Ich will es nicht ruhen lassen, das Thema „Pils“. Der wahrscheinlich beliebteste Bierstil Deutschlands, der von sehr vielen Konsumenten dazu noch als Synonym zu Bier gesehen wird, hat mir immer schon Sorgen bereitet. Zu langweilig, zu bitter, zu aromenlos – von allen Biersorten fand ich persönlich das Pilsner als Bier, wie es nicht sein soll, ein reiner Durstlöscher, ohne Spannung. Entsprechend habe ich über das Pils an sich immer schlimm hergezogen. Dabei kannte ich, so ehrlich muss ich dann sein, praktisch nur die Fernsehpilsner, industriegetrimmt, vereinheitlicht, auf den kleinsten gemeinsamen Nenner aller Biertrinker Deutschlands gebracht und damit verflacht. Irgendwann musste selbst ich erkennen, dass ich dem Bierstil mit meiner starken Meinung, entstanden aus nur begrenztem Wissen, Unrecht tue. Und so habe ich mich auf eine Pilsreise begeben, abseits eben der großen Fernsehbiere. Mein erstes Erfolgserlebnis hatte ich dann mit dem Vier Vogel Pils – das spornte mich an, mehr von dieser Welt kennenzulernen.
Und so stehe ich heute hier und präsentiere weitere, tapsige Schritte auf meinem Weg, dem Pils endlich die Ehre zukommen zu lassen, die es eigentlich verdient. Unterstützt werde ich dabei von drei Pilsnern, wie sie unterschiedlich kaum sein könnten: dem Mashsee Beverly Pils aus Hannover, Welde Pepper Pils aus Baden und Rittmayer Bitter 42 aus Franken.
Fangen wir einfach mal im Norden an, mit dem Mashsee Beverly Pils. Der Name ist ein Beispiel dafür, wie verspielt die modernen Craftbrauer mit ihren Produkten umgehen – kaum vorstellbar, dass ein solcher Biername auf dem Etikett einer traditionellen Brauerei erschiene. Mir geht das stellenweise aber schon etwas zu weit, solche Gags nutzen sich recht schnell ab. Die Erfahrung im Bekanntenkreis zeigt auch, dass Biere mit so „lustigen“ Namen nicht wirklich ernst genommen werden. Also Vorsicht damit!
Die Pilsner aus der Industrie sind meist filtriert und strahleklar. Das Beverly Pils sieht schonmal ganz anders aus – helles Gelbgold, naturtrüb, feinster, wolkiger Schaum, gespeist aus regelmäßige Perlage. Auch der Geruch überrascht den Fernsehbiertrinker – extrem fruchtig. Orange, Himbeeren, Kirschen, Bananen, Grapefruit. So eine Kalthopfung macht halt aus jedem Bierstil einen Obstkorb. Höchstattraktiv und gefällt mir außerordentlich – schöner als so manches Pale Ale oder IPA.
Die Bierstile gehen heutzutage immer mehr ineinander über und verschwimmen. Die klassische, strenge Ausprägung ist oft vom Industriestandard geprägt, und davon wollen die modernen Brauer eben weg. Daher muss man sich daran gewöhnen, dass auch ein Pils mal im Antrunk sehr fruchtig nach Orange, leicht grapefruitbitter und insgesamt etwas süßer und weicher als gewohnt daherkommt. Erst im Abgang merkt man Pilscharakter, dann aber so richtig mit Wumms: Trocken, herb, bitter, dabei aromatisch dann stark zurückgenommen. Der Bitterhopfeneffekt ist es, der hier das Kommando übernimmt. So entdecken wir dann doch noch das Pils im Beverly Pils. Mit 4,7% und 30 IBU fallen wir rein zahlenmäßig nicht aus dem Rahmen. Wirklich interessant, und dieses Pils könnte für so manchen Pilsfanatiker ein Aha-Erlebnis sein, da bin ich mir sicher.
Wir machen einen Sprung nach Südwestdeutschland, nach Baden. Das dort beheimatete Welde Braukunstkeller Pepper Pils wird bei Reinheitsgebotsfanatikern für Zähneknirschen sorgen, denn es hält sich nicht daran. Statt dessen propagiert es auf dem Etikett eine andere Form der Bierregel: „Das Natürlichkeitsgebot von 2016 umfassst alle natürlichen und weitestgehend unbehandelten pflanzlichen Lebensmittel.“ Die Abgrenzung zum industriefreundlichen RHG, das alles mögliche an Chemie erlaubt, solange es nachher im Bier nicht nachweisbar ist, ist deutlich. Schmeckt man den eingesetzten, titelgebenden, nachhaltig angebauten und fair gehandeltem rosa Pfeffer? Ist das so dann noch ein Pils?
Die Farbe ist erstmal sehr dunkel für ein Pils. Dazu naturtrüb. Kräftige Perlage. Dünner, aber feiner Schaum. Der Geruch ist frisch und luftig, fruchtig nach Banane, Mango, Litschi, aber auch nach Heu und Kräuterwiese. Hefe. Und ein Touch von Linseneintopf, so blöd es sich anhört. Geschmacklich kommt dann das Fruchtige nicht mehr ganz so zum tragen, sondern eine sehr blumig-kräuterige Komponente, die wahrscheinlich durch den rosa Pfeffer entsteht. Veilchen und Jasmin, sehr ungewohnt, aber auch höchstattraktiv. Dazu eine knackige Zitronensäure mit hohem Erfrischungsfaktor. Eine Grundwürze ist da, aber ich würde es keinesfalls „pfeffrig“ nennen, wie es der Hersteller auf dem Vorderetikett tut. Ein leicht schales Mundgefühl ist schon das Negativste, was ich finden kann.
Im Abgang ist das Pepper Pils zitronig-sauer, sauber, bitter und edelherb: Schön eingestellt, und dann doch pilstypisch. Eine feine Trockenheit bleibt noch eine ganze Weile, wie auch die Kräuteraromen. Ein ordentlicher Rülpsfaktor selbst nach kleinen Schlucken zeigt, dass hier ordentlich Kohlensäure eingesetzt ist. 4,8% Alkohol finden wir vor. Ah, und ich habe dem Pfeffer unrecht getan – ganz am Ende liegt doch etwas feines, hauchiges Kribbeln auf der Zunge. Sehr ansprechend: Ein Spitzenbier, sicherlich eins der interessantesten und angenehmsten, die ich bisher getrunken habe. Applaus!
Als letzte Station dieser Pilsreise machen wir in der Nähe von Nürnberg halt, wo das Rittmayer Bitter 42 hergestellt wird. Von den drei vorgestellten Bieren weist es das pilstypischste Aussehen auf: Nur minimale Trübung, blasses Gold. Sehr feiner Schaum, ebenso ausdauernd wie die starke Perlage.
Bitterhopfen dominiert die Nase. Sehr angenehme, herbe Würze; ansonsten recht zurückhaltend. Im Mund dann eine kräftige Bittere, ohne aber in Extreme auszuschlagen (die namensgebenden 42 IBU sind dennoch schon ordentlich). Sehr klares, kantiges Geschmacksbild. Kaum Frucht oder sonstige sortenuntypischen Einschläge – wer sich immer darüber beschwert, dass modernes Bier nicht mehr nach Bier schmeckt, wird hier fündig. Das ist archetypischer Pilsgeschmack. Am Gaumen sind minimalste Fruchtaromen, aber nur so dezent, dass sie das Gesamtbild unterstützen, es nicht prägen. Sehr süffig und erfrischend bei 5,5% Alkohol.
Das Rittmayer Bitter 42 weist zum Schluss noch einen kurzen, sauberen Abgang ohne Reste oder Effekte auf. Trocken und mit erkennbarer Adstringenz. Sicherlich mit weitem Abstand das pilsigste Pils dieser Verkostungsreihe. Das ist ein perfekter Durstlöscher, von dem man gern mehr als ein Gläschen wegziehen will – und das sage ich, als ausgewiesener Pilsverächter. Naja, Ex-Pilsverächter, muss in nun sagen: Ich habe meine Meinung zu diesem Bierstil überdacht.
Für Cocktails passte ein Pils aber für mich schon immer ideal – genau das, was ich sonst am Pils ablehnte, macht es ideal als Cocktailzutat – oder als Filler in einem Longdrink. Beim Sexy Tequila Beer haben wir eine Mischform: es handelt sich praktisch um einen fertigen Cocktail, der dann aber noch mit Bier aufgegossen wird. „Aufgießen“ ist dabei immer nicht ganz wörtlich zu nehmen, wenn man ein Halbliterglas dafür hernimmt, bleibt vom Tequila geschmacklich nicht viel übrig. Daher empfehle ich hier ein 1:1-Verhältnis aus Cocktailbasis und Bier. Das ist dann im Ergebnis gar kein Vergleich zu den industriellen Mixgetränken wie Desperados.
Sexy Tequila Beer
1 oz Tequila Blanco (z.B. Olmeca Altos Plata)
1 oz Orangensaft
1 oz Limettensaft
½ oz Orangenlikör (z.B. Grand Marnier Cordon Jaune)
1 TL Agavendicksaft
Auf Eis shaken, dann aufgießen mit…
hellem Bier (z.B. Rittmayer Bitter 42)
In einem Glas mit gemischter Zucker-Salz-Kruste servieren.
[Rezept nach unbekannt]
„Die endgültige Antwort auf die Frage nach dem wahren Pils“ steht selbstbewusst auf dem Etikett des Rittmayerschen Pilses. Natürlich muss man hier abwägen, was man von einem Pils erwartet, um die Frage für sich persönlich zu beantworten – wer es gern traditionell, klassisch, stiltypisch und unaufgeregt hat, für den ist das Rittmayer Bitter 42 das richtige. Wer eigentlich eh lieber ein Pale Ale statt einem Pils trinkt, greift zum Mashsee Beverly Pils. Und wer experimentierfreudig ist, und sich bei jedem Schluck überraschen lassen möchte, ist beim Pepper Pils am besten aufgehoben.
Für jeden etwas – die moderne Craft-Pilswelt ist eine vielgestaltige, spannende, die sehr deutlich aufzeigt, wie sehr vereinheitlicht dieser Stil durch die Bierindustrie inzwischen leider wurde. Wer sich dann abseits der Fernsehpilsner umschaut, findet viele unterschiedliche Interpretationen, bei denen Pilsfreunde viel erleben können, ohne ihren Lieblingsstil verlassen zu müssen. Wer da immer nur bei seinem Industriepils bleibt, verpasst sehr viel.
Ein Kommentar zu “Raus aus dem Pilseinerlei – Mashsee Beverly Pils, Welde Pepper Pils und Rittmayer Bitter 42”