Schwedische Weihnachten – Herrgårds Julsnaps

Städtetrips sind ja immer etwas tolles für mich – kurz und knackig, 2 bis 3 Tage eine Stadt zu Fuß erlaufen, die wichtigsten Sehenswürdigkeiten abhaken und die kulinarische Kultur entdecken. Der neueste Eintrag im Tagebuch ist bei mir Schwedens Hauptstadt Stockholm. Ende Oktober war das Wetter nicht hundertprozentig ideal, aber das hielt uns nicht davon ab, auf dem Hotelschiff Mälardrottningen, einer zum Hotel umgebauten ehemaligen Luxusyacht, in Stockbetten zu übernachten und von dort aus kreisförmig die Stadt zu erkunden. Die atemberaubende Vasa, tolle Architektur, viel Kunst und Kultur, und natürlich die Krönung des Aufenthalts, die allgegenwärtigen Kanelbullar und Kardemummabullar (Zimt- bzw. Kardamomschnecken) sind, da bin ich überzeugt, immer eine Reise wert. Die nahezu durchgängige Digitalisierung sorgt dafür, dass man in 5 Tagen Aufenthalt in Schweden nicht einmal eine Kronenmünze oder -schein zu Gesicht bekommt, geschweige denn in der Hand hat; alles bis hin zur öffentlichen Toilette wird über Kartenleser gesteuert.

Mitbringsel sind natürlich immer wichtig, und aus Stockholm habe ich mir zwei schwedische Cocktailbücher, einen Aquavit, einen Swedish Punsch und etwas, von dem ich noch nie zuvor gehört hatte, mitgebracht: den Herrgårds Julsnaps aus der Brennerei O.P. Anderson. Da gilt es natürlich erstmal zu klären, was das überhaupt ist! Eigentlich ganz einfach: es handelt sich dabei um einen Aquavit, der fassgereift wurde und mit zusätzlichen Zutaten weiteraromatisiert ist.

Die Aquavitbasis, die für den Julsnaps („Weihnachtsschnaps“) benutzt wird, ist ein klassischer schwedischer Aquavit, angesetzt mit Kümmel, Fenchel und Koriander. Eine Reifung in Sherryfässern erzeugt die Farbe und eine gewisse Rundheit, dann werden noch frische Orange, Nelken, Ingwer und Kardamom dazugegeben, um die totale Weihnachtsstimmung beim Genießer ausbrechen zu lassen. In Schweden trinkt man einen Julsnaps, wie der Name schon sagt, tatsächlich zu Weihnachten, die Foodpairingempfehlung beim Herrgårds Julsnaps deutet auf Hering und Lachs, ist aber auch offen für andere Gerichte auf der Weihnachtstafel bis hin zu Aufschnitt und Käse. Mit 38% Alkoholgehalt hat man hier für so einen Zweck auch einen angemessenen Wumms, bei dem die Verwandschaft sicher zusätzlich einen guten Groove bekommt. Probieren wir es aus.

Herrgårds Julsnaps

Leicht blasses, aber leuchtendes Gold schwenkt sich gemütlich im Glas, lebendig und mit nur leichter Viskosität. Einzelne, dafür rechte dicke Beinchen bilden sich an der Glaswand, laufen recht zügig ab, hinterlassen dennoch ein hübsches Gittermuster.

Die Zutaten des Herrgårds sind sofort präsent in der Nase – allen voran die Orangenzeste, die wirklich sehr expressiv wie eine frisch geschälte Orange riecht. Kümmel aus der Aquavitbasis kommt schnell danach, erstaunlich, wie gut allein schon diese zwei Komponenten zusammenpassen, damit hätte ich nicht gerechnet. Nelken und Kardamom spielen dagegen eine untergeordnete Rolle im Geruch, sind aber erkennbar, wenn man danach sucht. Insgesamt entsteht so ein recht herber, frischer Duft, der wirklich angenehm zu schnuppern ist, und bei dem man sich wirklich auf den ersten Schluck freut.

Herrgårds Julsnaps Glas

Die herbe Seite ist auch im Mund sofort erkennbar, bei einem nur als Restsüße vorhandenen Zuckergehalt von deutlich unter 1g/L (und selbst der stammt wohl eher aus dem Sherryfass) spürt man trotzdem eine dezente, nur ganz milde Süße. Die Zestigkeit der Orange definiert erstmal Geschmack und Struktur, schnell gefolgt von Kümmel, Fenchel, Nelken und Ingwer, der eine ganz vorsichtige, prickelnde Schärfe dazugibt. Im Verlauf ist die Aquavitbasis stärker im Vordergrund mit seinen Botanicals, leicht im Gewicht und klar, ohne jede Klebrigkeit, luftig im Volumen. Gegen Ende wird der Herrgårds immer grüner und kräuteriger, erinnert nun an Blattschnitt, Dill und etwas Estragon. Leicht astringierend hinterlässt er dann einen trockenen, aber sehr erfrischten Mundraum, die ätherischen Öle der Orange bleiben lange hängen mit einer angenehmen Kardamomkühle.

Eine ungewöhnliche Zusammenstellung, deutlich kräuteriger und frischer als ein Gin, und diese herrliche Orangenzeste, voll natürlich und hochgradig effektiv, krönt einen sehr angenehm zu trinkenden Schnaps. Völlig unkompliziert, dafür durchaus mit einem guten Maß an Komplexität – das ist wirklich garantiert sowohl als Aperitif als auch als Digestif hervorragend geeignet und macht dann sowohl Spaß, dient aber auch gut zum Klären des Gaumens.


Julsnaps an sich ist ja eigentlich bereits eine Art von Cocktail, wenn man sich die Geschmackskomposition anschaut, dennoch kann er natürlich gut auch dort funktionieren, wo man normalerweise einen klassischen Aquavit erwartet. Gerade die zusätzliche Orange passt toll zum North Sea Oil, der ja schon Bitterorangenlikör als weitere Zutat mitbringt – hier ergänzen sich zwei unterschiedliche Aspekte der Orange. Als Ausgleich zum schmalzigpappigen Weihnachten liegt man mit diesem herb-erdigen, kräuterlastigen Drink richtig!

North Sea Oil Cocktail

North Sea Oil
1½oz / 45ml Aquavit
¾oz / 23ml Cocchi Americano bianco
½oz / 15ml getorfter Whisky
¼oz / 7ml Orangenlikör
Auf Eis rühren. Auf einen großen Eiswürfel abseihen. Mit Orangenzeste servieren.

[Rezept nach Leo Robitschek]


In Schweden gibt es ein staatliches Alkoholmonopol, und man kann nur in speziellen Geschäften Alkohol kaufen. Im Systembolaget in Stockholm, wo ich diese Flasche herhabe, gibt es den Herrgårds Julsnaps in unterschiedlichen Abfüllgrößen zu erwerben, ich hatte mich für die schnuckelige mittlere Größe von 350ml zu 155 Kronen (um die 13€) entschieden. Das Design ist einfach aber passend, mit ein paar Details auf dem Rücketikett, und einem zweckmäßigen, wenn auch nicht übermäßig charmanten Aludrehverschluss.

Aquavit hat auch in Deutschland eine große Tradition, natürlich eher im Norden als bei mir im Südwesten. Die schwedische Fassung ist insgesamt (außerhalb dieses besonderen Produkts), nach meiner zugegebenermaßen eher eingeschränkten Erfahrung in dieser Spirituosenkategorie, eher auf der milden, fast schon süßlichen Seite. Wer in die Kategorie grundsätzlich mal reinschnuppern, sich aber nicht direkt mit wilden Kräutern auseinandersetzen will, kann sich durchaus auch außerhalb der Weihnachtszeit so etwas wie den Herrgårds Julsnaps anschauen!

Armagnac am Freitag – Grape of the Art Fontan 1996 Armagnac

462 Flaschen. Das ist eine sehr übersichtliche Menge, würde ich sagen – manche Whiskyhersteller stoßen das wahrscheinlich in einer Stunde aus, beim Grape of the Art Fontan 1996 Armagnac ist das die gesamte Menge dieser Abfüllung. Die Ugni Blanc des Maison Fontan aus der Region Bas-Armagnac werden nach der Fermentation in einem klassischen Alambic Armagnacais einfach gebrannt und liegt dann für 26 Jahre im Eichenfass, in einem trockenen Lagerhaus, ich liebe diese kleinen Details, die Grape of the Art immer mitliefert. Im Oktober 2023 wurden dann eben diese 462 Flaschen in Fassstärke, hier bedeutet das einen Alkoholgehalt von 55,1%, abgefüllt.

Grape of the Art Fontan 1996 Armagnac

Manchmal verliebt man sich in eine Spirituose allein aufgrund ihres Aussehens, auch wenn man das als Profi nicht tun sollte. Hier komme ich dem trotzdem sehr nahe, das strahlende, warme Pariser Rot des Fontan ist schlicht zu charmant. Im Glas wirkt das passend lebendig mit einem nur leicht viskosen Schwenkverhalten, das in einem attraktiven Gittermuster aus Beinchen endet.

Die Nase ist kurz verwirrt – ist das nicht ein spanischer Brandy? Im zweiten Schnuppern wird der Armagnac typischer, bleibt aber für mich irgendwie in der Mitte zwischen diesen Kategorien. So richtig viel getrocknetes Obst findet sich da, getrocknete Aprikosen und Pflaumen, weiße Rosinen und gedörrte Apfelscheiben. Ein Ticken Vanille gibt Schwere, etwas Karotte erinnert mich an Bourbon, und ein minimalster Anflug von Lack erzeugt noch sehr erwachsene Komplexität. Insgesamt wirkt der Fontan dann aber doch frisch und klar, etwas Orangenzeste und ein Hauch von Anis sind dafür verantwortlich.

Der Antrunk ist sehr weich, mild, und fast schon zurückhaltend, süßlich und mit sehr üppiger Textur. Drei, vier Sekunden Zeit nimmt sich der Fontan im Mund, bevor er seinen Mantel ablegt und dann angenehme Würze zeigt, perfekte Süßsauerbalance, mit gut gewählter Bittere und Trockenheit. Letztere nimmt immer mehr zu, geht auf Astringenz zu, ohne sie wirklich hart zu treffen. Aprikosen und Pflaumen sind nun sehr präsent, ebenso wie die Rosinen, und im späteren Verlauf erblühen noch Jasmin und Veilchen, immer eingebettet in die herbsüße Trockenfrucht. Eine späte mentholische Note frischt den Gaumen auf, bildet ein angenehmes Gegenstück zur würzigen, mit Chiliaspekten versehenen Wärme, die den Rachen hinunterrinnt.

Das ist ein richtig edles Getränk, in dem alles wunderbar harmoniert, aber nicht bequem oder langweilig wird. Armagnactypische Kraft und die hier zwar durchaus gezähmte, aber im Rückblick klar erkennbare Wildheit machen den Fontan für mich großartig spannend. Ich freue mich darauf, den Rest des Samples ganz in Ruhe ohne Verkostungsstress genießen zu können.

Offenlegung: Ich danke Grape of the Art für die kosten- und bedingungslose Zusendung dieses Samples.

Zurück nach China – Guizhou Guotai Libin Baijiu (贵州国台礼宾白酒)

Es wurde, wie üblich, mit großem Pomp bekannt gegeben, wer im Folgejahr Ausrichterland des Spirits Selection by CMB sein würde – und mich freut es sehr, dass erneut China Gastgeber für diesen besonderen Spirituosenwettbewerb im Jahr 2024 sein wird. Die Stadt Renhuai in der Provinz Guizhou wird Ort der Austragung sein, und da ist es wohl mehr als passend, wenn ich bereits jetzt in Vorbereitung darauf den einen oder anderen lokalen Sprit aus der Region vorstelle. Die Stadt ist eines der Zentren für die in Südwestchina besonders beliebte Teilkategorie des 酱香 jiangxiang-Aromas, außerhalb Chinas am besten bekannt unter dem Pseudonym „Sauce-Aroma“, wer hier auf dem Blog aufmerksam mitgelesen hat, hat gesehen, dass ich schon ein paar Produkte dieser Kategorie präsentiert hatte.

Heute möchte ich einen weiteren Baijiu zeigen, der von dort stammt. Der Guizhou Guotai Libin Baijiu (贵州国台礼宾白酒) ist herstellungstechnisch archetypisch für die Sauce-Aroma-Kategorie, was man in den detaillierten Angaben auf dem Rücketikett nachlesen kann (rudimentäre Chinesischkenntnisse vorausgesetzt, natürlich). Wasser, Hirse und Weizen werden als Zutaten angegeben, für die Region sehr übliche 53% als Alkoholgehalt. Wie genau so ein Baijiu hergestellt wird, werde ich, falls ich nächstes Jahr mit nach Renhuai reisen darf, dann mit Bildern aus erster Hand dokumentieren, bis dahin verweise ich, wie üblich, auf die Referenzmaterialien von Derek Sandhaus (insbesondere natürlich das weiterhin unverzichtbare „The Essential Guide to Chinese Spirits“) und die älteren Blogeinträge hier bei mir. Lesen ist das eine, probieren das andere und viel wichtigere, darum tue ich das nun für meine Leser*innen, in der traurigen Gewissheit, dass kaum jemand das nachvollziehen wird, aber vielleicht gewinne ich mit den Tasting Notes den einen oder anderen Experimentierfreudigen dazu, sich diese spannende Spirituosenkategorie trotzdem mal anzuschauen.

Guizhou Guotai Libin Baijiu (贵州国台礼宾白酒)

Die Öligkeit der Flüssigkeit ist beeindruckend, da schwappen träge Wellen beim Schwenken, dass es eine Freude ist. An der Glaswand bleibt dauerhaft ein Film zurück, und nur widerwillig läuft er dann in dicken Schlieren ab. Kristallklar und glitzernd, ein optischer Eindruck, der überzeugt.

Wer sich auch nur etwas mit den unterschiedlichen Stilen bei Baijiu auseinandersetzt, erkennt die hohe Typizität eines Sauce-Aroma-Baijiu sofort, beim Guotai Libin ist das nicht anders. Diese ungewohnte Mischung aus erdigen, würzigen und malzigen Aromen gefällt, weil hier auch kaum etwas nichts des durchaus oft anzutreffenden Nagellackentferners dabei ist – die Tonalität ist dunkel, süßlich und schwer, ganz ohne Ethanolspitzen, nur ein Hauch von Lack gibt eine minimalst frische Kante. Die Nase findet Brotteig, Sojasauce und ein Tick von frisch angeschnittenen Champignons, dazu durchaus ordentlich Sauce Béarnaise. Estragon und etwas Süßholz geben etwas Grüne dazu, ein Anflug von Apfelessig komplettiert ein wirklich komplexes und vielschichtiges Bouquet, an dem man gerne lange schnüffelt.

Guizhou Guotai Libin Baijiu (贵州国台礼宾白酒) Glas

Initiale Süße bildet die Basis für Getreidearomen, Hirse, aber auch schon kuchenteigartige Eindrücke. Alles, was die Nase roch, ist da und wird sogar verstärkt – Lakritz ersetzt das Süßholz, Anis das Estragon. Die erdigen Töne gehen etwas in Kaffeepulver über. Es kommt nun der Lack stärker zum Vorschein, aber immer noch nicht störend. Das Mundgefühl des Guotai Libin ist, passend zum optischen Eindruck, dicht, schwer und voluminös, mit fast cremigem Touch. Das bleibt auch bis zum Schluss, wenn erst freche Essigsäure, dann langsam weißpfeffrige, aber eingegrenzte Pikanz dazukommt, die den Gaumen ganz mild und fein zum Glühen bringt, ohne ihn zu reizen. Der Abgang ist herrlich rund, mit Noten von feuchtem Beton, Getreide, etwas minimalst mentholischem Grünschnitt und nussigem Sesam, bleibt lange, aber nicht aufdringlich: ein Gast, der sich zum rechten Zeitpunkt nach einem schönen Abend verabschiedet.

Das liegt richtig gut im Mund, ganz ohne Aggressivität, aber dennoch viel Kraft und Dichte. Die Aromenkomplexität ist hoch, und punktet mit einem sehr angenehmen Spektrum. Ein wirklich schöner Baijiu, der mir keinen Wunsch offenlässt – genau so soll er schmecken und wirken. Hochgradig empfehlenswert!


Baijiu ist inzwischen dank der unermüdlichen Arbeit einiger weniger in der Barwelt durchaus angekommen, natürlich nicht überall, aber doch erkennbar. Entsprechend wächst auch die Liste der Rezepte, diese hauptsächlich aber für Starkaroma-Baijiu, bei Saucearoma-Baijiu ist das weiterhin dünn gesät. Hier probiere ich mal eine Variante auf einen Kimchi Gibson, bei dem der Baijiu eher als Aromat eingesetzt wird. Und was soll ich sagen? Der Saucy Gibson ist spannend, mich wundert nicht, dass der gesamte Trend der „savory/umami cocktails“ im Allgemeinen Fahrt aufnimmt.

Saucy Gibson Cocktail

Saucy Gibson
1oz / 30ml Dry Gin
1oz / 30ml Old Tom Gin
½oz / 15ml süßer, weißer Wermut, mit Dill infundiert
½oz / 15ml Sauce-Aroma Baijiu
Auf Eis rühren. Mit einem Radieschen servieren.

[Rezept nach Helmut Barro]


Wie üblich begeistert diese Abfüllung mit einem opulenten Design. Die Halbliter-Flasche des Guotai Libin ist mattiert und mit vielen goldenen Applikationen versehen. Im Gegensatz zu manchen anderen Produkten hält die Präsentation hier auch einem zweiten, genaueren Blick stand, da sind weder billiges Plastik noch Gussgratkanten erkennbar. Dazu kommt die sehr gelungene Box, haptisch hochwertig und optisch ein Genuss.

Ein rundum rundes Paket, würde ich sagen, das man mit dem Guizhou Guotai Libin Baijiu bekommt. Weiterhin gilt natürlich, dass die Kategorie insgesamt eine doch steile Lernkurve, was die Sensorik angeht, hat, doch meine Erfahrungen mit Neulingen (insbesondere beispielsweise mit erfahrenen Verkostern, die bei Spirits Selection by CMB zum ersten Mal in Kontakt mit hochwertigem Baijiu kommen) überzeugen mich davon, dass da ein gewisses Potenzial ist, das gehoben werden kann. Ich hoffe, einen kleinen Teil dazu beitragen zu können.

Offenlegung: Ich danke der Woltermann Import UG für die unaufgeforderte, kosten- und bedingungslose Zusendung einer Flasche dieses Baijius.

Bier am Freitag – Brewfist The Bad Sentenza Barrel Aged Imperial Chocolate Coffee Stout

Ein komplexer Name für ein komplexes Bier: Das Brewfist The Bad Sentenza Barrel Aged Imperial Chocolate Coffee Stout hat viel zu bieten, bevor man es probiert hat. „The Bad“ ist eine Homage an die Italowestern, insbesondere natürlich „The Good, the Bad, and the Ugly“ mit Clint Eastwood. „Sentenza“ ist in dem Film „der Böse“, gespielt von Lee Van Cleef (er ist auch stilisiert auf dem Etikett abgebildet). Das Basisbier ist dann natürlich das Spaghetti Western, auch aus dem Hause Brewfist, das mit einem ordentlichen Set an Malzen ausgestattet ist: Pale, Hafer, Carafa Special, DRC, Crystal, Chocolate und „geröstete Gerste“ sind aufgeführt. Magnum ist dagegen als einziger Hopfen eingesetzt. Nach der dreimonatigen Fassreifung in Ex-Laphroaig-Fässern wird das Bier noch mit Kaffee und Kakaobohnen aromatisiert, was sich dann auch in der Stilbezeichnung äußert. Mit imperialen 8,7% Alkoholgehalt ist es auch diesbezüglich gut versorgt. Ich ahne schon voraus, dass das hier kein aromatisches Leichtgewicht sein wird!

Brewfist The Bad - Sentenza Barrel Aged Imperial Chocolate Coffee Stout

Der Stil lässt mich nichts anderes erwarten als die espressoähnliche, fast schon ins schwärzliche übergehende Farbe, und auch die schwer schwappende Textur beim Eingießen. Ein haselnussbrauner Schaum entsteht ganz kurz, bleibt nur als Tonsur und feinster Flaum in einer großen Insel erhalten.

Manche Fassreifungen riecht man kaum, hier ist das klar anders – die drei Laphroaigfassmonate äußert sich deutlichst, die medizinischen, mineralischen und maritimen Noten des Islay-Whiskys liegen über allen anderen Eindrücken. Erst lang danach kommt das schwere, dunkle Röstmalz, und dann danach die Aromatisierung mit Kakao und Kaffee. Eine sehr komplexe Nase, vielschichtig mit sich freudig abwechselnden Eindrücken. Ein bisschen nasses Holz kommt auch noch vor – ich könnte an dem Bier echt richtig lang schnuppern.

Im Mund ist das alles auch vorhanden, aber noch viel runder ineinander verflochten, die einzelnen Komponenten, die ich aufgezählt hatte, sind hier nun schwerer voneinander abgrenzbar. Was nichts schlechtes ist, im Gegenteil, so hat man ein Bier, das seine Komplexität in einer absolut verrundeten Form anbietet, unterstützt von einer richtig fetten Textur, die sich an den Gaumen legt, ohne sirupartig schwer zu werden: Rezenz bleibt vorhanden, auch durch eine milde Säure, die auf der Zunge prickelt. Sehr schöne, expressive Fruchttöne von Trockenobst kommen vor. Angenehm salzig, angenehm bitter. Der Abgang ist lang, deutlich vom Kakao gesteuert, mit feinem Espressopulvernachhall.

Black and Yellow Cocktail

Puh, das ist eine Granate, ein extrem ausdrucksstarkes, wuchtiges, schweres Bier, das sich dennoch mit frischen Aspekten aufhellt. Irre komplex, wahnsinnig unterhaltsam, ein Bier, mit dem man einen Dialog sowohl über Semiotik als auch Bronson-Western führen kann. Vielleicht sogar beides zur gleichen Zeit. Einen Schluck davon hab ich mir für einen links abgebildeten Black and Yellow aufgehoben (für das Rezept siehe meine Cocktailrezeptseite), darin glänzt das Sentenza nochmal ein bisschen anders.

Die asketische Zukunft ruft – Polly Alcohol-Free Mexican Classic Blanco Agave

Man sieht es immer öfter selbst in Supermärkten – alkoholfreie Varianten von bekannten Spirituosen. Mit Gin hat es angefangen, inzwischen bekommt man auch nullprozentige Rums, Wermuts und Bitterliköre. Ich hatte vor einer ganzen Weile mal eine kleine Versuchsreihe gestartet, alkohol- und zuckerfreie Cocktails herzustellen (hier nachzulesen), und dabei alkoholfreien Gin und Wermut vorgestellt. Die Zeit geht vorbei, die Hersteller werden immer besser darin, und auch wenn ein Tanqueray 0.0 immer noch kein echter Ersatz für Gin ist, macht er sich doch ganz gut als Zutat in einem Mixed Drink. Wie gesagt, das Backboard des alkoholfreien Mixologen erweitert sich, und heute stelle ich eine weitere Expansion dieser Produkte vor: den Polly Alcohol-Free Mexican Classic Blanco Agave, in Zusammenarbeit mit Ben Teeuwsen von tequiladealer.de.

In Köln werden für die Produktrange von Polly Botanicals destilliert und konzentriert, um sich dem Vorbild, natürlich ist in diesem Falle hier Tequila gemeint, sensorisch anzunähern. Die Destillate von Polly sind explizit fürs Mixen angelegt, man rät ausdrücklich vom Purgenuss ab, ich wäre froh, manche andere Produzenten wären ähnlich klar diesbezüglich, das würde manche Enttäuschung ersparen. Ein kleiner Anteil Restalkohol bleibt bei dieser Herstellungsweise zurück, unter 0,5%, wie das bei manchen alkoholfreien Bieren auch der Fall ist. Da der Konservierungsstoff Alkohol praktisch fehlt, muss man mit reduzierter Haltbarkeit rechnen, 8 Wochen geben die Hersteller für den Mexican Classic an, und man sollte es gekühlt lagern nach Öffnen. Ich bin als großer Tequilaliebhaber natürlich sehr gespannt, was hier möglich ist – schnell ins Glas damit!

Polly Alcohol-Free Mexican Classic Blanco Agave

Man erkennt eine schöne Viskosität beim Schwenken, es bildet sich aber kaum ein Film an der Glaswand, nur eine leicht fettige Schicht, die schnell am Stück abläuft, ohne Beinchen zu bilden. Die Flüssigkeit ist glasklar, wirkt aber im Vergleich zu einem Brand etwas stumpf.

In der Nase kommen mehrere Assoziationen hervor, zunächst eine rotapfelige Seite, die mich sehr stark an Sake erinnert, danach direkt eine ordentliche Dosis Vanille, gefolgt von etwas Zimt. Ja, man kann erahnen, dass hier etwas Agave mitspielt, ein bisschen grün scheint hervor und eine ganz, ganz dezente Mineralität, nie auf dem Niveau, das ein Agavenbrand erreicht. Im Gesamtbild riecht Polly wie ein ordentlich mit Abocantes (im Tequila erlaubte Aromastoffe) versetzter Tequila, etwas erinnert mich an Sparkle Donkey. Zuckerwatte, Karamellbonbons, ein bisschen Frucht – definitiv unterhaltsam, wenn auch doch ein gutes Stück entfernt von einem guten Tequila.

Polly Alcohol-Free Mexican Classic Blanco Agave Glas

Die Hersteller weisen, wie gesagt, überraschend deutlich darauf hin, dass Polly nicht für den Purgenuss geeignet ist, dennoch probiere ich sie natürlich einfach so. Im Antrunk verstärkt sich die Erinnerung an Sake, schnell überholt aber eine gewisse Säure diese Assoziation. Aus dem rotbackigen Apfel wird ein Granny Smith, darunter liegt eine leichte Teerigkeit, verschmortes Plastik und Gummi. Die Textur ist weich, im Anflug ölig. Die Aromen sind ausdauernd, gegen Ende kommt die Agave dann wieder etwas mehr hervor – und im Nachklang könnte man wirklich fast, wirklich fast, wirklich fast meinen, man hätte eben einen Tequila im Mund gehabt. Eher ein Mixto als ein 100%-de-Agave, leicht vanillig, etwas zuckerwattig, aber durchaus überraschend nah am Original in dieser Phase.

Natürlich ist Polly im Purgenuss dennoch nie ein Ersatz für einen Tequila, das ist aber auch gar nicht beabsichtigt, die Hersteller erklären dies, wie erwähnt, sehr deutlich sowohl auf ihrer Webpage als auch auf dem Rücketikett. Ich mag diese Ehrlichkeit, und bin aber gerade vom Nachhall beeindruckt, wie nah sie sich dem Vorbild annähern konnten.


Der geplante Einsatzzweck ist also der Mixed Drink. Was probiert man da? Zunächst mache ich natürlich die Klassiker nach, eine Margarita und einen Tequila Sunrise, um zu schauen, wie gut man hier mit der Polly fährt. Meine Erfahrung: ja, das geht, und erinnert mich schon an die Drinks, die man oft in mexikanischen Restaurants bekommt, die meistens mit José Cuervo oder noch billigerem Mixto gemacht wurden; man muss aber die Säure (z.B. den Anteil des Limettensafts in der Margarita) reduzieren. Mit dem The Noble Experiment wagen wir uns dann, passend zum Namen des Drinks – hier wird natürlich auf die Prohibition angespielt – und dem alkoholfreien Mexican Classic, an einen beinahe komplett alkoholfreien Cocktail, wenn man den Tequila durch Polly ersetzt. Die 2 Spritzer Bitters kann man, will man ganz konsequent sein, dann auch noch weglassen. Egal wie, hier glänzt Polly wirklich richtig schön.

The Noble Experiment Cocktail

The Noble Experiment
1½oz / 45ml Tequila Blanco
¾oz / 23ml Zitronensaft
½oz / 15ml Orgeat
½oz / 15ml Ginger Ale
2 Spritzer Peychaud’s Bitters
Auf Eis shaken.

[Rezept nach Joe Valdovinos]


Kurz zum Flaschendesign: Bei der Flasche an sich hat man sich für ein Standardmodell mit Kunststoffkorken entschieden, eine gute Wahl, die angenehm in der Hand liegt und praktisch zu handhaben ist. Das Etikett ist mit einer flächigen Illustration versehen, die in bunten Farben eine Art Urlaubsfeeling verbreiten soll, nun, das ist gut gemacht, für die Zielgruppe sicher besser passend als für den Agavennerd.

Wer einen alkoholfreien Ersatz für seinen Mixto für Cocktails sucht, also zum Beispiel José Cuervo oder Sierra Tequila ersetzen will, kann hier durchaus zugreifen. Ein Ersatz für einen guten Artesanal-Tequila ist Polly sicherlich nicht, aber man muss bei so einem Produkt auch die Kirche im Dorf lassen. Ich jedenfalls bin positiv überrascht. Was vor 10 Jahren noch undenkbar war für mich, ist inzwischen Realität – wir nähern uns mit den Alkoholfreien immer mehr den alkoholhaltigen Getränken an. Es ist noch ein weiter Weg, doch wenn man offen für diese Entwicklungen ist, sieht man die Fortschritte sehr deutlich.

Offenlegung: Ich danke der Polly GmbH für die kosten- und bedingungslose Zusendung einer Flasche dieses Produkts.

Bier am Freitag – Liefmans Glühkriek

Glühwein, Weihnachten, Weihnachtsmärkte und schmierige Lieder – das ist alles nichts für mich. Ich bin der Grinch, was dieses psychologisch und emotional völlig überladene, exorbitant kommerzialisierte und schlicht stressigste Fest des Jahres angeht, und je schneller es vorbei ist, umso besser. Manchmal braucht es auch schlicht Alkohol, um es besser zu überstehen. Und statt dem zuckrigen Industrieglühwein, den es meistens gibt, greife ich dann gerne zu etwas ungewöhnlicherem, das ich bei einem Stand auf dem Weihnachtsmarkt in Kaiserslautern gefunden hatte, das Liefmans Glühkriek. Es ist ein klassisches Kriek, zunächst als Bruin eingebraut und dann mit 6% Kirschenanteil (~13kg Kirschen auf 100 Liter) für 6-12 Monate nachgereift, und am Ende versetzt mit natürlichen Gewürzen, in diesem Fall Sternanis, Nelken und Zimt; 2 Jahre wird es gereift, bevor es mit 6% Alkoholgehalt abgefüllt wird. Serviert wird es idealerweise auf 70°C erwärmt. Man kann es auch in Flaschen erwerben, für das Erlebnis zuhause – in der Adventszeit ist es oft nasskalt, so dass ein warmes Bier sicher unabhängig von der Stimmung für gute Laune sorgt.

Liefmans Glühkriek

Optisch steht es deutlich in der Tradition von Glühwein – mahagonifarben, mit rubinroten Lichtreflexen, die sich wunderbar im Gegenlicht zeigen. Von Trübung keine Spur, nur die dunkle Farbe verhindert das Durchblicken. Ein feiner Schaum entsteht beim Eingießen, der sich aber schnell auf eine dünne, weiße Linie am Glasrand zurückzieht.

Wunderbar würzig und angenehm ist die Nase, ein recht natürliches Kirscharoma geht die Verbindung mit den Gewürzen ein, Nelken geben eine leichte Bitterkeit, Sternanis etwas weihnachtstypisch-würziges, und der Zimt ist ganz dezent eingesetzt, so dass er das Getränk nicht übernimmt. Ein bisschen seifig wirkt das Gemisch, aber nicht auf unangenehme Weise. Wer am Weihnachtsmarkt normalerweise den sich überall verströmenden Duft des allgegenwärtigen Würzweins mag, ist hier richtig – die Frucht und Gewürze überdecken das Bier im Geruch, wie es ein gutes Kriek auch tut.

Die Zusammenstellung ist auch am Gaumen gelungen. Initial ist da eine schöne Säure, die das weiche Mundgefühl auffrischt. Sofort sind Kirschen und Nelken da, sie bestimmen für lange Zeit die Aromatik. Im Gegensatz zu vielen Glühweinen ist hier keine pappige Süße da, die den Gaumen belegt, das für das Basiskriek eingesetzte Lambik liefert genug Rezenz, um für leichte Unterhaltung zu sorgen. Erst spät kommt der Zimt auf, auch hier ganz vorsichtig, im Nachhall, mehr eine Idee. Gute Bitterkeit, leichter Körper, kurzer, unaufdringlicher Abgang, ja, das trinkt sich süffig und unkompliziert, sowohl warm als auch kalt funktioniert das Glühkriek ganz ausgezeichnet.

Man hat schon herausgehört, dass ich überhaupt kein Weihnachtsmarktfreund bin, ich mache das manchmal mit, wenn Freunde oder Bekannte mich dazu nötigen. Der überbordende Kommerz, klebrige Pseudoatmosphäre und der billige Glühwein, der normalerweise ausgeschenkt wird, tun ihr übriges dazu, das Erlebnis eher mäßig werden zu lassen. Wenn wenigstens so etwas wie das Liefmans Glühkriek als Alternative angeboten wird, nehme ich das als positives Element dann aber gerne mit, um zuhause die echte Gemütlichkeit anfangen zu lassen. Lieber dann sogar an lauen Sommerabenden gut gekühlt!

Das Schnapsblatt meldet – Saint Lucia Distillers Chairman’s Reserve Master Selection Vendôme Pot Still 2004, Selected by Rum&Co

Der Charme mancher Spirituosen entsteht bereits, wenn man über die Technik berichtet, wie sie hergestellt werden. Dazu reichen manchmal schon die Namen der Brennapparate aus, um eine Aura von Exotik und Mystik zu erschaffen, die dem Kenner Gänsehaut über den Körper laufen lässt, wenn er sie hört: Port Mourant. Enmore. Versailles. Savalle. Und, natürlich, Vendôme, die Brennblase, mit der auf der kleinen Karibikinsel Saint Lucia der Saint Lucia Distillers Chairman’s Reserve Master Selection Vendôme Pot Still 2004, Selected by Rum&Co destilliert wird. Er liegt für 18 Jahre in Ex-Bourbon-Fässern, wird dann nach der Auswahl der Experten von Rum&Co in 277 Flaschen mit der Fassstärke von 59,2% abgefüllt, und steht nun vor mir. Kann der Rum dieser geheimnisvollen Aura des klangvollen Namens gerecht werden?

Saint Lucia Distillers Chairman’s Reserve Master Selection Vendôme Pot Still 2004, Selected by Rum&Co

In der Flasche wirkt der Rum fast dunkelbraun, im Glas dafür heller und rötlicher, leuchtendes Kirschbaumholz ist als Farbton gar nicht so falsch. Beim Schwenken zeigen sich orangene Lichtreflexe und eine deutliche Viskosität, einzelne Wellen schwappen dabei weit oben an die Glaskante und hinterlassen dabei eine fette Linie, aus der sich einzelne Tröpfchen bilden, die sehr langsam ablaufen.

Nach einer ersten direkten Geruchsprobe lasse ich dem Chairman’s Reserve ein paar Minuten Zeit, sich zu öffnen, denn direkt aus der Flasche wirkt er erstmal ein bisschen kratzbürstig. Während der Wartezeit merkt man, wie sich der Duft über das Glas hinaus weit verströmt. Dann kann man die Nase vorsichtig ins Glas halten – der initiale Lack ist teilweise abgebaut, eine sehr edle Holzigkeit kombiniert sich nun mit prägnanter Frucht. Ich entdecke nasses Fassholz, leichte Heuigkeit, Honig und rote, süße Äpfel, leichte Traubentöne, die an Armagnac erinnern. Esterig, ja, aber nicht wild, die Früchte sind gut reif, aber nicht matschig. Begleitet wird das alles durchgängig durch eine strenge Kante, die beständig zwischen Klebstoff und kaltem Menthol wabert.

Saint Lucia Distillers Chairman’s Reserve Master Selection Vendôme Pot Still 2004, Selected by Rum&Co Glas

Am Gaumen werden direkt von Anfang an keine Gefangenen gemacht – andere Rums zeigen sich zumindest initial freundlich, bevor sie ihre Kraft auspacken, beim Chairman’s Reserve ist das anders. Schon der Antrunk ist sofort trocken, und das wird im Verlauf noch stärker, stark astringierend, verbunden mit kräftiger Säure und Bitterkeit. Honigsüße und -würze gleichen das zum Teil aus, Feigen und Pflaumen bieten eine kleine Abwechslung, Melasse bringt Volumen. Die Textur ist voll und extrem dicht, dabei nicht wirklich weich, aber auch nicht kratzig. Milde Esterigkeit macht den Rum komplex, sie verfliegt schnell und macht Platz für eine Würze aus Anis, Süßholz und Karamell, was schließlich in eine sehr elegante Floralität voller Kornblumen und blühender Wiesenkräuter übergeht. Der Nachhall ist sehr lang, hier präsentiert der Chairman’s Reserve seine größte Stärke, er bleibt präsent und sehr aromatisch, wird hier nun einen Ticken gemütlicher und dieser wirklich wunderbare, kühle Eukalyptushauch, mit dem er die Zunge belegt und aus dem Rachen heraus weiter wirkt ist sehr beeindruckend.

Man muss es sagen – das ist kein easy-drinking-Rum. Man muss sich Zeit für ihn nehmen, ihn langsam erforschen, kleine Schlucke, die man im Mundraum hin- und herbewegt, jeder für sich braucht Aufmerksamkeit, mit 2cl kann man sich mühelos eine halbe Stunde beschäftigen. Man wird dann aber für diese Geduldsinvestition mehr als belohnt.


Für den Tiki-Cocktail At the Gates of Hell wird, neben dem als Hauptzutat eingesetzten starken Rum, noch eine halbe Unze Jamaica-Rum gefordert. Nun, verwendet man den hier vorgestellten Chairman’s Reserve als Hauptzutat, kann man sich diese Zugabe eigentlich sparen und statt dessen 75ml des Chairman’s Reserve nehmen, da verliert man kein bisschen an Aroma, dieser Rum steht der Dichte und Würze eines Jamaica-Rums in keinster Form nach – und seine Charakteristik bleibt selbst gegen die große Anzahl anderer Zutaten bis zum letzten Schluck erkennbar.

At the Gates of Hell Cocktail

At the Gates of Hell
2oz / 60ml gereifter Overproof-Rum
½oz / 15ml gereifter Jamaica-Rum
½oz / 15ml Himbeerlikör
½oz / 15ml Falernum
1½oz / 45ml Ananassaft
½oz / 15ml Zimtsirup
½oz / 15ml Limettensaft
½oz / 15ml Zitronensaft
Auf Eis shaken. Dirty Dump in eine Tiki-Mug.

[Rezept nach Chad Austin]


Geliefert wird der Chairman’s Reserve in einer halboffenen Kartonumverpackung. Sehr charmant wirkt der Holzaufkleber, auf dem der Rum&Co-Schriftzug eingebrannt ist, mit dem diese limitierte und exklusive Sonderabfüllung markiert ist. Ein paar Details auf dem edel in schwarz-weiß-gold gestalteten Etikett erfreuen dann auch das Herz des an solchen kleinen Informationen interessierten Genießers.

Ich freue mich sehr, dass dieser Artikel in der 29. Ausgabe des Schnapsblatts, der Hauspostille von Rum&Co, abgedruckt wurde – wer in diesem Zeitraum etwas bei dem großen deutschen Rumversand bestellt hatte, wird ihn also schon kennen.

Wer gehört zur Zielgruppe dieser Abfüllung? Sicherlich der Rumkenner, der charaktervolle, wuchtige, schwere Rums bereits zu schätzen weiß – aber vielleicht auch der interessierte Neuling mit Vorkenntnissen, der mal ausprobieren will, wie dicht und aromatisch ein natürlich hergestellter Rum ohne jede Zusätze sein kann!

Offenlegung: Ich danke Rum&Co für die Zusammenarbeit für den Artikel im Schnapsblatt, für den ich eine Flasche des Rums, den ich hier beschreibe, als Verkostungsexemplar erhalten habe.

Mezcal am Freitag – Fruto del Sol Espadín-Madrecuishe, Topanito Maguey Madre Cuishe, Real Minero Barril Madrecuishe

Man sieht es schon in der Überschrift – die Agavenart Agave karwinskii hat im nichtbotanischgeprägten Sprachgebrauch unterschiedliche Ausprägungen. Madrecuishe, Madre Cuishe und Madre-Cuixe sind drei nur orthographisch unterschiedliche Schreibweisen für dieselbe Pflanze, kleinere weitere Unterschiede gibt es dazu. So wie es auch viele Arten gibt, diese Agave zu Mezcal zu verarbeiten. Heute stelle ich drei Produkte vor, die zumindest zum Teil die Madrecuishe enthalten und genau darstellen, wie unterschiedlich sich die eigentlich ähnliche Materialbasis sensorisch dann äußert: Fruto del Sol Espadín-Madrecuishe, Topanito Maguey Madre Cuishe, und Real Minero Barril Madrecuishe. Beim ersten und letzten handelt es sich um sogenannte Ensambles, also Zusammenstellungen von Agavenarten, etwas in der Mezcalwelt sehr übliches; der mittlere ist ein reinsortiger Mezcal.

Fruto del Sol Espadín-Madrecuishe, Topanito Maguey Madre Cuishe, Real Minero Barril Madrecuishe

Alle drei liegen mir als offizielle Samples des Herstellers vor. Spannend ist natürlich, dass bei Mezcal oft Batches deutlich variieren. Bei Fruto del Sol und Topanito hat man genug Material für die Samples, um dedizierte Labels inbesondere bezüglich Alkoholgehalt zu drucken; Real Minero lässt die Prozente handschriftlich eintragen, um diesbezüglich flexibler zu sein.


Fruto del Sol Mezcal Artesanal Blanco Espadín-Madrecuishe

Wir beginnen mit dem Fruto del Sol Mezcal Artesanal Blanco Espadín-Madrecuishe. Die zwei Agavensorten im Namen latinisieren sich zu Agave angustifolia und Agave karwinskii, im Verhältnis 7:3 werden sie gemischt. Er ist mit 42% Alkoholgehalt milde und einsteigerfreundlich eingestellt. Als Blanco hat er natürlich keine Färbung, doch die schöne Öligkeit, die man beim Schwenken des Glases sieht, ist schon einen Blick für sich wert. In der Nase wird man direkt belohnt für diese Geduld, wunderbar, wie ohne Verzug die grasig-grüne Agaventypizität präsent ist. Nichts lenkt davon ab, ein Duft, wie ich ihn liebe. Hier ist kein gemüsiger Nebenton, kein übermäßiger Rauch, einfach die reine Agave. Leicht erdig, leicht kiesig, mit kleinen Erinnerungen an grünen Blattschnitt, ganz dezente Anklänge von frisch zerdrücktem Kardamom. Das ist so eine Spirituose, die muss ich gar nicht trinken, da schnuppere ich einfach sehr lange gern dran. Im Mund ist eine leicht laktische Säure das erste, was auffällt. Die Textur wirkt rund und voll, aber nicht schwer, trotz der unterschwelligen Süße, die bis zum Schluss da ist. Da sind leicht brotige Aspekte im Geschmack, nach Baguettekruste, die aber im Verlauf durch die Agave abgelöst werden. Danach findet sich auch eine gewisse Parfümkomponente, leicht floral, etwas Rosenwasser vielleicht. Angenehm trocken und mit feiner Pikanz und erst hier mit einem Anflug von Rauch klingt der Fruto del Sol aus, lässt die Agave lange am Gaumen am Leben, mit einem frischen, hellen Gefühl und etwas erdiger Salzigkeit. Sehr angenehm zu trinken, sehr unkompliziert, und dafür volle Agave, die Sortenmischung passt richtig gut.


Topanito Mezcal Artesanal Blanco Maguey Madre Cuishe

Das ist ein guter Zeitpunkt, zu einer sortenreinen Abfüllung überzugehen: im Topanito Mezcal Artesanal Blanco Maguey Madre Cuishe ist namensgebende Agave allein verwendet worden. Mit 49% haben wir auch einen höheren Alkoholgehalt, was bei Mezcal eher typisch ist. Klar ist natürlich auch er, und bewegt sich lebendig im Verkostungsglas, viele kleine Tropfen an der Wand hinterlassend. Man denkt zunächst, ehrlich gesagt, an Obstbrand, wenn man die Nase in dieses Glas hält. Da sind Kirschen, Pflaumen, sogar ein paar tropische Früchte, sehr aromatisch und rund. Die Agave wird dabei nicht unterdrückt, man spürt selbst bei den prominenten Kirschen, dass hier eine vegetabile Ursache vorliegt, dies macht den Brand komplex und interessant, weil irgendwie vertraut und doch fremd. Süß und voll, ein schwerer Duft, der Lust aufs Probieren macht. Tut man das dann, geht der Fruchtreigen weiter, erneut finde ich richtig deutliche Kirschen, etwas Vogelbeere dazu, und dann Agavenfrucht. Deutlich salzig liegt das am Gaumen, dabei immer noch süß, mit angenehmer Sauerbitter-Komponente, da hat wirklich jeder Teil der Zunge was zu tun. Der Körper wirkt schwer, Rauch spürt man praktisch keinen, alles geht im Verlauf in ein leichtes Chilibrennen auf der Zunge über, und erzeugt dadurch am Ende ein frisches, minziges Mundgefühl, das von viel Agavenaromen gestützt wird. Wunderbar, wie sich im Topanito Maguey Madre Cuishe die Kulturen verbinden – wer gern ein hochwertiges Kirschwasser trinkt, sollte definitiv beim Topanito vorbeischauen.


Real Minero Ancestral Barril Madrecuishe

Der dritte im Bunde ist wieder ein Ensamble – im Real Minero Ancestral Barril Madrecuishe kommen, wie man sieht, diesmal Barril und Madrecuishe zusammen, in einem pro Batch unterschiedlichen Verhältnis, bei meinem Sample ist es wohl rund 60:40. Das passt, denn beides sind Unterarten der Gattung Agave karwinskii. 53% Alkoholgehalt machen den Real Minero zum stärksten im Trio. Das Schwenken im Glas zeigt entsprechend einen deutlichen Film an der Glaswand, der sich in regelmäßige, dicke Beine aufspaltet. Die Nase findet hier eine ausgesprochen feine Eleganz, die Frucht drängt sich nicht wild nach vorne, sie will hier entdeckt werden. Kirschen, Pflaumen, reifer Pfirsich, man merkt, dass diese Agavenarten sehr fruchtig ausgelegt sind. Etwas Wachsmalstift, ein bisschen Süßholz, ein bisschen Koriander, hier ist Komplexität angelegt, die sich nicht direkt offenbart. Weiße Schokolade, fast cremig, unterstützt alles von der tiefen Basis aus. Der Gaumen muss ähnlich arbeiten – dezente laktische Säure, milde Süße, alles sehr elegant in ein Gesamtbild eingebettet. Man meint fast, eine Art Fruchtmousse im Mund zu haben, mit milder Frucht, etwas Sahne, alles natürlich mit der Vegetabilität und Grünheit der Agave. Später wird der Real Minero dann deutlich trocken, sehr prickelnd, stark würzig-salzig, und ein bisschen astringierend, während er dann die Agave in ihrer reinen Form aufblühen lässt und algige Aromen hinterlässt. Angenehm mentholisch und warm klingt er dann auf lange Zeit aus. Grandios im initialen Understatement, dramatisch im Ausklang.


Ich muss es sagen: das sind alles drei wirklich gut gemachte Agavenbrände, und alle haben ihre Stärken, die für mich für unterschiedliche Stimmungen bestens geeignet sind. Will ich einen unkomplizierten, aber trotzdem sehr aromatischen Mezcal, nehme ich den Fruto del Sol. Für einen schweren, wuchtigen, fruchtlastigen Moment nehme ich den Topanito. Und will ich Zeit mit einem Brand verbringen und Finesse genießen, ist der Real Minero das Mittel der Wahl. Mit keinem der drei kann man auch nur ansatzweise etwas falsch machen.

Italoamerikanische Likörliebe – Campari Cask Tales

Es ist schon eine Weile her, dass Duty Free an Flughäfen das Versprechen für besondere, exklusive Produkte zu guten Preisen war, darüber habe ich mich ja schon bei anderen Artikeln hier auf meinem Blog etwas ausgelassen. Irgendwie ist es aber dennoch etwas angenehmes, durch so einen Shop zu streifen und zu schauen, was da so rumsteht an Spirituosen. Und bei einem meiner Flüge hatte ich dann tatsächlich etwas gefunden, was damals recht exklusiv war und nicht so selbstverständlich zu bekommen wie heute – Campari Cask Tales stand da und lächelte mich an, in der großen, pompös gestalteten Literflasche und dem in Holzimitat gestaltetem Präsentkarton. Mir als großem Camparifreund war das kein Angebot, sondern ein klarer Kaufbefehl aus dem Herzen, bei dem ich nicht zweimal nachdachte.

Was ist das besondere an Campari Cask Tales im Vergleich zum doch deutlich günstiger erhältlichen Standardprodukt? Man nimmt dafür eben diesen klassischen Campari und reift ihn noch eine gewisse Zeit in Ex-Bourbon-Fässern (es war wohl Wild Turkey, der zuvor in den Fässern lag). Eigentlich eine verständliche Sache, und es gibt diverse Liköre, die schon immer fassgereift werden, wie das Elixir d’Anvers, also ist die Idee nicht so dramatisch ungewöhnlich, wie sie zunächst klingen mag. Der Alkoholgehalt ist gleich geblieben, die 25% sind in Deutschland Standard. Für mich ist die Kombination Bourbon-Campari darüber hinaus auch eine ganz selbstverständliche, der Boulevardier ist einer meiner absoluten Lieblingsdrinks, wer ihn nicht kennt, sollte diese Lücke im Lebenslauf schnellstmöglich füllen. Vielleicht sogar mit einer Unze des Cask Tales? Nun, schauen wir mal, ob sich der ordentliche Aufpreis lohnt.

Campari Cask Tales

Das Rot ist natürlich eine der drastischen Eigenschaften dieses Bitterlikörs. Früher wurde es aus Karmin erzeugt, also Schildläusen; doch schon seit mehr als 15 Jahren ist dies durch einen künstlichen Farbstoff ersetzt, womit der nette Nebeneffekt eintritt, dass man auch als Vegetarier einen Negroni trinken kann, was vor 2006 nicht möglich gewesen wäre. Im Glas verhält der Cask Tales sich so, wie man es von einem Likör mit rund 260g/L Zucker erwartet, viskos und mit einer leicht rosafarbenen Einfärbung der Glaswand, wenn die dicken Schlieren sich bilden.

Ich tue mich schwer, hier den Geruch von Campari zu beschreiben, einfach weil er für mich so archetypisch ist – durch die lange Auseinandersetzung mit diesem Likör ist der Geruch für mich selbst zu einer Duftrichtung geworden, mit der ich andere Dinge beschreibe. Die Kräuterkombination, die eingesetzt wird, lässt schon die Nase vor der Süßbittere erzittern, die nachher den Gaumen erwartet; es wirkt in interessanter Weise gleichzeitig grasig, frisch und hat diese gewisse Kante, die ihn von anderen Amaros absetzt. Sehr angenehm dominiert dabei aber natürlich die Bitterorange mit dieser eckigen Zitrusnote. Leichte Fassreifungseffekte sind bereits erkennbar – ich erzähle dazu später, wenn ich den normalen Campari mit dem Cask Tales direkt vergleiche, mehr.

Campari Cask Tales Glas

Zunächst spürt man die schwere Süße, wenn man den Cask Tales trinkt, fast schon überwältigend – hart an der Grenze zur Pappigkeit, so ehrlich muss man sein, aber ohne sie dann wirklich zu überschreiten. Schnell kommt dann aber die heftige Bittere dazu, die mit der orangigen Zestigkeit und einem Anflug von ätherischen Ölen dagegen anspielt. Kräuter bilden die Basis, ich meine etwas Wermutkraut herauszuschmecken. Zusammen wirkt das ganze dann aber aus einem Guss, auch wenn man nicht von einem wirklich abgerundeten Bild sprechen kann – das ist aber auch nicht das Ziel eines solchen Bitterlikörs. Süßliche Vanille ist ganz dezent aus der Fassreifung eingeflossen. Der Abgang ist lang, bitter mit Erinnerungen an Radicchio und Espressobohnen, und belegt Mund, Rachen und Lippen für eine ganze Weile.


Egal, ob man sich für den klassischen Campari oder den Cask Tales entscheidet, das Zeug ist einfach geil und eine der zwei Spirituosen, die in meiner Heimbar nie ausgehen dürfen (die andere ist Chartreuse). Und wenn man die beiden dann zusammenbringt, bin ich im Cocktailnirvana. Vom Love and Murder könnte ich viel schwärmen, doch ich muss berücksichtigen, dass hier zwei Aroma- und Strukturbomben aufeinandertreffen, und die daraus folgende Gaumenexplosion ist dann nichts für zarte Gemüter. Balanciert ist dieser Cocktail ganz sicher nicht, aber schmecken tut er wie himmlischer Nektar.

Love and Murder Cocktail

Love and Murder
1oz / 30ml Campari
1oz / 30ml Chartreuse Verte
1oz / 30ml Limettensaft
¾oz / 23ml Zuckersirup
4 Tropfen Salzlösung
Auf Eis shaken.

[Rezept nach Nick Bennett]


Im Vergleich sieht man, wenn man genau hinschaut, dass der Cask Tales ein bisschen weniger rot ist, einen orangenen Ton angenommen hat, und dieser haftet dann auch etwas dichter an der Glaswand. Die Fassreifung hat etwas von der harten Kante, die der normale Campari hat, abgerieben, und ein paar Vanilletöne dazugefügt; so wird er in der Nase erkennbar weicher und sanfter, und hat sogar fast einen parfümigen Seitenaspekt bekommen. Das spürt man auch am Gaumen, der Cask Tales wirkt abgerundeter, milder, verliert auch hier etwas von der Strenge, die der ungereifte Likör hat. Das spielt sich alles im kleinen Rahmen ab, man erwarte also keine komplette Charakterveränderung – auch der Cask Tales ist und bleibt ein Campari, mit der typischen Bittere und Aromatik.

Persönlich würde ich sagen, dass sich für Campariliebhaber der Versuch ganz sicher lohnt, insbesondere, wenn man den italienischen Bitter gern pur auf Eis trinkt, oder einfach nur mit Sprudel zu einem Americano aufgießt. Hier zeigen sich die Veränderungen, die eine Fassreifung mit sich bringen, am besten. Wer Campari als Cocktailzutat sieht, muss wahrscheinlich nicht unbedingt den Wechsel vollziehen, außer, man verwendet Campari eh schon nur wiederwillig in Drinks: in dem Fall wäre die minimal weichere Art des Cask Tales vielleicht ein Gewinn. Ja, gewiss, ich kenne auch Menschen, die keinen Campari mögen – aber ich begreife sie nicht.

Bier am Freitag – Schneider Weisse LoveBeer

Eigentlich bespreche ich viel zu wenige Weizenbiere hier, im Vergleich dazu, wie gern ich die mag und wie oft ich die trinke, zumindest. Allerdings ist die Bandbreite an verschiedenen Marken bei mir eingeschränkt, ich habe ein paar Favoriten, die trinke ich sehr oft, und da dachte ich mir, das muss mal ausgeweitet werden mit weiteren klassischen Weissbieren, aber auch verrückten Varianten. Schneider Weisse ist ja bekannt dafür, experimentierfreudig zu sein, und das zeigen sie auch mit dem Schneider Weisse LoveBeer. Es ist in Zusammenarbeit mit der Neu-Volksmusik-Gruppe LaBrassBanda entstanden – ich kenne deren Musik nicht und habe auch wenig Spaß an diesem Musikstil im Allgemeinen, das soll mich aber nicht davon abhalten, das Bier zu probieren und mir die Melodien im Kopf dazu selbst auszudenken.

Schneider Weisse LoveBeer

Ein klassischer Weißbierlook begrüßt uns, safrangelbes, volltrübes Bier, weder filtriert noch pasteurisiert. Der Schaum ist etwas dünner als erwartet, doch immerhin dafür sehr feinblasig und ausdauernd, das kommt ab und zu einfach auch durchs Eingießen zu Unterschieden.

Nicht mehr ganz so klassisch ist die Nase, hier merkt man schon sehr deutlich die Aromahopfenbeigaben, Hallertauer Tradition und Herkules machen das LoveBeer zu keiner Hopfenbombe, verschieben die Aromatik aber schon erkennbar weg vom traditionellen Nelken- oder Bananeneindruck, hin zu fruchtigeren, herberen Tönen. Beerig und grasig wirkt es, mit Ansätzen von Sommerheu.

Das Mundgefühl ist wieder voll getroffen, weich und voll legt sich der Weizen an den Gaumen, kauig und trinkig zugleich, das ist einfach diese Textur, die ich an gut gemachten Hefeweizen so mag. Etwas Nelken scheinen noch durch, der Hopfen gibt einen Ticken, aber nur einen Ticken an zusätzlicher Bittere (20 IBU immerhin!), und sorgt für eine freche Abwechslung mit einer schönen Kante, die aber noch abgerundet ist, es besteht nie die Gefahr, hier ins ale-ige abzugleiten. Der Abgang ist mittellang, die Rezenz gut, im Nachklang wirken die heuigen Noten des Hopfen nochmal extra lang nach, das finde ich sehr apart.

Ein gelungener Twist auf das Weizen, wie man es in- und auswendig schon kennt. Diese Spur zusätzliche Herbe und leicht gewandelte Aromatik, ohne den Stil zu verletzen, ist wirklich gut gemacht. Auch wenn ich mit der Musik nichts anfangen kann, das Bier mag ich.