Manche Länder sind untrennbar mit in ihnen hergestellten Produkten verbunden. Deutschland ist das Autoland, Frankreich die Heimat des Croissants. Persönlich ist Italien für mich das Land der Salami, und China das des Tees. Barbados ist diesbezüglich als Geburtsstätte des Rums mit dieser Spirituose auf Gedeih und Verderb verknüpft. Viele sehr hochwertige Rums stammen noch heute von dort, und mir ist bajanischer Rum (das ist eine umgangssprachliche Verkürzung für „aus Barbados stammend“) besonders sympathisch, denn dort ist die Manipulation des Destillats offiziell verboten. Rum aus Barbados ist also etwas Besonderes in der Spirituosenwelt, und wurde daher durchaus zu Recht von Gaby Baginsky in den 80ern besungen.
Schlagertexte sind ja notorisch simpel, doch konzentriert sich in ihnen manchmal eine tiefe Wahrheit.
Er sagte mir: „Ich trink ihn nie mehr pur,
ich kann ihn schon verkraften, aber nur
mit Cola und mit Eis.“
Meint Gaby damit, dass der Rum so stark ist, dass man ihn besser verdünnt? Oder dass er so grausig schmeckt, dass man ihn besser übertüncht? Gewichtige Fragen wirft so ein einfacher Songtext auf, und um herauszufinden, welche Interpretation die gültige ist, greife ich mir einen Rum aus Barbados aus dem Spirituosenregal, einen, den man in fast jedem Supermarkt für unter 10€ bekommen kann: Den Old Pascas Barbados White Rum.
Bei der Farbe gibt es keine Überraschungen: klar, mit langen Beinen im Glas, fast dickflüssig. Geruchlich erkenne ich diese typische Lakritznote, die weißer Rum oft hat. Der Old Pascas White erinnert auch etwas an aromatischen Vodka in seiner leicht rauchigen Speckigkeit; dazu Diesel und Lack. Nicht wirklich sehr ansprechend.
Der Geschmack ist zunächst sehr süß, aber vergleichsweise neutral. Leichte Lakritze, etwas Speck, sehr ähnlich wie das, was man gerochen hat; keinerlei Komplexität, alles bleibt an der Oberfläche. Nach einigen Sekunden kommt etwas Feuer auf, eigentlich mehr ein leises Kokeln. Selbst die Alkoholnote ist enttäuschend schwach und langweilig. Der Abgang ist sehr kurz, trocken, hinterlässt eine leichte Bitterkeit auf der Zunge und am Gaumen.
Insgesamt erinnert mich dieser Rum sehr an einfachen polnischen Vodka; in einer Blindverkostung würde ich ihn wahrscheinlich auch für Vodka halten. Nichts von dem, was ich an Rum im Vergleich zu Vodka so schätze, ist vorhanden; die Aromalosigkeit fast schon trist. Da ich mich dagegen sträube, Spirituosen, die ich nicht auch pur trinken würde, in einem Cocktail zu verwenden, ist dieser weiße Bajaner für mich leider ein Komplettausfall.
Die Aräometermessung ergab temperaturkorrigiert 37,4%, das bedeutet, dass dieser Rum immerhin ungesüßt ist. Letztlich sind knapp 38% aber immer noch recht schwach für einen Rum und deutet auf Massenproduktion hin. Daher: wenn es unbedingt billig sein muss, würde ich in dieser Preisklasse dann eher zum nicht arg viel, aber doch erkennbar besseren Captain Morgan White, oder vielleicht direkt zum dreijährigen Havana Club, raten.
Sehr gefällt mir aber das Flaschendesign des Old-Pascas-Sortiments, das vor einer Weile ein Facelift erfahren hatte, und nun mit einer tollen, schwungvollen, mit schönen Details versehenen Flasche punkten kann, und dazu mit einem sehr hübsch anzusehenden Etikett.
Verkauft wird dieser Rum natürlich als reiner Mixer. Meine Meinung dazu habe ich schon kundgetan; doch anstatt den Inhalt der Flasche wegzuschütten, brauche ich ihn dann halt in Cocktails, die Rum nur als Alkoholträger einsetzen, Stück für Stück auf. Im Aku Aku beispielsweise ist die Fruchtkomponente eh überwältigend, da passt der Old Pascas Barbados White Rum gut rein. Besonders spektakulär kommt dieser klassische Trader-Vic-Tiki-Cocktail natürlich rüber, wenn man ihn in einer ausgehöhlten, gefrosteten Babyananas serviert, deren Innenleben man auch direkt für den Cocktail einsetzen kann.
Aku Aku
1 oz Old Pascas Barbados White Rum
½ oz Pfirsichlikör
½ oz Zuckersirup
2 oz Ananasstücke
10 Blätter Minze
Alle Zutaten mit dem Pürierstab blenden
Durchaus spannend, dass dieser klare, ungereifte Verwandte des von mir durchaus geschätzten Old Pascas Ron Negro an diesen so überhaupt nicht heranreichen kann. Das liegt aber nicht an der Gattung „weißer Rum“ per se – da gibt es schon außergewöhnlich leckere Verteter, wie den Brugal Titanium oder den El Dorado 3 Jahre, von höchstköstlichem weißem rhum agricole wie dem La Mauny oder Dillon, oder dem jamaikanischen Aromenmonster Wray & Nephew, brauchen wir da gar nicht erst anzufangen.
Wie schon eingangs erwähnt, Barbados bietet viele Exportschlager in Sachen Rum. Leider gehört der Old Pascas Barbados White Rum nicht dazu.
Ich war mal bei einem Chilenen zu Saufen eingeladen. Es gab klaren Sprit, Rum. Dazu genug Zucker, Eis und Limonen. Ohne alles Cocktail-Getue oder Caipi-Schnickschnack. Beeindruckend in der Wirkung mit erstaunlich wenig Kater am nächsten Tag. Schnapskultur halt, ungewohnt aber angenehm.
Ein bemerkenswerter Vollsuff wurde mir von diesem Destillat zuteil. Ihn in einem Satz mit Havana Club zu erwähnen, ist aber recht optimistisch. Ich würde ihn zwischen tschechischem Absinth und Nagellackentferner verorten.