Bei vielen Produkten fragt man sich, woher der Name kommt. Oft sind es seltsame, marketinggetriebene Fantasienamen, die in möglichst vielen Sprachen genehm und politically correct ausgesprochen werden können sollen. Bei anderen Dingen liegt das Gute so nah, dass man fast daran zweifelt, wenn man die Auflösung bekommt – das ging mir so beim Bierstil des Märzen. Ja, es ist tatsächlich so einfach: Märzen heißt Märzen, weil es ursprünglich im März eingebraut wurde. Die ganze Geschichte hinter dem Märzenbier lässt sich bei Wikipedia nachlesen; hier die Kurzfassung: Märzen wird im Frühjahr, weil dort die natürlich niedrigen Temperaturen die untergärige Herstellungsweise befördern, als besonders starkes und haltbares Bier gebraut, dann kühl eingelagert als Notnagel für schlechte Zeiten.
Wir befinden uns gerade in der idealen Zeit, ein Märzen zu trinken, wenn man interessiert am authentisch-saisonalen Genuss ist – klassisch wurde es, wie gesagt, solange aufbewahrt, bis all die anderen, weniger lang haltbaren Biere weggetrunken waren, und dann ausgepackt, meist zum Ende des Sommers und Beginn des Herbsts (ich will hier aber nichts beschreien). Tatsächlich habe ich mir daher schon im Frühjahr 2016 eine der imposanten Großflaschen des BraufactuM Marzus Märzen aus einem der inzwischen breitflächig verfügbaren BraufactuM-Spezialkühlschränke gekauft, dunkel und kühl eingelagert, und nun zur Verkostung geöffnet.
Die gefärbte Flasche verbirgt es, im Glas wird es offensichtlich: man könnte das Marzus für ein Dunkelbier halten. Hennarot würde ich den Ton nennen. Die feine, stabile Schaumkrone, zu Beginn noch dick, bleibt lang als dünne Schicht erhalten,gespeist von einer kräftigen Perlage.
Die Nase wird ebenso betört wie das Auge: Süß und würzig, klar malzig, Anflüge von Röstkaffee, nur minimalste Fruchtanklänge. Das wird dann auch vom Gaumen bestätigt – das Marzus wirkt sehr süß und ist vom Malz dominiert, Röstmalz, um genau zu sein, auch der Kaffee taucht auf, aber nicht so präsent wie bei einem Stout, mehr als feines Komplement. Erfrischung ist kein Problem für dieses Märzenbier, die hohe Rezenz sorgt dafür, dabei bleibt es aber gleichzeitig wunderbar cremig und voluminös im Mund.
Im Abgang kommt eine leichte Trockenheit zum Vorschein, sowie die zurückhaltende, aber effektive Bitterkeit durch den Hopfen, der bei einem Märzen weniger der Aromatik als, ganz klassisch, der Haltbarkeit dient. Sehr lange bleiben Aromen am hinteren Gaumen zurück.
Der Lebenszyklus eines Märzen wird, wie eingangs gesagt, von der Kälte dominiert; man sollte das Marzus dennoch nicht zu kalt trinken, sonst entgehen einem ein Großteil der Aromen. Für mich persönlich ist es definitiv kein Kühlschrank-, sondern mehr ein Kellerbier (also im Sinne eines Biers, das man aus dem Keller holt, nicht eines Zwickels). Aber ich mag Bier grundsätzlich eigentlich am liebsten knapp unter zimmertemperiert.
Ein zweifelsfrei gutes, interessantes und lohnenswertes Bier – keine Sensation allerdings (man wird als Vielbierverkoster schon irgendwie frech anspruchsvoll), und vielleicht etwas zu teuer für das Gebotene: Für die geforderten 6€ kriegt man schon 2 Liter des Weltenburger Barock Dunkel, das, obwohl es kein Märzen ist, sehr ähnliche Charakteristika aufweist, dabei vielleicht noch einen Tick runder und delikater ist.
Trotz dieser leisen Kritik ist das BraufactuM Marzus natürlich auch eine wunderbare, wenn auch etwas exklusive Cocktailzutat. Doch warum sollen wir bei der Mixologie sparen, wo es auf die Qualität der einzelnen Zutaten ankommt? Ich hatte oft angepriesen, wie gut Whiskey und Bier zusammenpassen, der Kingston 52 ist der Beweis dafür, dass auch Rum und Bier beste Kumpels sein können. Wenn man genau hinschaut, sieht man auf dem Foto des Cocktails die gefloatete dünne Schicht, die dem Drink eine interessante, separate Note verleiht.
Kingston 52
1½ oz Dunkler Rum (z.B. Zacapa 23)
¾ oz Zitronensaft
½ oz Ingwersirup
¼ oz Honigsirup
1½ oz Dunkles Bier (z.B. BraufactuM Marzus)
Alle Zutaten auf Eis shaken und am Ende…
1/8 oz Jamaica-Rum (z.B. Hampden Estate Gold)
…auf die Mixtur floaten.
[Rezept nach Brandon Ristaino]
Vom Innenleben zum Außenrum: Neben dem ungewöhnlichen Format von 650ml bietet das Marzus das gewohnte BraufactuM-Flaschen- und Etikettendesign im Briefmarkenstil. Auch wie üblich lobenswert sind viele Informationen zum Bier, wie dass Herkules-Hopfen verwendet wurde, und 50% Karamellmalz. Über das „einmalige Maischverfahren“ hätte ich gern noch mehr erfahren, ein Bierflaschenetikett ist aber vielleicht nicht der richtige Platz für derartige Details. Mit 5,5% Alkohol kann man auch die ganze Flasche in einer Session aufbrauchen, und sich dabei in der Hitze des Spätsommers bierselig an den frischen Frühling erinnern, in dem das Bier in weiser Voraussicht für genau solche Situationen hergestellt wurde.