Auf den Kopf gestellt – Smokehead Tequila Cask Terminado Islay Single Malt Scotch Whisky

Vor ein paar Wochen habe ich hier über Tequila gesprochen, der ausschließlich in Ex-Scotch-Fässern gereift wurde. Eine spannende Sache, die zeigt, dass die ehemaligen, als selbstverständlich betrachteten Limitierungen bei der Herstellung von Spirituosen immer weiter aufweichen und durchlässig werden – in vielerlei Richtungen. Tequila, in Scotchfässern gereift, ist nur ein Beispiel dafür, und heute drehen wir das Ding einfach mal um – wir haben mit dem Smokehead Tequila Cask Terminado Islay Single Malt Scotch Whisky den genau umgekehrten Fall eines Scotchs, der ein Finish in Ex-Tequila-Fässern erhalten hat. Das ist dahingehend ungewöhnlich, dass die Scotch Whisky Association (SWA) erst vor kurzem überhaupt erlaubt hatte, derartige Fremdspirituosenfässer für schottischen Whisky einsetzen zu dürfen; es gab diesbezüglich eine Unklarheit in den entsprechenden Regularien, die 2019 klargestellt wurde.

Auch wenn wir die Weltregionen im Kreis austauschen und die übliche Richtung, in der das mit den Fässern läuft, sozusagen auf den (Toten-)Kopf stellen, bleibt ein Gesetz des Business erhalten: der Abfüller Ian Macleod Distillers Ltd. aus dem schottischen Broxburn, dem auch Glengoyne und Tamdhu gehört, verrät uns leider nicht, welcher Brenner auf Islay den Whisky hergestellt hat, und auch nicht, welcher Tequila vorher in den Finishing-Fässern gelagert worden war, und auch nicht, wie lange der Whisky grundsätzlich gereift ist, und auch nicht, wie lange das Finish dauerte. Für den Freund der Transparenz ist das natürlich immer etwas schwierig, vor allem, wenn so viele Fragen gleichzeitig offen bleiben. Doch das sind eben die Bedingungen, denen der Fassmarkt zwischen Brennereien unterworfen ist; und ich bin kein Hasser oder Verfechter von No-Age-Statement-Abfüllungen, darum ist das für mich wirklich keine politische Frage, mehr ein Feststellen des Bedauerns, denn diese Informationen würden noch so einiges an Gedankenmaterial und Philosophieren erlauben, für einen Blogschreiberling wie mich das Salz in der Suppe. Doch genug des Theoretisierens und Was-wäre-wenn-Geschwafels, hin zum wahren Leben: schauen wir mal, ob der Terminado (dieser Name ist natürlich angelehnt an die Kategorisierungen beim Tequila, wie dem Reposado, und gleichzeitig auf die „letzte Stufe“ des Reifungsprozesses anspielend) auch ohne Detailwissen über die Herstellung im Glas überzeugen kann!

Smokehead Tequila Cask Terminado Islay Single Malt Scotch Whisky

Zuckerkulör wird auf dem Etikett deklariert, bei Scotch ist das überhaupt nichts ungewöhnliches, im Gegenteil, eher Standard. Honigfarben ist der Terminado jedenfalls im Glas, zeigt sich durchaus ölig, sowohl beim Schwenken, als auch, wenn sich die Flüssigkeit schnell wieder legt danach. Der Film an der Glaswand, den man dadurch erzeugt, teilt sich nur widerwillig in Beinchen auf, läuft dann stufig in Beinchen mit dicken Köpfen ab.

Wie bei vielen Islay-Whiskys muss man die Nase gar nicht tief ins Glas halten, um den typischen Geruch wahrzunehmen, der springt einen regelrecht an. Klarer, unspeckiger Rauch und deftig-salziger Torf definieren das natürlich, doch schnell folgen Heideblumen mit nasser Erde daran, schließlich wird der Duft medizinisch, fleischig, und zum Schluss sogar etwas kräuterig-alpin. Das ist nicht so aggro, wie manch anderer Brand von der Insel, wirkt eher weich und rund, das Wort „mild“ will ich bei so einem Stil eigentlich nicht verwenden, doch im Vergleich innerhalb der Kategorie passt es. Reife Früchte und eine holzig-grasige Unterlage geben weiter Volumen, besonders erstere nehmen bei zunehmender Offenstehzeit dem Rauch etwas die Wildheit.

Smokehead Tequila Cask Terminado Islay Single Malt Scotch Whisky Glas

Tasting Notes werden sowohl auf dem Rücketikett als auch auf dem Karton schon angegeben, die will ich natürlich nicht wiederkäuen, auch wenn sie interessant sind, sondern meine eigenen Eindrücke schildern. Die Textur ist sehr weich und voll, der Antrunk legt sich direkt breit auf den Gaumen und die Zunge, mit einer sehr schweren Basissüße, die an Honig, Frühlingsblumennektar und Nougat erinnert, die nicht einmal durch die im Verlauf auftretende Weißpfefferwürze verdrängt wird. Der Rauch ist zunächst kaum präsent, wobei ich oft feststelle, dass Rauch und Frucht manchmal sensorisch ineinander übergehen, und fruchtig ist der Smokehead Terminado definitiv, richtig viel Aprikose, Pfirsich und Orangenzeste; ich verstehe auch, was der offizielle Verkoster mit „BBQ Pineapples“ meinte, das ist genau dieser Übergang zwischen Röstung, Kohle und reifer Tropenfrucht. Der Abgang wirkt dann leicht kaltlagerfeuerig, speckig, mildsalzig, die Süße legt sich auf die Lippen und bleibt lange erhalten. Im Nachklang meint man dann endlich, wirklich die reife Agavenfrucht feststellen zu können, die dem Tequilafass noch innewohnte – das ist aber wirklich ein kleines, feines Detail, dem man aktiv folgen muss; es hätte mich auch gewundert, wäre da arg viel mehr gewesen: Tequila hat im Vergleich zu Islay-Whisky einen höchst fragilen, feinen Geschmack, der durch den ganzen Torf nur mühsam durchkommt.

Das trinkt sich pur sehr süffig, muss ich sagen, der Terminado attackiert den Gaumen nicht ganz so, wie das manch anderer Inselgenosse tun würde, mit viel Süße und Schwere hat man was zum Lutschen, und er lässt die Zunge dann auch irgendwann wieder los. Ja, eine handvoll Jahre mehr Reifung würden ihm guttun, und vielleicht auch drei zusätzliche Prozentchen Alkohol auf die vorhandenen milden 43%, doch das sind Details; insgesamt passt das Gesamtpaket aus Islaykörper und Tequilakopfnote doch wirklich gut zusammen.


Islay-Whisky und Cocktails, das ist eine komplizierte Geschichte – die starke Aromatik übernimmt wie schon pur auch meist schnell den kompletten Geschmack in Mixturen, oft verwendet man so einen Whisky dann lieber als kleine Zutat, um Rauch in den Drink zu bringen, oder als Parfüm, mit dem man das Glas ausspült. Aber warum soll man nicht auch gleich einfach „all-in“ gehen, wenn der Geschmack eh deutlichst spürbar ist: der Smoked Maple lässt dem Terminado vollen Spielraum, während die anderen Zutaten die Fruchtigkeit nur noch unterstützen.

Smoked Maple Cocktail

Smoked Maple
2oz / 60ml Islay Whisky
¼oz / 7ml Aprikosenlikör
¼oz / 7ml  Orangensaft
1 Teelöffel Ahornsirup
Auf Eis shaken.

[Rezept nach Simon Difford]


Marketingtechnisch setzt man hier offensichtlich nicht auf den klassischen, traditionsbewussten Scotchtrinker, der am Wochenende im Kilt herumläuft, sondern auf den modernen Käufer, mit der schwarz beklebten Flasche, die dadurch komplett blickdicht wird. Mit den darauf geklebten Etiketten, entsteht damit ein fescher, frecher Stil, auch wenn ich persönlich lieber die Flüssigkeit schon sehe – und wenn es nur um den Füllstand geht, der hier geschätzt werden muss. Der leicht verwischte Totenkopf in türkis dient hier, passend zum restlichen fast schon punkigen Stil, als Markenzeichen; der Karton hat dann das Totenkopfdesign ins Mexikanische übertragen, florale Muster und die typischen Dia-de-los-Muertos-Schädel mit Blumen und Herzen sollen wahrscheinlich die Beziehung zum Tequila herstellen. Das passt genau so, wie es ist, finde ich.

Ein durchdachtes Produkt, sauber gemacht, mit einer interessanten Prämisse, ohne dabei ins Gimmickhafte abzugleiten: Mir macht der Smokehead Terminado Spaß. Für Scotchfreunde, die offen für neues sind, sicherlich empfehlenswert, und insbesondere aber auch für Tequilanerds, die mal erleben wollen, wie sich der mexikanische Brand in neue Geschäftsfelder entwickelt und auch in höchst unerwarteten Szenarien punkten kann.

Offenlegung: Ich danke Karkalis Communications für die kosten- und bedingungslose Zusendung einer Flasche dieses Whiskys.

Bier am Freitag – Sierra Nevada Pale Ale

Ich habe mal nachgeschaut – mit dem hier vorgestellten Sierra Nevada Pale Ale bespreche ich das mittlerweile 10. Bier dieser Brauerei auf meinem Blog. Damit ist die Brauerei aus dem kalifornischen Chico, gegründet schon 1980, der Spitzenreiter der Bierliste bei mir. Das liegt unter anderem daran, dass Sierra Nevada mir dabei immens geholfen hat, die „neuen alten“ Bierstile für mich zu entdecken, aber auch daran, dass hier im Saarland die Einzelhändler, die sich auf exquisite Biere eingelassen haben, diese Marke schon von Anfang an gern im Angebot hatten. Wer zuerst kommt, mahlt zuerst, auch hier.

Sierra Nevada Pale Ale

Deutliche Mikropartikel stehen in der goldbraunen Flüssigkeit, was eine gewisse Trübung erzeugt. Dazu kommen ein paar Hefeflocken, die sich am Boden des Glases absetzen. Der üppige Schaum sinkt schnell in eine feinblasige Bieroberfläche zusammen.

Ich habe inzwischen eine klare Erwartung, wenn ich mir ein Pale Ale eingieße. Ich persönlich bin dabei ein Fan des klassischen Stils, viele Experimente in Überhopfung gefallen mir nicht. Das Sierra Nevada passt für mich geruchlich perfekt in den Stil, da sind deutliche, zitrusfruchtige Aromahopfentöne, Aprikose noch vielleicht, aber nicht übertrieben. Malz und Getreide riecht man, und einen leicht metallischen Ton dazu.

Auch das Mundgefühl, das ich suche, finde ich – die cremige Textur eines dosennachgereiften Ales („can conditioned“), leicht süßer Antrunk, der aber schnell in wuchtige Bittere übergeht, ohne zu kratzen. Aprikosen, Grapefruit, Sanddorn – gute Säure bildet sich im Verlauf aus, und darunter eine kräftige Würze, die dafür sorgt, dass das Bier auch Tiefe und Länge bekommt, 5,6% Alkoholgehalt helfen dabei unauffällig mit. Sehr rezent fühlt es sich an, und kitzelt leicht auf der Zunge dabei. Der Abgang ist lang, immer stärker bitterhopfig, mit leichter Adstringenz und Säureeffekten, aromatisch und voll bis zum letzten Tropfen.

Das ist das, was ich im Glas haben will, wenn ich Lust auf ein Pale Ale habe. Archetypisch, sauber, ohne Kinkerlitzchen und Übertreibereien. Sierra Nevada macht für mich mit ihrem Sortiment letztlich einfach einen Katalog, wie Bierstile auszusehen haben. Ja, manchmal will ich überrascht werden und Experimente sehen, dafür würde ich mich nicht an die Kalifornier wenden, aber für stabile Ausprägungen klassischer Art? Sierra Nevada ist das, was ich da empfehle.

Krieg der Welten – Veritas White Blended Rum

Namensrechte sind manchmal lustig. Und verwirrend. Ich hatte ja vor Urzeiten schon über die seltsame Benamung des Rums erzählt, der weltweit unter dem Namen „Diplomático“ bekannt ist, die man in Deutschland pflegt. Etwas ähnliches ereignet sich auch für den Rum, den ich heute hier vorstelle – nur mit anderen Ländern. In einem Land, den USA, ist er unter dem Namen Probitas käuflich zu erwerben, für den Rest der Welt heißt er, wie auch in Deutschland, Veritas White Blended Rum, der Saft in der Flasche ist aber derselbe. Veritas, lateinisch für die Wahrheit, ein Rum mit höherem Anspruch also? Die amerikanische Version, Probitas, geht da sogar noch weiter, da reklamiert man für sich nicht nur die Wahrheit, sondern gar tugendhafte Redlichkeit. Das Hauptargument, mit dem man dies tut, ist in einem Nebensatz auf dem Rücketikett formuliert: „unsullied by sophisticated dosage“, also ohne den Einsatz verfälschender Süßung, eine kleine Spitze gegen die Nemesis von Richard Seale von Foursquare, Maison Ferrand, die die Süßung von Rum als eine die Produktqualität steigernde Veredlung ansehen.

Wir finden in der Flasche eine Kollaboration zweier karibischer Brennereien, organisiert vom italienischen Importeur Velier: eine Mischung aus Rums, die der Coffey Still bei Foursquare auf Barbados und der Double Retort Pot Still bei Hampden auf Jamaica entflossen sind. Neulich erst hatte ich einen Rum ähnlicher Machart besprochen, den Burke’s Seamaster, es scheint zwischen den beiden Inseln also grundsätzlich zu klappen – beide sind sehr interessiert daran, ihre Produkte über das Maß des bisherigen Schutzes des CARICOM-Verbands hinaus als geschützte geographische Angaben zu positionieren. Ich unterstütze das sehr, ich glaube, dass, wenn „Barbados Rum“ oder „Jamaica Rum“ auf einer Flasche steht, man auch sicher sein sollte, dass das ganze Produkt auf der jeweiligen Insel hergestellt wurde – und nicht ein großer Teil der Herstellungskette plötzlich in kontinentaleuropäischen Weinkellern stattfindet. Die Diskussion ist im Gange, laut und harsch, mit viel Herzblut und auch ein bisschen virtuellen Fäustkämpfen, kein Wunder, da geht es um einiges.

Veritas White Blended Rum

Helles Stroh sieht man, wenn man sich den ersten Schluck einschenkt. Auch wenn der Rum als „white“ ausgezeichnet ist, hat er doch einen Anteil eines zwei Jahre lang holzgereiften Foursquare-Rums, der diese leichte Tönung verursacht – diese Tatsache muss man aber erst recherchieren, nachdem man sich gewundert hat. Deutliche Schwere ist beim Schwenken auch ohne solche Mühe erkennbar, ebenso wie der schöne, fette Film, der sich dabei an die Glaswand legt.

Die Nase ist dagegen eher etwas dünn, leichte tropische Frucht findet man, eher überreif, das ist sicherlich auf den Hampden-Anteil zurückzuführen, dazu etwas Zuckerwatte und Melasse, aber alles auf einer eher niedrigen Amplitude. Es kommt halt darauf an, was man von einem „weißen“ Rum erwartet, hier unterscheiden sich die Stile doch deutlich, der Veritas geht jedenfalls deutlich eher in die schmale, um nicht fast zu sagen neutrale, Richtung. Vanille und Karamell findet man noch, etwas fast mentholische Frische, die von leichtem Ethanol gestützt wird. Der Rum wird auf dem Rücketikett als Cocktailzutat angepriesen, ja, jedenfalls ist er für die Schnupperer unter uns erstmal wenig spannend.

Veritas White Blended Rum Glas

Süß und schwer legt er sich dann auf den Gaumen, mit sehr viel mehr Volumen, als man ihm von der Nase her zugetraut hätte. Reife Frucht, viel vergammelte Ananas und braune Banane, ist der Vorläufer für sehr viel Barbados-Typizität, mit Kokosnuss und weißer Schokolade. Eine dichte, runde Textur gefällt mir sehr, in diesem Aspekt überzeugt mich der Veritas voll, da ist Kraft drin, die Wärme und Würze, die sich im Verlauf aus den 47% Alkoholgehalt entwickeln, tun ihr übriges dazu. Aromatisch klingt der Rum dann aber schnell wieder ab, während die Effekte noch lange da sind, ist am Gaumen nur noch ein leichter Eisenton da, der mit einer Erinnerung an etwas frisch gepressten Zuckerrohrsaft konkurriert.

Ein sauberer Rum ohne Sperenzchen, der die Charakteristiken von Barbados und Jamaica schön integriert, ohne einer Komponente wirklich die Bühne zu überlassen – ich weiß nicht so recht, ob ich voll überzeugt bin vom Ergebnis. Nach meiner Erfahrung muss ein ungereifter Rum nicht langweilig sein, im Gegenteil, der kann richtig krachen mit superstarker Aromatik und Spannung, der Veritas ist dagegen eher einer der gemächlicheren Rums, für die, die einen klassischen Cocktailrum mit einem für den Einsatzzweck vernünftigen Maß an Charakter suchen, der in den traditionellen Rezepten super funktioniert, ohne wirklich herauszustechen.


Ich zitiere dafür beispielsweise den Tonga Punch aus der Schmiede des Tikigotts Trader Vic. Ich genieße diese klassischen Rezepturen, die wunderbar ausbalanciert sind, eben weil man keine funkigen Estermonster in ihnen einsetzt. Und, am Ende muss man das ehrlich sagen, trotz aller Fragezeichen, die sich in meinem Kopf gebildet haben, in so einem Szenario leistet der Veritas ganz hervorragende Dienste.

Tonga Punch Cocktail

Tonga Punch
2 oz ungereifter Rum
½ oz Orange Curaçao
1½ oz Orangensaft
¾ oz Zitronensaft
¼ oz Limettensaft
¼ oz Grenadine
Mit Eis blenden.

[Rezept nach Trader Vic]


Über die Flasche gibt es nichts besonderes zu erzählen, das Etikett hält sich mit Kitsch und Fantasie extremst zurück, was ich sehr zu schätzen weiß; das Wappen mit dem Fass und den Flügeln ist eine Abwandlung des „Guardians of Rum“-Logos, einer losen und unorganisierten Gruppe von Leuten, die sich die Verteidigung des reinen Rums auf die Segel geschrieben haben; dies passt in das Weltbild des Rums, noch ein bisschen Propaganda mehr, als der Produktname sie schon liefert.

Man merkt vielleicht meiner Besprechung an, dass ich leicht zwiegespalten bin. Das liegt aber, glaube ich, hauptsächlich daran, dass der Veritas mit riesigen Vorschusslorbeeren, einem enormen Versprechen und in einer Situation, in der in der Rumwelt auch produktpolitische Agenden ausgefochten wurden, angetreten ist. Die sozialen Medien überschlugen sich, es gab plötzlich einen neuen Platzhirsch, der alle anderen Alternativen in dieser Kategorie in den Hintergrund zu drängen suchte, unterstützt natürlich durch die enorme, laute Fangemeinde, die Foursquare und Velier aufgebaut haben – und diesen Lärm kann dieser Rum nicht zu hundert Prozent bestätigen, finde ich. Man verstehe mich nicht falsch, der Veritas als Spirituose kann dafür natürlich überhaupt nichts, bleibt am Ende des Tages ein sauberer, guter und hervorragend funktionaler Cocktailrum, und dafür würde ich ihn auch ohne jeden Gewissensbiss sofort weiterempfehlen.

Bier am Freitag – Brouwerij Het Nest Schuppenboer Maxima Calvados Barrel Aged und Grand Cru Brandy Barrel Aged

Die große Kiste mit belgischem Bier, die mir mein Freund Dimitri nach dem legendären Whisky-und-Zigarren-Abend bei ihm zuhause geschenkt hat, ist für mich eine wahre Fundgrube an Entdeckungen. Ich verstehe inzwischen sehr gut, warum die belgische Bierkultur als UNESCO-Weltkulturerbe anerkannt ist, da ist wirklich viel Kreativität und Energie drin. Als gute Beispiel dafür mögen diese zwei Biere dienen, die ich der Bierkiste nun entnommen habe: Brouwerij Het Nest Schuppenboer Maxima Calvados Barrel Aged und Grand Cru Brandy Barrel Aged, fassgereifte Exemplare aus Oud-Turnhout in Nordbelgien zwischen Antwerpen und dem holländischen Eindhoven. Die von Spielkarten inspirierten Etiketten und Kronkorken sind ein Markenzeichen, das hohen Wiedererkennungswert bietet – ich hoffe, die Brauer pokern hier nicht zu hoch und haben statt einem Paar Dreien eher einen Flush auf der Hand!

Brouwerij Het Nest Schuppenboer Maxima Calvados Barrel Aged und Grand Cru Brandy Barrel Aged

Erstmal harte Zahlen und Eindrücke, die man vom Etikett sammeln kann – 10% Alkoholgehalt, 45EBU, „Kräuter“ auf der Zutatenliste (insbesondere wohl Koriander), und Cascade als Aromahopfen. Dann im Glas: Blond mit leichtem Rotstich, eine leichte Naturtrübe ohne Schwebepartikel und erkennbare, aber nicht übermäßig starke Perlage zeichnen die Optik des Brouwerij Het Nest Schuppenboer Grand Cru Brandy Barrel Aged aus. Schaum bildet sich beim Eingießen, und bleibt in dünner Form und kontrastreich weiß auch lange erhalten.

Brouwerij Het Nest Schuppenboer Grand Cru Brandy Barrel Aged

Der Geruch wird von Frucht dominiert, süße Marmelade, Pfirsich, Traubenmost und Bratapfel drängen sich mir als Eindrücke auf. Da muss man nicht viel schnuppern, das ist opulent und stark im Duft, gesteuert durchaus von der Extrabeigabe von Cascade als Aromahopfen, ohne dass es dabei kratzig wird. Geschmacklich setzt sich das angenehm fort, süße Schwere startet im Antrunk und wird dabei von viel gelber Frucht unterstützt. Im Verlauf bildet sich eine angenehme Würze heraus, mit klarer Getreidenote und etwas Korianderbittere, und ein bisschen dezenter Holzigkeit, die dann das Bier auch leicht ins Trockene kippen lässt, was sich gegen Ende noch verstärkt. Ein sehr rundes Bild, mit viel angenehm zusammenspielender Aromatik, das im Abgang mit vorsichtiger, blumiger Weinbrandnote und etwas Holz endet. Das bis dahin sehr weiche Mundgefühl klingt dann trocken nach.

Ein Bier, das wirklich Spaß macht! Vielschichtig, aromatisch und richtig süffig, handwerklich gut gemacht. Die Fassreifung im Weinbrandfass ist erkennbar, aber nicht übertrieben, und die herbtrockene Charakteristik des Basisbiers passt einfach toll kontrastreich dazu.


6 Monate Calvadosfass hat das Brouwerij Het Nest Schuppenboer Maxima Calvados Barrel Aged hinter sich. 14,9% Alkoholgehalt, 50EBU, Zucker und Kräuter auf der Zutatenliste, allein diese Fakten sind schon interessant für sich! Man sieht eine leichte, aber beständige Perlage durch das naturtrübe Terracotta, das trotzdem eine gewisse Leuchtkraft hat. Schaum ist sehr dünn, zieht sich schnell nach dem Eingießen an die Glaswand zurück, und belässt nur einen feinen Flaum auf der Bieroberfläche.

Brouwerij Het Nest Schuppenboer Maxima Calvados Barrel Aged

Die Fruchtigkeit der Nase grüßt direkt, da ist viel roter Apfel und Aprikose präsent, mit süßer Trockenfrucht darunter, und etwas Fruchtkompott als Basis. Vanille und Zimt vielleicht, jedenfalls sehr aromatisch und angenehm zu schnuppern. Im Mund zieht zunächst etwas Säure direkt die Spucke an – bevor eine üppige, zuckrige Süße vollständig den Gaumen belegt, das ist, ehrlich gesagt, schon unangenehm süß. Fruchtkompott, stark gesüßt, Honig und Ahornsirup, auch dieser nicht kalorienarm, attackieren die Geschmacksknospen, eine zwar runde, aber auch oberflächlich pappige Weichheit dominiert als Mundgefühl, nur minimalst aufgelockert durch die Säure: ein Gefühl wie ein starksüßer Fruchtessig. Das Calvadosfass scheint meines Erachtens spät dann wirklich durch, sowohl vom Holz als auch vom Brand selbst. Der Abgang ist kurz, leicht floral, und hinterlässt Honig auf den Lippen, und einen Zuckerbelag im Mund, den man weglutschen muss.

Uiuiui, das muss man mögen – das wirkt wie ein Fruchthoniglikör mit Sprudel, nicht wie ein Bier. Mir ist das doch zu pappig, das muss man sehr kalt trinken, aber ich kann mir vorstellen, dass sowas seine Liebhaber findet, vor allem, weil der Alkohol echt gut eingebettet ist und kaum erkennbar ist trotz der hohen Stärke.


Zwei sehr unterschiedliche Biere, für mich aber mit einem klaren Fazit – das Maxima ist interessant, persönlich brauche ich es aber nicht wirklich ein zweites Mal; das Grand Cru werde ich dagegen mit Sicherheit nicht abschlagen, wenn ich es irgendwo sehe.

Zu Tode betrübt und himmelhoch jauchzend – Chartreuse Liqueur d’Elixir 1605

Kein Chartreuse mehr da. Da wollte ich neulich einen Last Word oder einen Death Flip oder sowas machen, ich weiß es nicht mehr genau, und suchte in meiner sehr unstrukturierten Heimbar (ich arbeite zuhause nach dem Chaos-Prinzip, anstatt die Flaschen nach Kategorien zu sortieren) verzweifelt nach der Flasche Chartreuse. Ne, nix zu finden. Doch! Da ist sie! Und… es ist noch ein kleines Kleckerchen Rest drin, vielleicht ne viertel Unze, für die Drinks reicht das nicht. Man hörte den Schrei der Verzweiflung bis nach Saint-Pierre-de-Chartreuse, da bin ich mir sicher, die fast leere Flasche zersprang dabei in tausend Teile, und ich vergaß den halb gemixten Drink, setzte mich ins Auto und fuhr wie der Teufel zum Supermarkt, um diese entsetzliche Lücke in meiner Seele und meiner Heimbar zu schließen.

Sowas will man nicht zweimal erleben, darum habe ich, nachdem ich mir dann den Drink doch noch zuende gemixt hatte, direkt noch zwei Varianten dieses edelsten und wohlschmeckendsten aller Kräuterliköre zugelegt, und heute bespreche ich darum den Chartreuse Liqueur d’Elixir 1605. 1605 ist laut Legende, die auf dem Rücketikett erzählt wird, das Datum, an dem aus einem uralten, kryptischen Manuskript das Geheimnis des Elixiers entschlüsselt wurde, das langes Leben verleihen soll. Entsprechend hat dieser Likör zwei Bestandteile seines Namens aus dieser Legende erhalten – die Jahreszahl, und den Zusatz „Liqueur d’Elixir“. Mich als Fan muss man nicht mit Pseudomythologie ködern, ich kauf das einfach so wegen dem Geschmack, der hohe Alkoholgehalt wird eh dafür sorgen, dass das mit dem langen Leben nichts wird. Darum probieren wir den Likör jetzt einfach mal.

Chartreuse Liqueur d’Elixir 1605

Mir gefällt das Biscayagrün, das man im Glas sieht – es ist ein attraktiver Grünton, sehr pflanzlich wirkend, mit einem Touch von Gelb. Dazu kommt die schwere Viskosität, die die Flüssigkeit definiert, beim Schwenken legen sich entsprechend Filmschichten an die Glaswand, denen man wunderbar beim langsamen Aufspalten in dicke Beine zusehen kann.

Die Pflanzlichkeit ist nicht nur optisch vorhanden, der Geruch setzt dem noch eins drauf. Es ist schwer, einzelne Noten herauszumachen, die Kombination aus frischen Tönen wie Anis und Estragon, würzigem Sternanis und Nelken, etwas süßlichem Zimt und dann noch floralen Komponenten, die mich an Veilchen denken lassen, ist einfach so angenehm, dass ich mir gerne ein reines Schnupperglas eingieße. Zu tief sollte man die Nase allerdings nicht ins Glas halten, sonst findet man unter viel Wermutkraut auch etwas Ethanol (nur in Anflügen allerdings, die 56% Alkoholgehalt sind nicht wirklich erkennbar).

Chartreuse Liqueur d’Elixir 1605 Glas

Ich lasse mir wirklich viel Zeit mit dem Duft, bevor ich den ersten Schluck nehme. Zunächst meint man, dass die einem Likör angemessene Süße, die den ersten Zungenkontakt bildet, auch den Rest der Verkostung dominieren wird, doch weit gefehlt – ziemlich schnell verdrängt die krautige Würze die Süße aus der Hauptrolle, das wirkt fast paradox trocken am Gaumen, dann direkt auch sehr feurig mit viel Chilihitze, die Gaumen und Zunge etwas anästhesiert. Das Kräuterbouquet des Geruchs ist gleich stark auch geschmacklich ausgeprägt, vielschichtig und ohne einzelne Spitze, höchstaromatisch und mit einem vollen Körper ausgestattet. Insgesamt geht alles im Verlauf ins Bittere über, mit einem Ticken Grapefruitzeste und Anis, die peppige Frische dazuliefern. Der Abgang ist lang, mit herber Herbalität, die verhindert, dass am Ende ein zuckriges Gefühl zurückbleibt.

Ein Kräuterlikör, der seinen Namen wahrhaft verdient! Man hat es bisher ja vielleicht schon dezent gemerkt, ich bin ein Chartreuse-Fanboy, es ist eine meiner absolut liebsten Spirituosen, und neben Campari wie gesagt das einzige Produkt, das in meiner Heimbar niemals ausgehen darf. Und ich habe für mich nun, nach der oben geschilderten kathartischen Epiphanie und der Verkostung, sogar die Entscheidung getroffen, den normalen Chartreuse Verte auf Dauer durch den Liqueur d’Elixir 1605 zu ersetzen.


Das Jade Idol, gefunden in Matt Pietreks „Minimalist Tiki“, zeigt sehr deutlich, wie wunderbar flexibel und vielseitig Chartreuse eingesetzt werden kann. Es gibt klassischen Drinks eine unübertreffbare Kräuterigkeit, und setzt sogar in vielzutatigen Tiki-Cocktails seine unverkennbare Duftmarke, ohne die anderen Zutaten unterzubuttern. Apart aber auch, wie hier grüner Minzlikör neben zusätzlicher Farbe noch diesen wunderbar frischen Nachgeschmack dazubringt.

Jade Idol Cocktail

Jade Idol
1 oz / 30ml Orangenlikör
1 oz / 30ml Chartreuse Verte
½ oz / 15ml ungereifter Overproof-Jamaica-Rum
¼ oz / 10ml Crème de Menthe grün
¾ oz / 25ml Limettensaft
¾ oz / 25ml Zitronensaft
½ oz / 15ml Honigsirup
Auf Eis shaken. Mit crushed ice servieren.
[Rezept nach Justin Wojslaw]


Man sieht es auf dem Vergleichsfoto – der 1605 scheint erkennbar gelber zu sein als das klassische Chartreuse, und auch dichter. Auch beim Schwenken spürt man den Unterschied, der 1605 ist hier viel schwerer und öliger. Geruchlich sind sich die beiden dann aber sehr viel näher, trotz höherem Alkoholgehalt wirkt der 1605 dabei weniger alkoholisch, schwerer und dichter. Ähnlich im Geschmack – da ist natürlich extrem viel mehr Wumms hinter dem 1605, er wirkt viel harziger, kräuteriger, aromatischer in jeder Beziehung, und das liegt, meine ich, nicht nur am Alkoholgehalt.

Chartreuse Liqueur d’Elixir 1605 Vergleich zu Chartreuse

Schön ist natürlich auch der giftgrüne Geschenkkarton, in dem die Flasche geliefert wird. Von diesem Detail abgesehen, halten sich die Pères Chartreux mit opulentem Design eher zurück, alles ist auf die Farbkombination grün-schwarz-silber ausgelegt, und ein ins Glas eingelassenes Wappen setzt das Tüpfelchen auf. Echtkorken ist bei Likör für mich nie nötig, hier aber vorhanden; immerhin verhindert man damit, dass sich ein Schraubverschluss durch Zucker zukrustet, wie das beim klassischen Chartreuse Verte oder Jaune, wie auch bei anderen Likören, passieren kann.

Allerdings ist der Durchsatz für Chartreuse in meiner Heimbar derart hoch, dass sich dieses Problem nur höchstselten manifestieren könnte. Ich trinke das einfach gern, in Cocktails, pur oder sogar als Shot aus dem Eisfach – und das Liqueur d’Elixir 1605 ist dann noch die Extraschippe auf dem Genuss, die mir den geringen Preisaufschlag sehr versüßt.

Bier am Freitag – Schanzenbräu Rotbier und Helles

Mein erster Kontakt mit Schanzenbräu war der Collab-Brew mit Maisel an deren erstem Heimbrauer-Wettbewerb, bei dem ich damals sogar als Bierjuror eingeladen war. Der Maisel & Schanzenbräu Gestopfte Bär ist mir bis heute extrem positiv in Erinnerung, und darum musste ich nicht lange überlegen, ob ich bei anderen Bieren des fränkischen Brauers aus Nürnberg zugreifen soll. Und so finden das Schanzenbräu Rotbier und Helles einen Weg in meinen Bierkeller, und von dort ziemlich zügig auch ins Glas. Normalerweise trinke ich von hell nach dunkel – heute mal umgekehrt, weil ich mich so auf das Rotbier freue.

Schanzenbräu Rotbier und Helles

Ich mag Rotbier allein schon wegen der Farbe, und das Schanzenbräu enttäuscht mich hier auch nicht: ein tolles, kräftiges, fast ins Kastanienbraun übergehendes Rostrot, herrlich opalisierend, leicht trüb da unfiltriert, mit schön kontrastreichem Schaum, der als Blume auf dem Bier liegt. Er sackt zügig in sich zusammen, bleibt als feiner Flaum aber dann lange liegen.

Bei einem klassischen Bierstil wie diesem erwarte ich keine dramatische Nase. Leicht malzig, mit Anklängen von verrosteten Stahlträgern, minimal getreidig, das war es eigentlich auch schon. Da muss man sich nichts zusammenfantasieren: klassisch und sauber.

Schanzenbräu Rotbier

Im Mund ist von Anfang an deutliche Süße da, die die getreidigen und malzigen Aromen trägt. Das Bier ist aromatisch sehr zurückhaltend, im Mund ähnlich, wie es die Nase schon angekündigt hat, doch es lebt von der Textur: schön cremig, dabei immer frisch und klar, eine hübsche Kombination, die mit toller Rezenz punktet, ohne das Mundgefühl zu vergessen. Extrem süffig, das trinkt sich einfach super angenehm, auch wenn man seinen Sensorikapparat für dieses Bier nicht überanstrengen muss, und mit 4,9% Alkoholgehalt ist es auch nicht zu stark. Im kurzen Abgang wird es dann deutlich malzig, schöne leichte Röstaromen kommen auf, hier kulminiert das Bier zu seinem Höhepunkt. Kein Genussbier, das man explorieren soll, sondern einfach ein Bier zum Trinken, erfrischend, sauber, unterhaltsam, das macht mir echt Spaß zwischendurch.


Auch beim Hellen von Schanzenbräu erwarte ich keine Geschmacksexplosion – ähnlich wie ein Rotbier lebt ein Helles von anderen Elementen als verrückte Hopfennoten oder extreme Effekte. Farblich ist es schonmal typisch, wie der Stilname schon andeutet, hell und leuchtend, leicht opalisierend, mit beinahe blassem Gelbgold. Der Schaum ist beim Eingießen kräftig dick, nach kurzer Stehzeit dann aber, wie schon beim Rotbier, dünn und feinblasig.

Geruchlich bleibt es ähnlich klar, deutlich herb und getreidig, praktisch ohne jede aromahopfige Komponente, ein Bitterhopfen kommt hier zum Einsatz. Würzig, feinherb, eine sehr gefällige, aber nicht uncharaktervolle Nase. Ganz vorsichtig nur malzig, trocken und sauber ist das, das schnuppert sich angenehm und klassisch.

Schanzenbräu Helles

Das ganze Schema setzt sich im Mund fort, eine leicht cremige Textur legt sich an den Gaumen, deutlich getreidige, herbwürzige Aromen mit klar bitterhopfiger Charakteristik. Gelungene Süßsauerbalance, keine der beiden Eindrücke übernimmt, beide sind aber da. Die Rezenz spürt man, doch eine gewisse Stumpfheit sorgt dafür, dass das Schanzenbräu Helle nicht spritzig oder knackig wird, es bleibt weich und rund, voll und saftig. Ein sehr kurzer Abgang schließlich, bei dem eine leichte Adstringenz Spucke aus den Backen saugt, und höchst vorsichtige Salzigkeit beenden das Bier.

Ein wunderbarer Essensbegleiter, klar, stringent, ohne Aufregung, ohne Höhepunkt oder großen Tiefgang – so wie ein Helles sein soll. Kalt getrunken ein wunderbarer Erfrischer in der Sommerhitze, einfach gut gemacht: Handwerk ohne Angeberei.


Beide Biere mag ich wegen ihrer Bodenständigkeit, ihrer herausragenden Drinkability, und ihrer Einfachheit. Endlich mal ein Bier, das man einfach so trinken kann, das trotzdem Niveau hat und bei dem man das Handwerk spürt. Deutsche, fränkische Biertradition vom Feinsten.

Stößchen! Mauritius Sundowner Aperitif

Ein Rum Tonic ist für mich ein besserer Drink als ein Gin Tonic. Punkt. Das habe ich schon vor mehreren Jahren entdeckt, und in einer Zeit, in der es immer beliebter wird, dass Premixes auch für den Endandwender auf dem Markt sind, freue ich mich sehr, dass mein persönlicher Geschmack nun auch in diesem neuen Sektor zufrieden gestellt wird. Mit dem Mauritius Sundowner findet sich ein fertiger Longdrink in der großen Sektflasche, bestehend zu einem guten Anteil aus Oaks & Âmes Gold Rum aus der Oxenham Distillery, verortet natürlich auf der namensgebenden Insel im indischen Ozean. Mit 10% Alkoholgehalt ist er nicht zu stark auch für allerlei Anstoßgelegenheiten im Büro oder zuhause und damit nicht nur was für Hardcore-Rumfreunde. Plopp, weg ist der Korken, und entspannt gieße ich mir ein Glas ein!

Mauritius Sundowner Aperitif

Die Trinkempfehlung ist, einfach den Aperitif über einen großen Eiswürfel zu gießen und zu servieren. Da sieht man dann auch die Cremefarbe, nur einen Ticken über kristallklar. Es zischt beim Eingießen, und es bildet sich dann auch kurz wie bei Sekt etwas Schaum, der aber direkt verschwindet. Ein Anflug von Mousseux ist sichtbar.

Für die Nase ist erstmal wirklich der Rum zu erschnuppern, darunter kommt direkt etwas Piment, Kardamom und Sternanis, Orangenzeste und leichte Limette. Die Kombination aus Gewürzen und Frucht gefällt mir sehr, auch wenn der Duft natürlich insgesamt zurückgenommen ist, macht sich die Verbindung aus Rum und Tonic Water richtig gut.

Mauritius Sundowner Aperitif Glas

Auch im Mund setzt sich das so fort – süßliche Orange, erkennbare Rumaromen, kräuteriges Tonic, eine sehr süffige Mischung, die ein richtig angenehmes Süßsauerbitterspiel aufweist, sehr balanciert und ausgewogen zusammengestellt. Das Mundgefühl ist frisch und trocken, lässt aber noch genug Volumen zu, und wird nie astringierend. Ein überraschend langer Nachklang holt dann den Rum nochmal klar hervor, mit Rosinen, Vanille und Grapefruit.

Ein leichter Aperitif, sehr trinkig, rund und klar, frisch und aromatisch. Eine tolle Rezeptur, bei der einfach alles passt. Auch wenn gerade nicht die Jahreszeit für so einen erfrischenden Drink ist, rate ich, ein paar Flaschen davon mal als Alternative zu Sekt oder Wein für die nächste Gesellschaft zuhause vorzukühlen – die Gäste werden erfreut nachfragen, was das denn ist, was sie da im Glas haben. Und ich weiß, dass ich für die ersten schönen Tage im hoffentlich bald kommenden Frühling auch den Mauritius Sundowner im Keller liegen haben werde.

Offenlegung: Ich danke FFL -RUM Brands- für die kosten- und bedingungslose Zusendung einer Flasche des Mauritius Sundowner.

Bier am Freitag – Val-Dieu Bière d’Abbaye Triple

Kurz vor Weihnachten war ich bei meinem Freund Dimitri in Belgien eingeladen. Wir kennen uns seit 6 Jahren, sehen uns jedes Jahr als Juroren bei Spirits Selection by Concours Mondial de Bruxelles, haben es aber nie geschafft, das schon seit langem gewünschte private Treffen außerhalb des Wettbewerbs auch mal durchzuführen – bis eben diesmal, und es war ein langer, toller Abend mit vielen Spirituosen, Zigarren, Gesprächen und Bier. Von diesem Tag in Belgien brachte ich ein großzügiges Geschenk von Dimitri mit: eine ganze Kiste voll mit belgischen Bieren, rund 30 Flaschen unterschiedlicher Marken. Stück für Stück trinke ich die nun gemütlich weg. Ich fange an mit dem Val-Dieu Bière d’Abbaye Triple. Das Bier ist ein echtes Abteibier, das in der Brasserie de l’abbaye du Val-Dieu in Aubel also tatsächlich noch in der Zisterzienserabtei gebraut wird, mit Flaschengärung und 9% Alkoholgehalt.

Val-Dieu Bière d'Abbaye Triple

Deutlich trüb, mit klar erkennbaren Hefepartikeln, die im Bier schweben. Safrangelb, mit feinem Schaum, der als dünne Schicht lange erhalten bleibt, und mit kleinen Blaseninseln gefällt. Perlage ist nur in einzelnen Bläschen sichtbar. Die Nase ist sehr malzig und getreidig, mit einem leichten Eisenton, und nur Anflügen von Hopfenfrucht. Pfirsich vielleicht, aber wie gesagt, nur höchst dezent, das Getreide dominiert klar.

Im Mund wirkt es viel süßer, als man das vermutet hätte, mit einem sehr cremigen, superfluffigen Mundgefühl. Hier ist dann auch viel deutlicher Frucht vorhanden, Pfirsich, ja, und getrocknete Aprikosen, und auch etwas Backgewürz. Das wirkt im Vergleich zur Nase sehr aromatisch und voll, wartet dabei gleichzeitig mit knackiger Säure auf, die die Süße im Verlauf dann etwas kontert und für angenehme Rezenz sorgt. Im Nachhall wechselt es zu leicht blumigen Noten, mit Jasmin und Veilchen, während ein kühles, frisches Gefühl lange am Gaumen bleibt und deftige Bittere am Ende übernimmt.

Ein wohlgestaltetes Bier, mit vollem Körper und gleichzeitig Eleganz, schöner Frische und wunderbarer Aromatik. Großartig gemacht, komplex und vielschichtig, erneut ein Beispiel dafür, warum ich belgische Biere so liebe.

Nationalrecycling – Trois Rivières Ambré Finish Whisky Fûts Single Malt

Etwas, was viele gar nicht auf dem Schirm haben: Frankreich ist heutzutage ein großer Produzent von Whisky. Man verbindet Frankreich eher mit Cognac und Champagner, doch die Franzosen selbst trinken einfach gern Whisky; und mit ihrem Selbstverständnis bezüglich Qualität und Nationalstolz ist es eigentlich kein Wunder, dass sie den Stoff dann selbst herstellen wollen, statt ihn von woanders zu importieren. Zumindest zusätzlich. Ein Beispiel für einen französischen Whiskybrenner ist die Familienbrennerei Grallet-Dupic im Örtchen Rozelieures bei Nancy, die den Ortsnamen als Markennamen für sich nutzen. Und wie es dann so ist, geht von hier eine Kette innerhalb der Spirituosenwelt los – die Fässer, die in Rozelieures zur Reifung des französischen Single Malts genutzt wurden, werden dann irgendwann abgegeben und für andere Zwecke benutzt. Zum Beispiel, um Rum den letzten aromatischen Twist zu geben in einem Fassfinish.

Hier kommt dann die karibische Insel Martinique ins Spiel, wo der Brenner Trois Rivières sich diese Fässer von seinen lothringischen Landsleuten gesichert hat, und darin seinen Trois Rivières Ambré Finish Whisky Fûts Single Malt nachreift. Der Rum wird nach dem Destillieren in typischer AOC-Art 12 bis 18 Monate in Großfässern aus Eiche („foudres“) gereift, und bekommt dann das angesprochene Finish für 6 Monate in den viel kleineren Rozelieures-Fässern („fûts“). Er wird noch auf gemütliche 40% Alkoholgehalt herabgesetzt, und landet als „Rhum Ambré“, wie man diese nur leicht gereiften Rums im frankophonen Umfeld nennt, bei uns in der Heimbar!

Trois Rivières Ambré Finish Whisky Fûts Single Malt

Ein recht junger Rum wie dieser hat durch den zweifachen Holzkontakt trotzdem schön Farbe angenommen, ich würde das helles, blasses Gelbgold beschreiben, mit einem Anflug von Trübung, aber ohne Partikel. Lebendigkeit zeigt sich beim Schwenken, nur minimale Öligkeit, klar separierte Beinchen laufen schnell ab.

Im Geruch beherrscht die Agricole-Typizität erstmal alles – und zwar die noch junge, fruchtige Variante. Guave, Aprikose, Ananas, und ganz viel frisch gepresster Zuckerrohrsaft, mit einer leicht karamelligen Beinote. Der Rum wirkt dabei leicht und luftig, vielleicht sogar etwas dünn, wenn man nach etwas hinter diesem Fruchtvordergrund sucht. Weder die Normalreifung noch das Whiskyfassfinish ist wirklich dramatisch erkennbar, leichte Vanillenoten sind eigentlich alles, was darauf hindeuten könnte. Eine milde Floralität klingt in der Kopfnote noch nach.

Trois Rivières Ambré Finish Whisky Fûts Single Malt Glas

Der Antrunk ist sehr weich, süßlich, und wirkt etwas schmal. Initial ist außer der Frucht und der Zuckerrohraromatik kaum etwas da, und sogar diese ist deutlich dünner als in der Nase. Das Mundgefühl ist zunächst zart, eher schon wässrig, nimmt im Verlauf etwas Feurigkeit auf, die unrund und etwas eckig wirkt. Leichte Säure baut sich auf, und unterstützt die undefinierte Würze, während sich gleichzeitig eine unsaubere Trockenheit in Stellung bringt. Das passt alles irgendwie nicht so recht zusammen, und ist im Endeffekt dann im Gesamtbild eher schlampig konstruiert und wenig aufregend; der kurze, eisenhaltige und nur im Anflug florale Abgang passt dazu. Ganz am Schluss klingt noch Zuckerrohrsaft nach, das ist dann ganz schön, aber einfach nicht genug.

Ein, meiner Meinung nach, fehlgeschlagener Versuch, in einen zu stark verdünnten Rum etwas Spannung mit einem Whiskyfassfinish zu bringen; der Rum ist zu gelangweilt von sich aus, das Finish kaum erkennbar und damit dann letztlich unnötig. Mit deutlich höherem Alkoholgehalt wäre vielleicht etwas zu retten; so bleibt ein Rum, den man getrost im Regal stehen lassen kann.


Was es auch schwer macht, so etwas in einem Cocktail unterzubringen; da macht selbst eine mittelstarke Konkurrenzzutat ihm schnell endgültig den garaus. Wir orientieren uns daher an einem leichten Drink, in dem der Trois Rivières Ambré Whisky Finish noch eine Chance hat, und vielleicht sogar seine einzige Stärke ausspielen kann: Die ausgeprägten Zuckerrohraromen. Ich habe mich hier für den La Cola Nostra entschieden, in dem das tatsächlich funktioniert.

La Cola Nostra Cocktail

La Cola Nostra
2oz / 60ml gereifter Rhum Agricole
1oz / 30ml Amaro
¼oz / 7ml Allspice Dram
¾oz / 23ml Limettensaft
¼oz / 7ml Zuckersirup
Auf Eis shaken.

In ein Glas geben, das mit Eis und 1½oz / 45ml Prosecco vorgefüllt ist.
[Rezept nach Don Lee]


Die Flasche hat eine schöne, geschwungene Form, das Etikett ist hübsch gestaltet – für mich war diese Präsentation der Grund, den Rum in einem französischen Supermarkt mitzunehmen, teuer war er nicht, da fällt einem so ein Spontankauf dann halt leicht. Ich denke nicht, dass er erneut den Weg in meine Heimbar schafft, wie man auf dem Bild mit dem Glas sieht, ist er aber immerhin doch leer geworden. Für den, der einen einfachen, sehr leicht trinkbaren Rum sucht, der einem am Abend eine gewisse schöne Aromatik zur Verfügung stellt, ohne dass man über irgendetwas nachdenken muss, der kann hier mal reinschauen; ansonsten würde ich eher dazu raten, die kräftigeren, expressiveren Ausprägungen von Trois Rivières in Betracht zu ziehen – der Brenner kann das viel besser, als er hier zeigt.

Bier am Freitag – La Goudale Bière Blonde à la Ancienne und La G de Goudale Bière Grand Cru Rhum Finish

Im Hochmittelalter waren England und Frankreich eng verbunden. Normannische Invasoren, das angevinische Reich der Plantagenets, der Hundertjährige Krieg, die Beziehung war nicht immer ganz freundlich geartet und mündete dann in eine lange Rivalität, die bis heute andauert, zum Glück nur noch auf der humoristischen und nicht mehr der kriegsführenden Ebene. Sprachlich hat sich das so geäußert, dass Englisch extrem viele Lehnwörter und -konstrukte aus dem Französischen übernommen hat, das wiederum sich aus seiner fränkisch-germanischen Wurzel bediente. So erklärt sich der Name des Biers, das ich heute vorstelle – im 14. Jahrhundert war es üblich, gutes Bier als „Goudale“ oder „Goudalle“ (die Verwandschaft zum modernen „good ale“ ist unverkennbar!) zu bezeichnen; und „le goudalier“ war der Bierhändler. Die Brasserie Goudale in Arques nahe des Ärmelkanals bezieht sich darauf, wenn es seine Brauprodukte La Goudale Bière Blonde à la Ancienne und La G de Goudale Bière Grand Cru Rhum Finish tauft.

La Goudale Bière Blonde à la Ancienne und La G de Goudale Rhum Finish

Flandrischer Hopfen und obergärig arbeitende Hefe sowie 7,2% Alkoholgehalt sind die Eckdaten des La Goudale Bière Blonde à la Ancienne. „Blond“ passt, auch wenn es schon ein leichtes Dunkelblond ist. Kristallklar, man sieht ganz leicht Perlage aufsteigen. Der Schaum ist zunächst sehr dick, bleibt dann aber auch lange erhalten und steht schön auch einige Minuten nach dem Einschenken als Blume auf dem Bier. Die Nase ist dezent, eine Mischung aus Blumigkeit und Hopfenfrucht, beides aber zart. Darunter findet man etwas Gerstenwürze, insgesamt drängt sich hier nichts auf, aber es stößt mich auch keineswegs ab – das gefällt in seiner zurückhaltenden, aber wirksamen Art schon.

La Goudale Bière Blonde à la Ancienne

Im Mund fällt dann erstmal die fettcremige Textur auf, zusammen mit einer sauberen Grundsüße liegt das Bier sehr flauschig am Gaumen. Mittlere Rezenz wirkt dagegen, nicht superfrisch, aber doch mit leisem Kitzeln und mildherber Kante im Verlauf, so dass das Bier nicht zu bequem und gemütlich wird. Schöne Hopfenaromen, eher blumig als tropenfruchtig, gehen mit den Getreidetönen zusammen und bilden ein attraktives Gesamtbild.

Der Abgang ist mittellang, die Floralität kommt dann immer stärker zum Vorschein, die Karbonisierung sorgt für Aufstoßpotenzial, und es bleibt ein sehr angenehmes Gefühl von süßer Frische zurück. Sehr hübsch gemacht, handwerklich ohne Mängel, mit einem klaren Stil. Die Franzosen können also doch Bier!


Da ist man direkt aufgeschlossen, wenn ein Brauer mit derartigem Vorschuss auch ein Bier mit einer ungewöhnlichen Veredlung anbietet. La G de Goudale Bière Grand Cru Rhum Finish hat eine lange Zutatenliste, die dem RHG-Fanatiker die Tränen in die Augen treibt, mir aber aufgrund der obigen Erfahrung eher Freudenspannung verursacht: Gerste, Hopfen, Weizen, Reis, Zucker, Glucosesirup, Eichenholzchips, Koriander und Orangenschale. 25% der erwähnten Holzchips sind für 30 Tage in Martinique-Rum eingelegt.

La G de Goudale Rhum Finish

Kristallklar, mit einer Bernsteinfärbung, die fast ins Hennarot übergeht. Man sieht sehr hübsch die Perlage, der Schaum ist sehr attraktiv gemischtblasig, vom feinsten Schäumchen zur großen Blubber, beides in der Blume vereint. Optisch sehr ansprechend. Die Nase ist dafür recht zurückhaltend, man riecht etwas Malz, etwas Gerste, ein Anflug von Bitterhopfenaromen. Der Rum scheint nur minimalst im Geruch durch, wenn ich es nicht wüsste, würde ich nicht darauf tippen. Eher schon riecht man etwas Holz, etwas Rauch, aber beides auch nur sehr dezent.

Im Mund kommen plötzlich viele Aromen auf, die man so gar nicht erwartet hätte. Erstmal wirkt es sehr süß, ein bisschen pappig fast schon, dann taucht der Rum ganz vorsichtig auf. Sehr viel deutlicher drängt sich dann aber der Koriander auf, sehr viel mehr, als zum Beispiel in einem typischen Witbier, und die Bittere und freche Frucht von Orangenschale. Gegen Ende wird das Bier dann doch etwas trockener, herber, mit Gewürznoten in Richtung Nelke, bleibt aber vom Grundcharakter eigentlich süß. Die Textur ist cremig, die Rezenz eher mäßig, die 7,9% Alkoholgehalt fallen nicht auf. Interessant, sehr ungewöhnlich, und gar nicht schlecht durch diese ungewöhnliche Kräuter-Rum-Würze. Manchem wird es zu süß sein, für mich und für hin und wieder wird das sicherlich seinen Platz in meinem Kühlschrank finden.


Zwei Biere, sehr unterschiedlich, beide haben mir auf ihre eigene Art sehr gefallen. Nach vielen Reinfällen, was französisches Bier angeht, hier nun zwei Volltreffer, die mich darin bestätigen, dass meine Suche in Frankreich nicht umsonst ist.