Pur kann man das eh nicht trinken – Das bedauernswerte Schicksal der Mischzutat

Rum hat einen Minderwertigkeitskomplex. Obwohl Rum eine der verbreitetsten und beliebtesten Spirituosengattungen ist, und kaum ein anderer Schnaps so gern in Cocktails und Longdrinks verwendet wird, ist Rum doch gleichzeitig auch etwas, das zumindest in Deutschland den Ruf hat, nicht pur getrunken werden zu können.

In diesem Zuge möchte ich nicht auf die erstklassigen, hocharomatischen Rumkönige hinweisen (ob nun künstlich gesüßt oder nicht), sondern auf die bemitleidenswerte, immer im Schatten stehende Gruppe der sogenannten Mixer, also der Rums, die man eigentlich nur in Mischgetränken runterkriegt, und die scheinbar für genau den oben angesprochenen schlechten Ruf des Rums verantwortlich sind. Angeblich.

Schauen wir uns mal, um einen Eindruck aus dem echten Leben zu gewinnen, ein paar der Rückseitenetiketten von Rumflaschen an – ich habe absichtlich Beispiele von Rums ausgesucht, die nicht No-name-Produkte aus dem Discounter sind, sondern teilweise „große Namen“ tragen oder traditionsreiche Marken darstellen, und die geschmacklich durchaus auch pur zu überzeugen wissen.

Der noch beste Fall ist, wenn die Konsumhinweise wenigstens die Möglichkeit einräumen, dass man Rum auch pur trinken kann. Manchem Rumverschnittgeschädigten muss man das wahrscheinlich tatsächlich sagen. Doch schon schnell folgt die erste Einschränkung, wie auf dem Etikett zu Bacardis sehr gutem Ron 8 Años zu lesen ist: „für den puren Genuss auf Eis“. Man soll also die Geschmacksstoffe mit Eis abtöten, um nicht zu viele davon abzukriegen. Kein Zeichen von großem Vertrauen ins eigene Produkt. Direkt anschließend noch der Hinweis, dass auch Cocktails und Longdrinks mit diesem Rum herstellbar sind. Nett! Fehlt noch der Hinweis, dass man es zum Gurgeln oder für die Scheibenwischanlage im Auto benutzen kann.

bacardi-mix

Wie gesagt, das ist noch ein sehr selbstbewusstes Etikett. Manche Spirituosen werden aber scheinbar schon dazu geschaffen, ihr Leben als Mischzutat zu fristen. Captain Morgan White Rum beispielsweise pur zu trinken, wird vom Hersteller selbst   nicht empfohlen – „serve with Cola or in Mojitos“. Da stellt sich die Frage, warum das Produkt überhaupt pur angeboten wird, und nicht schon direkt als Cola-Premix.

captainmorgan-mix

Oft sind ähnliche Aussagen nicht dermaßen klar formuliert, sondern in Sätzen und Hinweisen verklausuliert. „…the rum that makes a good drink even better“ schreibt beispielsweise der Hersteller von Old Pascas Ron Negro auf das Label. Prominent sind Cocktailbilder platziert, und Rezepte für ein paar der üblichen Verdächtigen des Rumcocktails. Auch hier traut man sich wohl kaum, dem Trinker einen Purgenuss nahezulegen.

oldpascas-mix

Die Höchststrafe erfahren manche Rums, wenn sie nichtmal mehr zu Cocktails empfohlen, sondern implizit zur Kochzutat degradiert werden. Der Rhum Negrita wirbt mit hübschem Baba au rhum und Waffeln – da fragt man sich als Käufer, warum die Flasche überhaupt im Spirituosenregal steht und nicht bei den Backzutaten, neben Puderzucker, Blockschokolade und dem Rumaroma in kleinen Röhrchen. Manch ein angehender Rumfreund wird dadurch auch abgeschreckt, denn man will ja schließlich vernünftigen Qualitätsrum kaufen, und keinen, der offensichtlich selbst vom Hersteller nur zum Kochen angepriesen wird.

negrita-mix

Dass es auch anders geht, und man selbstbewusst mit dem eigenen Produkt umgehen kann, sieht man am Etikett des Ron Arecha.  „Pur oder handwarm im Schwenker“ – abgesehen von dieser etwas seltsamen Unterscheidung wird hier zumindest klar gemacht, welchen Anspruch man hat. Über den Einsatz mit Eis, in Cocktails oder als Backzutat kann man ja dennoch selbst entscheiden, auch ohne Hinweis darauf.

arecha-pur

Warum wird gerade bei Rum eine so schlechte Meinung schon vom Hersteller aus propagiert? Ist es wirklich so, dass man manche Rums nicht pur trinken kann? Wenn das der Fall ist, wäre das ein Armutszeugnis für die Branche. Die Hersteller würden dann ja absichtlich ungenießbare, unfertige Produkte auf den Markt bringen und das sogar so aufs Etikett schreiben – etwas, zu dem sich kein Scotch- oder Weinproduzent erniedrigen würde. Gewiss gibt es in allen Spirituosengattungen Abstufungen, inwieweit der Purgenuss wirklich ein „Genuss“ ist, wenn man manche Sorten trinkt, doch letztlich sollte ein Destillat immer für sich stehen können, wenn auch vielleicht auf wackligen Beinen: Selbst gruslig schlechte Tequila-Mixtos werden zum Purgenuss (mich schüttelt es!) beworben.

Darüber hinaus ist die Klassifikation einer Spirituose als Mixer letztlich auch ein klares Abwertungsverhalten gegenüber der Misch- und Barkultur (oft genug von den Bewohnern und Führern dieses Paralleluniversums selbst!), das wir Genießer nicht zulassen sollten. Entweder die Spirituose ist gut, dann kann man sie pur trinken und als Mixer einsetzen, oder sie ist schlecht, dann taugt sie weder für das eine noch das andere. Eine Spirituose, die ich pur nicht trinken würde, kommt mir auch in keinen Cocktail – mir ist der Gedanke fremd, dass selbst eine geschmacklich furchtbare Spirituose immer noch gut genug sein soll für die „Panscherei“ in einem Mixgetränk, weil dort ja die Mängel vermeintlich durch andere Zutaten ausgeglichen werden können. Das ist nach meiner Erfahrung einfach nicht der Fall: Sierra Tequila verlahmt jede Margarita, Rumverschnitt jeden Daiquiri, Gorbatschow jeden Cosmopolitan.

In diesem Sinne: Probiert einfach mal, ob die verächtlich vom Bartender oder vorverurteilend vom Hersteller als Mixer deklarierte Spirituose wirklich pur so schlecht schmeckt, dass man sie nicht in einem Nosingglas schlürfen könnte, und bildet Euch Eure eigene Meinung über diese Pariahs der Barkultur. Manchmal wundert man sich, wie man lange so blind den Vorurteilen von Schnapssnobs oder den dümmlichen Ratschlägen auf Etiketten folgen konnte, wenn man dadurch einen eigentlich ganz leckeren Rum findet…

Veröffentlicht von schlimmerdurst

Hüte dich vor denen, die nur Wasser trinken und sich am nächsten Tag daran erinnern, was die anderen am Abend zuvor gesagt haben.

8 Kommentare zu „Pur kann man das eh nicht trinken – Das bedauernswerte Schicksal der Mischzutat

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