Wer mich kennt, weiß, dass ich gern Bier trinke. Wer mich näher kennt, weiß, dass ich praktisch jeden Bierstil gern mag, bis auf einen: Das Bier nach Pilsner Brauart. Zu meinem Unglück lebe ich dann auch noch in einem Bundesland, das dermaßen auf Pils getrimmt ist, dass andere Bierstile kaum eine Chance haben – selbst das sonst überall beliebte Hefeweizen muss hart ums Überleben kämpfen gegen die saarländische Karlsberg-Urpils-Monopolgewalt. Wer hier in Saarbrücken ein „Bier“ bestellt, bekommt automatisch ein Urpils vorgesetzt; wer fragt: „Was haben Sie denn sonst so für Biersorten?“ bekommt Blicke zwischen ungläubig, unwissend und unwirsch zurück. Zum Glück lebe ich nicht in Zeiten, in denen man dieses örtliche Grauen tatsächlich trinken muss, sondern vernünftiges Bier online bestellen kann, denn lokale Getränkemärkte hier im Saarland sind kein gutes Pflaster für Nonkonformisten.
Man sieht, ich bin kein Pilsfreund. Nun muss ich mir aber die Frage gefallen lassen – warum eigentlich? Liegt es am Bierstil, an der Aromatik? Oder ist es vielleicht einfach so, dass ich das spezielle Pils hier vor Ort einfach nicht ausstehen kann? Dann wäre ich ja kein Pilshasser, sondern einfach nur ein Urpilshasser! Mit letzterem könnte ich deutlich besser leben als mit ersterem. Daher habe ich mir zum Selbsttest einige Nichtindustrie-Pilsener zugelegt, mit denen ich hoffe, diese Frage zu klären. Das erste auf der Bucket-Pilsliste ist das Dresdener Vier Vogel Pils.
Bei mir braucht kein Pils 7 Minuten, bis es fertig im Glas ist. Während andere warten, kann ich schonmal die blasse, naturtrübe Farbe begutachten, mit dem beinahe leichten Grünstich – das ist schonmal besonders. Kräftiger Schaum und starke und lang anhaltende Perlage erwarte ich mir von einem Pils, und bekomme ich hier auch.
Damit hat es sich aber auch schon mit den Ähnlichkeiten zu den Industriepilsnern, die ich bisher kannte. Ich rieche Hefe, Grapefruit, ein ungewohnt aromatisch Bild für ein Pils – sehr ansprechend; mir wird immer klarer, dass ich vielleicht bisher einfach nur die falschen Pilsner getrunken hatte. Eine leichte Plastikfehlnote ist ein kleiner Wermutstropfen im ansonsten runden Geruchsprofil.
Der Bierstil bringt es mit sich, dass mehr Wert auf Frische und Klarheit gelegt wird als auf ausgefallene Aromatik. Das Vier Vogel Pils ist deutlich säuerlich und leicht fruchtig mit Zitronenanklängen. Besonders gefällt mir der Rülpsfaktor: dieses Bier ist sehr rezent mit ausgesprochen viel Kohlensäure, und deswegen, wenn gut gekühlt, herrlich erfrischend. Insgesamt wirkt es trotz 5,0% leicht und unbeschwert, eventuell auch dank der punktgenauen Bittere bei 25 IBU.
Dann kommt auch schon der mittellange Abgang, bei dem sich die Bittere weiter ausprägt. Doch bis zum Schluss bleiben auch zitronige Noten am Gaumen. Ehrlich gesagt – ich bin äußerst positiv überrascht und sehe Pils nun erstmal mit anderen Augen. Das leichte Vier Vogel Pils ist dennoch ein Grenzgänger, was Pils angeht – es touchiert sensorisch fast schon ein Pale Ale, aber auch eine Weiße, von der Säuerlichkeit her. Sehr spannend und faszinierend: Werde ich öfters trinken.
Auch in Cocktails macht das Bier einen guten Eindruck. Einerseits ist es nicht aromatisch überwältigend und lässt dezenten Zutaten wie Tequila auch eine Chance, andererseits ist es von seiner Frische und Kohlensäurehaltigkeit ideal geeignet, um einen säuerlich-sprudeligen Bums in einen Cocktail zu bringen. El Romero, der seinen Namen nicht vom Zombiefilmregisseur, sondern vom spanischen Namen des Rosmarins herleitet, ist ein Beweis dafür.
El Romero
1 oz Tequila Reposado (z.B. Sparkle Donkey Reposado)
½ oz Zitronensaft
½ oz Rosmarin-Sirup
3 Tropfen Habanero-Tinktur*
2 Spritzer The Bitter Truth Celery Bitters
1 Prise Salz
…alles shaken, dann ordentlich aufgießen mit…
Pils (z.B. Vier Vogel Pils)
…und garnieren mit einem Rosmarinzweig.
[Rezept leicht adaptiert nach Solomon Siegel]
Neben dem Inhalt gefällt mir auch die Aufmachung der Standard-Longneckflasche: Das Etikett sehr spartanisch, aber gelungen, mit der auf alt getrimmten Illustration, die aus einem alten Ornithologiebestimmungsbuch zu kommen scheint, dazu die „vier Vögel“ (die Portraits der Braumeister) als Zeichnungen. Auch auf der Rückseite findet sich sehr wenig Text, eine kurze Zutatenliste, dazu das Leitmotto des Herstellers, „con mucho cariño“, das auf die Entstehungsgeschichte und die Bieridee in Kolumbien hinweist (nachzulesen auf der Homepage des Herstellers). Auf die dämlichen „Heute schon gevogelt?“- und „Hossa“-Sprüche könnte ich allerdings verzichten; das ist schon etwas spätpubertär. Dies scheint aber nicht auf allen Flaschen abgedruckt zu sein.
Man bekommt mit dem Vier Vogel Pils ein Bier, das sich doch deutlich von den großen Industriepilsnern absetzt, und zwar im Positiven. Ab sofort braucht man mir mit dem bereits angesprochenen Urpils nicht mehr zu kommen, ebensowenig mit den Neutralbieren von Warsteiner oder Bitburger, gleichzeitig muss ich aber nicht mehr auf den Bierstil per se verzichten. Ich bin nun noch mehr gespannt auf die anderen Pilsner, die ich schon im Regal vorkühle.
Gib dir Fiege Pilsbock!
Ist notiert auf meiner Bierwunschliste! :-)
oder das Rittmayers Bitter 42.
Auch das notiere ich mir gern! Vielen Dank für die Tips!
Sehen wir genau so .uns von http://www.sachsentestet.de hats ebenfalls geschmeckt ! :-)
Von Freude Just Pils ist der Hinsicht für mich gerade sehr erfreulich. Schöne Gras- und Heunoten.
Auch das ist nun auf der Pils-To-Do-Liste! Danke für die Tips weiterhin!