirrt der Geruch zunächst etwas; erinnert man sich aber an die Herstellung, klärt sich das direkt auf. Da ist sowohl eine Note eines leichten Rums spanischer Machart, als auch die grasige Komponente einer Cachaça, und insbesondere die hohe Typizität und Identität des Ipê ist erkennbar, aber in einem anderen Ton, als man das vielleicht gewohnt ist. Sehr floral wirkt das in dieser Kombination, mit Lavendel, Thymian, etwas Minze, Kardamom und zu guter letzt vielleicht noch etwas Aprikose. Definitiv anders als ein Rum, wie wir ihn sonst aus Eichenfässern kennen, und auch anders als eine Cachaça. Spannend!
Auch im Mund setzt sich direkt das brasilianische Holz durch, mit seiner leicht mentholischen, leicht eukalyptischen, jedenfalls sehr blumigen Eigenheit. Lavendel- und Thymianeindrücke entstehen daraus, erblühen voll und gehen dann langsam in weiche, warme Kandiszucker- und Ahornsirupkomponenten auf. Ein sehr weiches Mundgefühl mit kaum erkennbaren 40% Alkoholgehalt schmeichelt sich an den Gaumen, erst spät im Verlauf kommt feine, pikante Würze dazu, die dann am Schluss die Zunge prickeln lässt. Grasigkeit und ein Eisenton entstehen schließlich, mit diesen klingt der Rum dann gemütlich aus, während noch etwas von der Ipê-Blumigkeit im Mund zurückbleibt.
Ein leichter Rum, aromatisch, aber doch stark vom Holz getrieben, fast ausschließlich sogar, würde ich sagen. Das leichte, fast schon zarte Basisdestillat hat der Aromenwucht des Ipê kaum etwas entgegenzusetzen, und wird von ihm so dominiert, dass kaum etwas übrig bleibt. Nun, persönlich mag ich Ipê sehr, darum stört mich das nicht so wahnsinnig – doch ich vermisse etwas die Interaktion zwischen Destillat und Holz, etwas Komplexität, etwas sensorische Spannung. Dennoch ein interessantes Produkt, das eine eigene Charakteristik aufbaut!
Ja, ich weiß was meine aufmerksamen Leser sagen werden, wenn ich nun den Anita als Cocktail vorstelle – „geht der Soledade Ipê nach dieser Geschmacksbeschreibung nicht unter in einem Drink mit Campari?“ Nun, tatsächlich ist so ein feiner Rum nicht die offensichtliche Wahl dafür, doch ich habe es aus einer Laune heraus probiert, und finde, dass die exotische Holznote ganz dezent selbst gegen den italienischen Bitter durchkommt und den Drink damit interessant macht. Theorie und Praxis, manchmal muss man seiner Intuition folgen!
Anita ⅔oz / 20ml Campari ⅓oz / 10ml gereifte Cachaça ⅔oz / 20ml Blutorangensaft ⅓oz / 10ml Limettensaft ⅓oz / 10ml Macadamianusssirup Auf Eis shaken. Mit Basilikum dekorieren. [Rezept nach Thalita Alves]
Über die Präsentation gibt es nur Erfreuliches zu berichten – mir gefällt die bauchige Flasche, das kleine Bastnetz am Flaschenhals, die Holzkrone auf dem Korken. Das ganze ist unabhängig von der Hauptmarke der Fazenda Soledade, die wir in Deutschland kennen – Nêga Fulô, der eine oder andere wird aber durch dieses Bastnetz vielleicht daran erinnert, bei letzterer Marke ist nur eben die ganze Flasche damit umhüllt.
Im Fazit bleibt für mich festzuhalten, dass ich solche Versuche von Brennern immer gerne probiere und es spannend finde, was die sich so einfallen lassen. Gerade für Leute, die ähnlich wie ich empfinden, ist so ein Grenzgängerprodukt wie der Soledade Ipê natürlich sicher einen Geschmacksversuch wert – da lernt man nebenbei doch so einiges über Kategorien, Hölzer, Destillationsarten, Basismaterialien und so weiter, während man den Rum gemütlich im Glas schlürfen kann.
Belgisches Bier und jamaikanischer Rum – zwei meiner Lieblinge, in einem Produkt vereint! Das klingt ja schon grandios, und ich war sehr gespannt auf das Duvel Barrel Aged Jamaican Rum Edition. Dies ist die 6. Auflage ihrer Fassreifungsreihe, „Duvel Barrel Aged Batch No. 6“, wie es auf dem Etikett steht. Es handekt sich dabei um ein Starkbier mit 11% Alkoholgehalt, das in Fässern gereift wird, das vorher jamaikanischen Rum (ohne genauere Angabe einer Destillerie) enthielt. 390 Fässer hat man sich bei Duvel dafür reserviert, und diese ergaben am Ende die stattliche Anzahl von 101325 daraus abgefüllten 750ml-Flaschen. Meine Flasche hat die Nummer 64941, das ist zwar eine Limitierung, aber eine doch recht großzügige. Nachdem ich die Flasche auf die empfohlene Trinktemperatur von 5°C herabgekühlt habe, gieße ich mir nun ein Glas ein; wie praktisch, dass in dem Set gleich ein gebrandetes Glas mit großem, roten „D“ darauf genau dafür mitgeliefert wird!
Das Bier ist kristallklar im Glas, man sieht durch die haselnussbraune Farbe, die fast schon ins rötliche übergeht, die feine, leichte, langsame Perlage. Schaum ist eher dünn, ein feinblasiger Flaum mit großblasigen Inseln.
Die Nase besteht zunächst aus Apfel und leichtem Essig, erinnert mich eigentlich mehr an Cidre oder herben Viez als an Bier. Schnuppert man weiter, kommt ein süßliches Aroma, das wirklich von den Rumfässern stammen könnte – aber ohne die Esterigkeit, die man hier bei Jamaica-Rum vielleicht erwrten würde. Etwas generisches feuchtes Holzfass gesellt sich dann dazu. Zu guter letzt entdecke ich noch etwas reife Erdbeeren.
Im Mund drängt sich der Jamaica-Rum dann sehr viel deutlicher nach vorn, direkt schon beim Antrunk erkennt man eine gewisse Typitizät, mit reifer, tropischer Frucht, viel Kirsche und minimalen Kompostaromen. Der Apfel lässt sich nicht ganz verdrängen, die freche Säure unterstützt diese Komponente noch. In der Textur wirkt das Bier zwar weich, aber klar eher zum Frischsauren tendierend, da ist keine Cremigkeit oder schmeichelnde Weichheit. Im Abgang wird das sogar leicht kratzig. Rezenz ist natürlich vorhanden, ein fast kühlendes Gefühl prickelt am Gaumen noch nach, während die Rumaromen, die am längsten aushalten, dann langsam verklingen, mit deutlicher Trockenheit und Astringenz.
Im Vergleich zum „normalen“ Duvel hat die Fassreifung ordentlich was an Farbe gebracht, auch die Aromatik hat sich deutlichst verschoben, das ist ein ganz anderes Bier. Die Frische des Originals ist erhalten geblieben, da das klassische Duvel aber eh schon kein superaromatisches Bier ist, hat diesbezüglich das Fass voll übernommen.
Ich gebe zu, ich hatte mir etwas anderes, und ja, mehr erwartet. Die Fassaromen verdrängen jeden Biercharakter, die starke, etwas undifferenzierte und unmotivierte Säure passt dann irgendwie nicht so hundertprozentig dazu. Etwas mehr Körper hätte dem Bier sicher auch gut getan, in der vorliegenden Fassung und Reifestruktur ist es unrund und unentschieden, was es werden will. Wer sich eine Flasche zulegt, sollte sicherlich eine längere Lagerung in Betracht ziehen als ich das getan habe. Es findet sich leider kein Abfülldatum auf der Flasche, nur das „best before“-Datum, welches hier auf 2026 steht – vor diesem Datum würde ich es, nach meiner Erfahrung hier, nicht öffnen.
Vor ein paar Wochen habe ich hier über Tequila gesprochen, der ausschließlich in Ex-Scotch-Fässern gereift wurde. Eine spannende Sache, die zeigt, dass die ehemaligen, als selbstverständlich betrachteten Limitierungen bei der Herstellung von Spirituosen immer weiter aufweichen und durchlässig werden – in vielerlei Richtungen. Tequila, in Scotchfässern gereift, ist nur ein Beispiel dafür, und heute drehen wir das Ding einfach mal um – wir haben mit dem Smokehead Tequila Cask Terminado Islay Single Malt Scotch Whisky den genau umgekehrten Fall eines Scotchs, der ein Finish in Ex-Tequila-Fässern erhalten hat. Das ist dahingehend ungewöhnlich, dass die Scotch Whisky Association (SWA) erst vor kurzem überhaupt erlaubt hatte, derartige Fremdspirituosenfässer für schottischen Whisky einsetzen zu dürfen; es gab diesbezüglich eine Unklarheit in den entsprechenden Regularien, die 2019 klargestellt wurde.
Auch wenn wir die Weltregionen im Kreis austauschen und die übliche Richtung, in der das mit den Fässern läuft, sozusagen auf den (Toten-)Kopf stellen, bleibt ein Gesetz des Business erhalten: der Abfüller Ian Macleod Distillers Ltd. aus dem schottischen Broxburn, dem auch Glengoyne und Tamdhu gehört, verrät uns leider nicht, welcher Brenner auf Islay den Whisky hergestellt hat, und auch nicht, welcher Tequila vorher in den Finishing-Fässern gelagert worden war, und auch nicht, wie lange der Whisky grundsätzlich gereift ist, und auch nicht, wie lange das Finish dauerte. Für den Freund der Transparenz ist das natürlich immer etwas schwierig, vor allem, wenn so viele Fragen gleichzeitig offen bleiben. Doch das sind eben die Bedingungen, denen der Fassmarkt zwischen Brennereien unterworfen ist; und ich bin kein Hasser oder Verfechter von No-Age-Statement-Abfüllungen, darum ist das für mich wirklich keine politische Frage, mehr ein Feststellen des Bedauerns, denn diese Informationen würden noch so einiges an Gedankenmaterial und Philosophieren erlauben, für einen Blogschreiberling wie mich das Salz in der Suppe. Doch genug des Theoretisierens und Was-wäre-wenn-Geschwafels, hin zum wahren Leben: schauen wir mal, ob der Terminado (dieser Name ist natürlich angelehnt an die Kategorisierungen beim Tequila, wie dem Reposado, und gleichzeitig auf die „letzte Stufe“ des Reifungsprozesses anspielend) auch ohne Detailwissen über die Herstellung im Glas überzeugen kann!
Zuckerkulör wird auf dem Etikett deklariert, bei Scotch ist das überhaupt nichts ungewöhnliches, im Gegenteil, eher Standard. Honigfarben ist der Terminado jedenfalls im Glas, zeigt sich durchaus ölig, sowohl beim Schwenken, als auch, wenn sich die Flüssigkeit schnell wieder legt danach. Der Film an der Glaswand, den man dadurch erzeugt, teilt sich nur widerwillig in Beinchen auf, läuft dann stufig in Beinchen mit dicken Köpfen ab.
Wie bei vielen Islay-Whiskys muss man die Nase gar nicht tief ins Glas halten, um den typischen Geruch wahrzunehmen, der springt einen regelrecht an. Klarer, unspeckiger Rauch und deftig-salziger Torf definieren das natürlich, doch schnell folgen Heideblumen mit nasser Erde daran, schließlich wird der Duft medizinisch, fleischig, und zum Schluss sogar etwas kräuterig-alpin. Das ist nicht so aggro, wie manch anderer Brand von der Insel, wirkt eher weich und rund, das Wort „mild“ will ich bei so einem Stil eigentlich nicht verwenden, doch im Vergleich innerhalb der Kategorie passt es. Reife Früchte und eine holzig-grasige Unterlage geben weiter Volumen, besonders erstere nehmen bei zunehmender Offenstehzeit dem Rauch etwas die Wildheit.
Tasting Notes werden sowohl auf dem Rücketikett als auch auf dem Karton schon angegeben, die will ich natürlich nicht wiederkäuen, auch wenn sie interessant sind, sondern meine eigenen Eindrücke schildern. Die Textur ist sehr weich und voll, der Antrunk legt sich direkt breit auf den Gaumen und die Zunge, mit einer sehr schweren Basissüße, die an Honig, Frühlingsblumennektar und Nougat erinnert, die nicht einmal durch die im Verlauf auftretende Weißpfefferwürze verdrängt wird. Der Rauch ist zunächst kaum präsent, wobei ich oft feststelle, dass Rauch und Frucht manchmal sensorisch ineinander übergehen, und fruchtig ist der Smokehead Terminado definitiv, richtig viel Aprikose, Pfirsich und Orangenzeste; ich verstehe auch, was der offizielle Verkoster mit „BBQ Pineapples“ meinte, das ist genau dieser Übergang zwischen Röstung, Kohle und reifer Tropenfrucht. Der Abgang wirkt dann leicht kaltlagerfeuerig, speckig, mildsalzig, die Süße legt sich auf die Lippen und bleibt lange erhalten. Im Nachklang meint man dann endlich, wirklich die reife Agavenfrucht feststellen zu können, die dem Tequilafass noch innewohnte – das ist aber wirklich ein kleines, feines Detail, dem man aktiv folgen muss; es hätte mich auch gewundert, wäre da arg viel mehr gewesen: Tequila hat im Vergleich zu Islay-Whisky einen höchst fragilen, feinen Geschmack, der durch den ganzen Torf nur mühsam durchkommt.
Das trinkt sich pur sehr süffig, muss ich sagen, der Terminado attackiert den Gaumen nicht ganz so, wie das manch anderer Inselgenosse tun würde, mit viel Süße und Schwere hat man was zum Lutschen, und er lässt die Zunge dann auch irgendwann wieder los. Ja, eine handvoll Jahre mehr Reifung würden ihm guttun, und vielleicht auch drei zusätzliche Prozentchen Alkohol auf die vorhandenen milden 43%, doch das sind Details; insgesamt passt das Gesamtpaket aus Islaykörper und Tequilakopfnote doch wirklich gut zusammen.
Islay-Whisky und Cocktails, das ist eine komplizierte Geschichte – die starke Aromatik übernimmt wie schon pur auch meist schnell den kompletten Geschmack in Mixturen, oft verwendet man so einen Whisky dann lieber als kleine Zutat, um Rauch in den Drink zu bringen, oder als Parfüm, mit dem man das Glas ausspült. Aber warum soll man nicht auch gleich einfach „all-in“ gehen, wenn der Geschmack eh deutlichst spürbar ist: der Smoked Maple lässt dem Terminado vollen Spielraum, während die anderen Zutaten die Fruchtigkeit nur noch unterstützen.
Smoked Maple 2oz / 60ml Islay Whisky ¼oz / 7ml Aprikosenlikör ¼oz / 7ml Orangensaft 1 Teelöffel Ahornsirup Auf Eis shaken. [Rezept nach Simon Difford]
Marketingtechnisch setzt man hier offensichtlich nicht auf den klassischen, traditionsbewussten Scotchtrinker, der am Wochenende im Kilt herumläuft, sondern auf den modernen Käufer, mit der schwarz beklebten Flasche, die dadurch komplett blickdicht wird. Mit den darauf geklebten Etiketten, entsteht damit ein fescher, frecher Stil, auch wenn ich persönlich lieber die Flüssigkeit schon sehe – und wenn es nur um den Füllstand geht, der hier geschätzt werden muss. Der leicht verwischte Totenkopf in türkis dient hier, passend zum restlichen fast schon punkigen Stil, als Markenzeichen; der Karton hat dann das Totenkopfdesign ins Mexikanische übertragen, florale Muster und die typischen Dia-de-los-Muertos-Schädel mit Blumen und Herzen sollen wahrscheinlich die Beziehung zum Tequila herstellen. Das passt genau so, wie es ist, finde ich.
Ein durchdachtes Produkt, sauber gemacht, mit einer interessanten Prämisse, ohne dabei ins Gimmickhafte abzugleiten: Mir macht der Smokehead Terminado Spaß. Für Scotchfreunde, die offen für neues sind, sicherlich empfehlenswert, und insbesondere aber auch für Tequilanerds, die mal erleben wollen, wie sich der mexikanische Brand in neue Geschäftsfelder entwickelt und auch in höchst unerwarteten Szenarien punkten kann.
Offenlegung: Ich danke Karkalis Communications für die kosten- und bedingungslose Zusendung einer Flasche dieses Whiskys.
Ich habe mal nachgeschaut – mit dem hier vorgestellten Sierra Nevada Pale Ale bespreche ich das mittlerweile 10. Bier dieser Brauerei auf meinem Blog. Damit ist die Brauerei aus dem kalifornischen Chico, gegründet schon 1980, der Spitzenreiter der Bierliste bei mir. Das liegt unter anderem daran, dass Sierra Nevada mir dabei immens geholfen hat, die „neuen alten“ Bierstile für mich zu entdecken, aber auch daran, dass hier im Saarland die Einzelhändler, die sich auf exquisite Biere eingelassen haben, diese Marke schon von Anfang an gern im Angebot hatten. Wer zuerst kommt, mahlt zuerst, auch hier.
Deutliche Mikropartikel stehen in der goldbraunen Flüssigkeit, was eine gewisse Trübung erzeugt. Dazu kommen ein paar Hefeflocken, die sich am Boden des Glases absetzen. Der üppige Schaum sinkt schnell in eine feinblasige Bieroberfläche zusammen.
Ich habe inzwischen eine klare Erwartung, wenn ich mir ein Pale Ale eingieße. Ich persönlich bin dabei ein Fan des klassischen Stils, viele Experimente in Überhopfung gefallen mir nicht. Das Sierra Nevada passt für mich geruchlich perfekt in den Stil, da sind deutliche, zitrusfruchtige Aromahopfentöne, Aprikose noch vielleicht, aber nicht übertrieben. Malz und Getreide riecht man, und einen leicht metallischen Ton dazu.
Auch das Mundgefühl, das ich suche, finde ich – die cremige Textur eines dosennachgereiften Ales („can conditioned“), leicht süßer Antrunk, der aber schnell in wuchtige Bittere übergeht, ohne zu kratzen. Aprikosen, Grapefruit, Sanddorn – gute Säure bildet sich im Verlauf aus, und darunter eine kräftige Würze, die dafür sorgt, dass das Bier auch Tiefe und Länge bekommt, 5,6% Alkoholgehalt helfen dabei unauffällig mit. Sehr rezent fühlt es sich an, und kitzelt leicht auf der Zunge dabei. Der Abgang ist lang, immer stärker bitterhopfig, mit leichter Adstringenz und Säureeffekten, aromatisch und voll bis zum letzten Tropfen.
Das ist das, was ich im Glas haben will, wenn ich Lust auf ein Pale Ale habe. Archetypisch, sauber, ohne Kinkerlitzchen und Übertreibereien. Sierra Nevada macht für mich mit ihrem Sortiment letztlich einfach einen Katalog, wie Bierstile auszusehen haben. Ja, manchmal will ich überrascht werden und Experimente sehen, dafür würde ich mich nicht an die Kalifornier wenden, aber für stabile Ausprägungen klassischer Art? Sierra Nevada ist das, was ich da empfehle.
Namensrechte sind manchmal lustig. Und verwirrend. Ich hatte ja vor Urzeiten schon über die seltsame Benamung des Rums erzählt, der weltweit unter dem Namen „Diplomático“ bekannt ist, die man in Deutschland pflegt. Etwas ähnliches ereignet sich auch für den Rum, den ich heute hier vorstelle – nur mit anderen Ländern. In einem Land, den USA, ist er unter dem Namen Probitas käuflich zu erwerben, für den Rest der Welt heißt er, wie auch in Deutschland, Veritas White Blended Rum, der Saft in der Flasche ist aber derselbe. Veritas, lateinisch für die Wahrheit, ein Rum mit höherem Anspruch also? Die amerikanische Version, Probitas, geht da sogar noch weiter, da reklamiert man für sich nicht nur die Wahrheit, sondern gar tugendhafte Redlichkeit. Das Hauptargument, mit dem man dies tut, ist in einem Nebensatz auf dem Rücketikett formuliert: „unsullied by sophisticated dosage“, also ohne den Einsatz verfälschender Süßung, eine kleine Spitze gegen die Nemesis von Richard Seale von Foursquare, Maison Ferrand, die die Süßung von Rum als eine die Produktqualität steigernde Veredlung ansehen.
Wir finden in der Flasche eine Kollaboration zweier karibischer Brennereien, organisiert vom italienischen Importeur Velier: eine Mischung aus Rums, die der Coffey Still bei Foursquare auf Barbados und der Double Retort Pot Still bei Hampden auf Jamaica entflossen sind. Neulich erst hatte ich einen Rum ähnlicher Machart besprochen, den Burke’s Seamaster, es scheint zwischen den beiden Inseln also grundsätzlich zu klappen – beide sind sehr interessiert daran, ihre Produkte über das Maß des bisherigen Schutzes des CARICOM-Verbands hinaus als geschützte geographische Angaben zu positionieren. Ich unterstütze das sehr, ich glaube, dass, wenn „Barbados Rum“ oder „Jamaica Rum“ auf einer Flasche steht, man auch sicher sein sollte, dass das ganze Produkt auf der jeweiligen Insel hergestellt wurde – und nicht ein großer Teil der Herstellungskette plötzlich in kontinentaleuropäischen Weinkellern stattfindet. Die Diskussion ist im Gange, laut und harsch, mit viel Herzblut und auch ein bisschen virtuellen Fäustkämpfen, kein Wunder, da geht es um einiges.
Helles Stroh sieht man, wenn man sich den ersten Schluck einschenkt. Auch wenn der Rum als „white“ ausgezeichnet ist, hat er doch einen Anteil eines zwei Jahre lang holzgereiften Foursquare-Rums, der diese leichte Tönung verursacht – diese Tatsache muss man aber erst recherchieren, nachdem man sich gewundert hat. Deutliche Schwere ist beim Schwenken auch ohne solche Mühe erkennbar, ebenso wie der schöne, fette Film, der sich dabei an die Glaswand legt.
Die Nase ist dagegen eher etwas dünn, leichte tropische Frucht findet man, eher überreif, das ist sicherlich auf den Hampden-Anteil zurückzuführen, dazu etwas Zuckerwatte und Melasse, aber alles auf einer eher niedrigen Amplitude. Es kommt halt darauf an, was man von einem „weißen“ Rum erwartet, hier unterscheiden sich die Stile doch deutlich, der Veritas geht jedenfalls deutlich eher in die schmale, um nicht fast zu sagen neutrale, Richtung. Vanille und Karamell findet man noch, etwas fast mentholische Frische, die von leichtem Ethanol gestützt wird. Der Rum wird auf dem Rücketikett als Cocktailzutat angepriesen, ja, jedenfalls ist er für die Schnupperer unter uns erstmal wenig spannend.
Süß und schwer legt er sich dann auf den Gaumen, mit sehr viel mehr Volumen, als man ihm von der Nase her zugetraut hätte. Reife Frucht, viel vergammelte Ananas und braune Banane, ist der Vorläufer für sehr viel Barbados-Typizität, mit Kokosnuss und weißer Schokolade. Eine dichte, runde Textur gefällt mir sehr, in diesem Aspekt überzeugt mich der Veritas voll, da ist Kraft drin, die Wärme und Würze, die sich im Verlauf aus den 47% Alkoholgehalt entwickeln, tun ihr übriges dazu. Aromatisch klingt der Rum dann aber schnell wieder ab, während die Effekte noch lange da sind, ist am Gaumen nur noch ein leichter Eisenton da, der mit einer Erinnerung an etwas frisch gepressten Zuckerrohrsaft konkurriert.
Ein sauberer Rum ohne Sperenzchen, der die Charakteristiken von Barbados und Jamaica schön integriert, ohne einer Komponente wirklich die Bühne zu überlassen – ich weiß nicht so recht, ob ich voll überzeugt bin vom Ergebnis. Nach meiner Erfahrung muss ein ungereifter Rum nicht langweilig sein, im Gegenteil, der kann richtig krachen mit superstarker Aromatik und Spannung, der Veritas ist dagegen eher einer der gemächlicheren Rums, für die, die einen klassischen Cocktailrum mit einem für den Einsatzzweck vernünftigen Maß an Charakter suchen, der in den traditionellen Rezepten super funktioniert, ohne wirklich herauszustechen.
Ich zitiere dafür beispielsweise den Tonga Punch aus der Schmiede des Tikigotts Trader Vic. Ich genieße diese klassischen Rezepturen, die wunderbar ausbalanciert sind, eben weil man keine funkigen Estermonster in ihnen einsetzt. Und, am Ende muss man das ehrlich sagen, trotz aller Fragezeichen, die sich in meinem Kopf gebildet haben, in so einem Szenario leistet der Veritas ganz hervorragende Dienste.
Tonga Punch 2 oz ungereifter Rum ½ oz Orange Curaçao 1½ oz Orangensaft ¾ oz Zitronensaft ¼ oz Limettensaft ¼ oz Grenadine Mit Eis blenden. [Rezept nach Trader Vic]
Über die Flasche gibt es nichts besonderes zu erzählen, das Etikett hält sich mit Kitsch und Fantasie extremst zurück, was ich sehr zu schätzen weiß; das Wappen mit dem Fass und den Flügeln ist eine Abwandlung des „Guardians of Rum“-Logos, einer losen und unorganisierten Gruppe von Leuten, die sich die Verteidigung des reinen Rums auf die Segel geschrieben haben; dies passt in das Weltbild des Rums, noch ein bisschen Propaganda mehr, als der Produktname sie schon liefert.
Man merkt vielleicht meiner Besprechung an, dass ich leicht zwiegespalten bin. Das liegt aber, glaube ich, hauptsächlich daran, dass der Veritas mit riesigen Vorschusslorbeeren, einem enormen Versprechen und in einer Situation, in der in der Rumwelt auch produktpolitische Agenden ausgefochten wurden, angetreten ist. Die sozialen Medien überschlugen sich, es gab plötzlich einen neuen Platzhirsch, der alle anderen Alternativen in dieser Kategorie in den Hintergrund zu drängen suchte, unterstützt natürlich durch die enorme, laute Fangemeinde, die Foursquare und Velier aufgebaut haben – und diesen Lärm kann dieser Rum nicht zu hundert Prozent bestätigen, finde ich. Man verstehe mich nicht falsch, der Veritas als Spirituose kann dafür natürlich überhaupt nichts, bleibt am Ende des Tages ein sauberer, guter und hervorragend funktionaler Cocktailrum, und dafür würde ich ihn auch ohne jeden Gewissensbiss sofort weiterempfehlen.
Die große Kiste mit belgischem Bier, die mir mein Freund Dimitri nach dem legendären Whisky-und-Zigarren-Abend bei ihm zuhause geschenkt hat, ist für mich eine wahre Fundgrube an Entdeckungen. Ich verstehe inzwischen sehr gut, warum die belgische Bierkultur als UNESCO-Weltkulturerbe anerkannt ist, da ist wirklich viel Kreativität und Energie drin. Als gute Beispiel dafür mögen diese zwei Biere dienen, die ich der Bierkiste nun entnommen habe: Brouwerij Het Nest Schuppenboer Maxima Calvados Barrel Aged und Grand Cru Brandy Barrel Aged, fassgereifte Exemplare aus Oud-Turnhout in Nordbelgien zwischen Antwerpen und dem holländischen Eindhoven. Die von Spielkarten inspirierten Etiketten und Kronkorken sind ein Markenzeichen, das hohen Wiedererkennungswert bietet – ich hoffe, die Brauer pokern hier nicht zu hoch und haben statt einem Paar Dreien eher einen Flush auf der Hand!
Erstmal harte Zahlen und Eindrücke, die man vom Etikett sammeln kann – 10% Alkoholgehalt, 45EBU, „Kräuter“ auf der Zutatenliste (insbesondere wohl Koriander), und Cascade als Aromahopfen. Dann im Glas: Blond mit leichtem Rotstich, eine leichte Naturtrübe ohne Schwebepartikel und erkennbare, aber nicht übermäßig starke Perlage zeichnen die Optik des Brouwerij Het Nest Schuppenboer Grand Cru Brandy Barrel Aged aus. Schaum bildet sich beim Eingießen, und bleibt in dünner Form und kontrastreich weiß auch lange erhalten.
Der Geruch wird von Frucht dominiert, süße Marmelade, Pfirsich, Traubenmost und Bratapfel drängen sich mir als Eindrücke auf. Da muss man nicht viel schnuppern, das ist opulent und stark im Duft, gesteuert durchaus von der Extrabeigabe von Cascade als Aromahopfen, ohne dass es dabei kratzig wird. Geschmacklich setzt sich das angenehm fort, süße Schwere startet im Antrunk und wird dabei von viel gelber Frucht unterstützt. Im Verlauf bildet sich eine angenehme Würze heraus, mit klarer Getreidenote und etwas Korianderbittere, und ein bisschen dezenter Holzigkeit, die dann das Bier auch leicht ins Trockene kippen lässt, was sich gegen Ende noch verstärkt. Ein sehr rundes Bild, mit viel angenehm zusammenspielender Aromatik, das im Abgang mit vorsichtiger, blumiger Weinbrandnote und etwas Holz endet. Das bis dahin sehr weiche Mundgefühl klingt dann trocken nach.
Ein Bier, das wirklich Spaß macht! Vielschichtig, aromatisch und richtig süffig, handwerklich gut gemacht. Die Fassreifung im Weinbrandfass ist erkennbar, aber nicht übertrieben, und die herbtrockene Charakteristik des Basisbiers passt einfach toll kontrastreich dazu.
6 Monate Calvadosfass hat das Brouwerij Het Nest Schuppenboer Maxima Calvados Barrel Aged hinter sich. 14,9% Alkoholgehalt, 50EBU, Zucker und Kräuter auf der Zutatenliste, allein diese Fakten sind schon interessant für sich! Man sieht eine leichte, aber beständige Perlage durch das naturtrübe Terracotta, das trotzdem eine gewisse Leuchtkraft hat. Schaum ist sehr dünn, zieht sich schnell nach dem Eingießen an die Glaswand zurück, und belässt nur einen feinen Flaum auf der Bieroberfläche.
Die Fruchtigkeit der Nase grüßt direkt, da ist viel roter Apfel und Aprikose präsent, mit süßer Trockenfrucht darunter, und etwas Fruchtkompott als Basis. Vanille und Zimt vielleicht, jedenfalls sehr aromatisch und angenehm zu schnuppern. Im Mund zieht zunächst etwas Säure direkt die Spucke an – bevor eine üppige, zuckrige Süße vollständig den Gaumen belegt, das ist, ehrlich gesagt, schon unangenehm süß. Fruchtkompott, stark gesüßt, Honig und Ahornsirup, auch dieser nicht kalorienarm, attackieren die Geschmacksknospen, eine zwar runde, aber auch oberflächlich pappige Weichheit dominiert als Mundgefühl, nur minimalst aufgelockert durch die Säure: ein Gefühl wie ein starksüßer Fruchtessig. Das Calvadosfass scheint meines Erachtens spät dann wirklich durch, sowohl vom Holz als auch vom Brand selbst. Der Abgang ist kurz, leicht floral, und hinterlässt Honig auf den Lippen, und einen Zuckerbelag im Mund, den man weglutschen muss.
Uiuiui, das muss man mögen – das wirkt wie ein Fruchthoniglikör mit Sprudel, nicht wie ein Bier. Mir ist das doch zu pappig, das muss man sehr kalt trinken, aber ich kann mir vorstellen, dass sowas seine Liebhaber findet, vor allem, weil der Alkohol echt gut eingebettet ist und kaum erkennbar ist trotz der hohen Stärke.
Zwei sehr unterschiedliche Biere, für mich aber mit einem klaren Fazit – das Maxima ist interessant, persönlich brauche ich es aber nicht wirklich ein zweites Mal; das Grand Cru werde ich dagegen mit Sicherheit nicht abschlagen, wenn ich es irgendwo sehe.
Kein Chartreuse mehr da. Da wollte ich neulich einen Last Word oder einen Death Flip oder sowas machen, ich weiß es nicht mehr genau, und suchte in meiner sehr unstrukturierten Heimbar (ich arbeite zuhause nach dem Chaos-Prinzip, anstatt die Flaschen nach Kategorien zu sortieren) verzweifelt nach der Flasche Chartreuse. Ne, nix zu finden. Doch! Da ist sie! Und… es ist noch ein kleines Kleckerchen Rest drin, vielleicht ne viertel Unze, für die Drinks reicht das nicht. Man hörte den Schrei der Verzweiflung bis nach Saint-Pierre-de-Chartreuse, da bin ich mir sicher, die fast leere Flasche zersprang dabei in tausend Teile, und ich vergaß den halb gemixten Drink, setzte mich ins Auto und fuhr wie der Teufel zum Supermarkt, um diese entsetzliche Lücke in meiner Seele und meiner Heimbar zu schließen.
Sowas will man nicht zweimal erleben, darum habe ich, nachdem ich mir dann den Drink doch noch zuende gemixt hatte, direkt noch zwei Varianten dieses edelsten und wohlschmeckendsten aller Kräuterliköre zugelegt, und heute bespreche ich darum den Chartreuse Liqueur d’Elixir 1605. 1605 ist laut Legende, die auf dem Rücketikett erzählt wird, das Datum, an dem aus einem uralten, kryptischen Manuskript das Geheimnis des Elixiers entschlüsselt wurde, das langes Leben verleihen soll. Entsprechend hat dieser Likör zwei Bestandteile seines Namens aus dieser Legende erhalten – die Jahreszahl, und den Zusatz „Liqueur d’Elixir“. Mich als Fan muss man nicht mit Pseudomythologie ködern, ich kauf das einfach so wegen dem Geschmack, der hohe Alkoholgehalt wird eh dafür sorgen, dass das mit dem langen Leben nichts wird. Darum probieren wir den Likör jetzt einfach mal.
Mir gefällt das Biscayagrün, das man im Glas sieht – es ist ein attraktiver Grünton, sehr pflanzlich wirkend, mit einem Touch von Gelb. Dazu kommt die schwere Viskosität, die die Flüssigkeit definiert, beim Schwenken legen sich entsprechend Filmschichten an die Glaswand, denen man wunderbar beim langsamen Aufspalten in dicke Beine zusehen kann.
Die Pflanzlichkeit ist nicht nur optisch vorhanden, der Geruch setzt dem noch eins drauf. Es ist schwer, einzelne Noten herauszumachen, die Kombination aus frischen Tönen wie Anis und Estragon, würzigem Sternanis und Nelken, etwas süßlichem Zimt und dann noch floralen Komponenten, die mich an Veilchen denken lassen, ist einfach so angenehm, dass ich mir gerne ein reines Schnupperglas eingieße. Zu tief sollte man die Nase allerdings nicht ins Glas halten, sonst findet man unter viel Wermutkraut auch etwas Ethanol (nur in Anflügen allerdings, die 56% Alkoholgehalt sind nicht wirklich erkennbar).
Ich lasse mir wirklich viel Zeit mit dem Duft, bevor ich den ersten Schluck nehme. Zunächst meint man, dass die einem Likör angemessene Süße, die den ersten Zungenkontakt bildet, auch den Rest der Verkostung dominieren wird, doch weit gefehlt – ziemlich schnell verdrängt die krautige Würze die Süße aus der Hauptrolle, das wirkt fast paradox trocken am Gaumen, dann direkt auch sehr feurig mit viel Chilihitze, die Gaumen und Zunge etwas anästhesiert. Das Kräuterbouquet des Geruchs ist gleich stark auch geschmacklich ausgeprägt, vielschichtig und ohne einzelne Spitze, höchstaromatisch und mit einem vollen Körper ausgestattet. Insgesamt geht alles im Verlauf ins Bittere über, mit einem Ticken Grapefruitzeste und Anis, die peppige Frische dazuliefern. Der Abgang ist lang, mit herber Herbalität, die verhindert, dass am Ende ein zuckriges Gefühl zurückbleibt.
Ein Kräuterlikör, der seinen Namen wahrhaft verdient! Man hat es bisher ja vielleicht schon dezent gemerkt, ich bin ein Chartreuse-Fanboy, es ist eine meiner absolut liebsten Spirituosen, und neben Campari wie gesagt das einzige Produkt, das in meiner Heimbar niemals ausgehen darf. Und ich habe für mich nun, nach der oben geschilderten kathartischen Epiphanie und der Verkostung, sogar die Entscheidung getroffen, den normalen Chartreuse Verte auf Dauer durch den Liqueur d’Elixir 1605 zu ersetzen.
Das Jade Idol, gefunden in Matt Pietreks „Minimalist Tiki“, zeigt sehr deutlich, wie wunderbar flexibel und vielseitig Chartreuse eingesetzt werden kann. Es gibt klassischen Drinks eine unübertreffbare Kräuterigkeit, und setzt sogar in vielzutatigen Tiki-Cocktails seine unverkennbare Duftmarke, ohne die anderen Zutaten unterzubuttern. Apart aber auch, wie hier grüner Minzlikör neben zusätzlicher Farbe noch diesen wunderbar frischen Nachgeschmack dazubringt.
Jade Idol 1 oz / 30ml Orangenlikör 1 oz / 30ml Chartreuse Verte ½ oz / 15ml ungereifter Overproof-Jamaica-Rum ¼ oz / 10ml Crème de Menthe grün ¾ oz / 25ml Limettensaft ¾ oz / 25ml Zitronensaft ½ oz / 15ml Honigsirup Auf Eis shaken. Mit crushed ice servieren. [Rezept nach Justin Wojslaw]
Man sieht es auf dem Vergleichsfoto – der 1605 scheint erkennbar gelber zu sein als das klassische Chartreuse, und auch dichter. Auch beim Schwenken spürt man den Unterschied, der 1605 ist hier viel schwerer und öliger. Geruchlich sind sich die beiden dann aber sehr viel näher, trotz höherem Alkoholgehalt wirkt der 1605 dabei weniger alkoholisch, schwerer und dichter. Ähnlich im Geschmack – da ist natürlich extrem viel mehr Wumms hinter dem 1605, er wirkt viel harziger, kräuteriger, aromatischer in jeder Beziehung, und das liegt, meine ich, nicht nur am Alkoholgehalt.
Schön ist natürlich auch der giftgrüne Geschenkkarton, in dem die Flasche geliefert wird. Von diesem Detail abgesehen, halten sich die Pères Chartreux mit opulentem Design eher zurück, alles ist auf die Farbkombination grün-schwarz-silber ausgelegt, und ein ins Glas eingelassenes Wappen setzt das Tüpfelchen auf. Echtkorken ist bei Likör für mich nie nötig, hier aber vorhanden; immerhin verhindert man damit, dass sich ein Schraubverschluss durch Zucker zukrustet, wie das beim klassischen Chartreuse Verte oder Jaune, wie auch bei anderen Likören, passieren kann.
Allerdings ist der Durchsatz für Chartreuse in meiner Heimbar derart hoch, dass sich dieses Problem nur höchstselten manifestieren könnte. Ich trinke das einfach gern, in Cocktails, pur oder sogar als Shot aus dem Eisfach – und das Liqueur d’Elixir 1605 ist dann noch die Extraschippe auf dem Genuss, die mir den geringen Preisaufschlag sehr versüßt.
Mein erster Kontakt mit Schanzenbräu war der Collab-Brew mit Maisel an deren erstem Heimbrauer-Wettbewerb, bei dem ich damals sogar als Bierjuror eingeladen war. Der Maisel & Schanzenbräu Gestopfte Bär ist mir bis heute extrem positiv in Erinnerung, und darum musste ich nicht lange überlegen, ob ich bei anderen Bieren des fränkischen Brauers aus Nürnberg zugreifen soll. Und so finden das Schanzenbräu Rotbier und Helles einen Weg in meinen Bierkeller, und von dort ziemlich zügig auch ins Glas. Normalerweise trinke ich von hell nach dunkel – heute mal umgekehrt, weil ich mich so auf das Rotbier freue.
Ich mag Rotbier allein schon wegen der Farbe, und das Schanzenbräu enttäuscht mich hier auch nicht: ein tolles, kräftiges, fast ins Kastanienbraun übergehendes Rostrot, herrlich opalisierend, leicht trüb da unfiltriert, mit schön kontrastreichem Schaum, der als Blume auf dem Bier liegt. Er sackt zügig in sich zusammen, bleibt als feiner Flaum aber dann lange liegen.
Bei einem klassischen Bierstil wie diesem erwarte ich keine dramatische Nase. Leicht malzig, mit Anklängen von verrosteten Stahlträgern, minimal getreidig, das war es eigentlich auch schon. Da muss man sich nichts zusammenfantasieren: klassisch und sauber.
Im Mund ist von Anfang an deutliche Süße da, die die getreidigen und malzigen Aromen trägt. Das Bier ist aromatisch sehr zurückhaltend, im Mund ähnlich, wie es die Nase schon angekündigt hat, doch es lebt von der Textur: schön cremig, dabei immer frisch und klar, eine hübsche Kombination, die mit toller Rezenz punktet, ohne das Mundgefühl zu vergessen. Extrem süffig, das trinkt sich einfach super angenehm, auch wenn man seinen Sensorikapparat für dieses Bier nicht überanstrengen muss, und mit 4,9% Alkoholgehalt ist es auch nicht zu stark. Im kurzen Abgang wird es dann deutlich malzig, schöne leichte Röstaromen kommen auf, hier kulminiert das Bier zu seinem Höhepunkt. Kein Genussbier, das man explorieren soll, sondern einfach ein Bier zum Trinken, erfrischend, sauber, unterhaltsam, das macht mir echt Spaß zwischendurch.
Auch beim Hellen von Schanzenbräu erwarte ich keine Geschmacksexplosion – ähnlich wie ein Rotbier lebt ein Helles von anderen Elementen als verrückte Hopfennoten oder extreme Effekte. Farblich ist es schonmal typisch, wie der Stilname schon andeutet, hell und leuchtend, leicht opalisierend, mit beinahe blassem Gelbgold. Der Schaum ist beim Eingießen kräftig dick, nach kurzer Stehzeit dann aber, wie schon beim Rotbier, dünn und feinblasig.
Geruchlich bleibt es ähnlich klar, deutlich herb und getreidig, praktisch ohne jede aromahopfige Komponente, ein Bitterhopfen kommt hier zum Einsatz. Würzig, feinherb, eine sehr gefällige, aber nicht uncharaktervolle Nase. Ganz vorsichtig nur malzig, trocken und sauber ist das, das schnuppert sich angenehm und klassisch.
Das ganze Schema setzt sich im Mund fort, eine leicht cremige Textur legt sich an den Gaumen, deutlich getreidige, herbwürzige Aromen mit klar bitterhopfiger Charakteristik. Gelungene Süßsauerbalance, keine der beiden Eindrücke übernimmt, beide sind aber da. Die Rezenz spürt man, doch eine gewisse Stumpfheit sorgt dafür, dass das Schanzenbräu Helle nicht spritzig oder knackig wird, es bleibt weich und rund, voll und saftig. Ein sehr kurzer Abgang schließlich, bei dem eine leichte Adstringenz Spucke aus den Backen saugt, und höchst vorsichtige Salzigkeit beenden das Bier.
Ein wunderbarer Essensbegleiter, klar, stringent, ohne Aufregung, ohne Höhepunkt oder großen Tiefgang – so wie ein Helles sein soll. Kalt getrunken ein wunderbarer Erfrischer in der Sommerhitze, einfach gut gemacht: Handwerk ohne Angeberei.
Beide Biere mag ich wegen ihrer Bodenständigkeit, ihrer herausragenden Drinkability, und ihrer Einfachheit. Endlich mal ein Bier, das man einfach so trinken kann, das trotzdem Niveau hat und bei dem man das Handwerk spürt. Deutsche, fränkische Biertradition vom Feinsten.
Ein Rum Tonic ist für mich ein besserer Drink als ein Gin Tonic. Punkt. Das habe ich schon vor mehreren Jahren entdeckt, und in einer Zeit, in der es immer beliebter wird, dass Premixes auch für den Endandwender auf dem Markt sind, freue ich mich sehr, dass mein persönlicher Geschmack nun auch in diesem neuen Sektor zufrieden gestellt wird. Mit dem Mauritius Sundowner findet sich ein fertiger Longdrink in der großen Sektflasche, bestehend zu einem guten Anteil aus Oaks & Âmes Gold Rum aus der Oxenham Distillery, verortet natürlich auf der namensgebenden Insel im indischen Ozean. Mit 10% Alkoholgehalt ist er nicht zu stark auch für allerlei Anstoßgelegenheiten im Büro oder zuhause und damit nicht nur was für Hardcore-Rumfreunde. Plopp, weg ist der Korken, und entspannt gieße ich mir ein Glas ein!
Die Trinkempfehlung ist, einfach den Aperitif über einen großen Eiswürfel zu gießen und zu servieren. Da sieht man dann auch die Cremefarbe, nur einen Ticken über kristallklar. Es zischt beim Eingießen, und es bildet sich dann auch kurz wie bei Sekt etwas Schaum, der aber direkt verschwindet. Ein Anflug von Mousseux ist sichtbar.
Für die Nase ist erstmal wirklich der Rum zu erschnuppern, darunter kommt direkt etwas Piment, Kardamom und Sternanis, Orangenzeste und leichte Limette. Die Kombination aus Gewürzen und Frucht gefällt mir sehr, auch wenn der Duft natürlich insgesamt zurückgenommen ist, macht sich die Verbindung aus Rum und Tonic Water richtig gut.
Auch im Mund setzt sich das so fort – süßliche Orange, erkennbare Rumaromen, kräuteriges Tonic, eine sehr süffige Mischung, die ein richtig angenehmes Süßsauerbitterspiel aufweist, sehr balanciert und ausgewogen zusammengestellt. Das Mundgefühl ist frisch und trocken, lässt aber noch genug Volumen zu, und wird nie astringierend. Ein überraschend langer Nachklang holt dann den Rum nochmal klar hervor, mit Rosinen, Vanille und Grapefruit.
Ein leichter Aperitif, sehr trinkig, rund und klar, frisch und aromatisch. Eine tolle Rezeptur, bei der einfach alles passt. Auch wenn gerade nicht die Jahreszeit für so einen erfrischenden Drink ist, rate ich, ein paar Flaschen davon mal als Alternative zu Sekt oder Wein für die nächste Gesellschaft zuhause vorzukühlen – die Gäste werden erfreut nachfragen, was das denn ist, was sie da im Glas haben. Und ich weiß, dass ich für die ersten schönen Tage im hoffentlich bald kommenden Frühling auch den Mauritius Sundowner im Keller liegen haben werde.
Offenlegung: Ich danke FFL -RUM Brands- für die kosten- und bedingungslose Zusendung einer Flasche des Mauritius Sundowner.