Feines von der Insel über dem Winde – La Mauny Rhum Agricole 50%

Es gibt Dinge, die mögen wir nicht von Anfang an. Der erste Biss in eine Lakritzschnecke sorgt dafür, dass viele das schwarze Gummi nie wieder im Leben anrühren. Oliven sind bitter und ich kenne viele, die das Gesicht verziehen, wenn sie sie im Salat entdecken. Blauschimmelkäse ist so aromatisch, dass der eine oder andere nicht damit umgehen kann oder will. Austern, mit ihrer halbflüssigen Konsistenz und ihrem salzigen Geschmack, hasst man oder liebt man.

Allen solchen Dingen muss man eine zweite, manchmal vielleicht sogar eine dritte, vierte oder fünfte Chance geben, bis der eigene Gaumen sich vom ersten Ablehnen weg hin zur neuen Aromatik umgewöhnen kann. Es ist für mich immer wieder verblüffend, wenn ich zum Beispiel bei der Fernsehshow „Das perfekte Dinner“ höre, was die Leute so alles nicht essen. Fisch (außer, er schmeckt nicht so stark nach „Fisch“), Meeresfrüchte, Spargel, rote Beete, Rosenkohl, Wild. Und das schlimmste: sie wollen es oft nicht mal probieren. Viele Menschen verbauen sich eine ganz neue Geschmackswelt nur aufgrund dessen, dass ihnen vor Urzeiten der erste Versuch missfallen hat. Man kann es sich einfach machen, und Speisen oder Getränke ablehnen, weil sie nicht in das kindliche Schema süß-dezent-gewohnt passen. Doch mit nur ein bisschen mehr Experimentierfreude kann man sich weiterentwickeln und sich diese Welten erschließen.

Maison La Mauny Rhum Blanc Agricole 50°

Rhums agricoles, wie der La Mauny Rhum Agricole 50% von der Insel Martinique, sind auch so ein angewöhnter Geschmack, zumindest war es so für mich. Man mag sie im Allgemeinen erstmal nicht zu Beginn. Im Vergleich zu den massenkompatiblen, nichtssagenden nachgesüßten Zuckerrums sind sie kantig, spitzig und unbequem – und hochinteressant, spannend, ungewöhnlich. Wer sie einmal kennen gelernt hat, hat sie lieben gelernt: Sie sind die wahren Könige der Rumwelt.

Ich erkenne Lakritz und grünes Gras, vergorene Ananas (das kenne ich vom hausgemachten Tepache), viel Frucht, der Rum ist aber dennoch schön süß und fein. Der Alkohol versteckt sich nicht, was er in guten Spirituosen aber auch nicht tun muss, nur in Fusel. Höchstaromatisch und kraftvoll, Zitrusfrucht, Litschis und reife Bananen. Ein einmaliger Geschmack, natürlich erinnernd an seinen brasilianischen Verwandten, den Cachaça, aber noch aromatischer und fruchtiger. Eisen, Anis, Pfirsich. Das Spektrum scheint unendlich. Jeder Schluck weckt neue Assoziationen. Bei 50% darf man schon einen Tropfen Wasser oder zwei dazutun, dadurch kommt die dunklere, esterige Note, die man von Jamaica-Rum kennt, dazu, und Pfeffer und Minze. Ich werde sprachlos bei dieser unglaublichen Vielfalt.

Maison La Mauny Rhum Blanc Agricole 50° Glas

Im Gegensatz zu einem anderen weißen rhum agricole, den ich im Regal stehen habe, dem Dillon 43%, ist der La Mauny trotz seiner erhöhten Stärke sehr mild. Diesen Rum gibt es in 70cl auch mit niedrigerer Prozentzahl, wie bei fast allen Antillen-Rhums, doch ich empfehle ganz klar, die Flasche mit höherer Prozentzahl zu wählen. Alkohol ist Geschmacksträger, und verdünnen kann man immer noch selbst.

Das perfekte Cocktailrezept für diesen Rum wird praktischerweise schon auf der Flasche mitgeliefert. Das martiniquanische Nationalgetränk ist der Ti’Punch (abgeleitet von petit punch, dem „kleinen“ Punch also) – ich habe es minimal modifiziert. Ich mag diesen Drink gern ohne Eis; in der Sommerhitze oder in der Karibik trinkt man ihn vielleicht lieber mit einem dicken Eiswürfel. Es passiert mir selten: Ich habe mir 3 Stück davon hintereinander reingezogen, so gut schmeckt mir dieser Mix.

tipunch-cocktail


Ti’Punch
1 Stück brauner Würfelzucker
½ Limette direkt ins Glas ausdrücken und mit dem Zucker vermischen,
die Limettenhälfte dann ins Glas werfen

2½ oz La Mauny Rhum Agricole 50%


lamauny-etikett2Und, da bin ich ehrlich, ich habe im französischen Supermarkt etwas zögerlich für 18€ (der Preis kann nur als Witz gemeint sein, das PLV geht dadurch gegen unendlich) zugeschlagen, weil mir das Flaschen- und Etikettendesign so gefallen hat. Eine dicke, fassförmige Literflasche, mit einem außergewöhnlich schön und liebevoll gestalteten Etikett, in dem die Herstellung über Illustrationen und Schlagwörter erklärt wird. Gewiss ist da viel davon, wie immer bei industriellen Spirituosenetiketten, Marketingrosigkeit, aber wenn es so gut gemacht ist wie beim La Mauny ist mir das egal.

Ein wirklich wunderbarer Rum, der am lang bestehenden Sockel meines Lieblingsrums, des Appleton Estate Extra 12, kratzt. Auf jeden Fall mit einer der besten Rums, die ich in meinem Leben getrunken habe. Man stelle sich vor, ich hätte mich vom ersten Versuch eines rhum agricole, der nicht so toll lief, abschrecken lassen. Ich hätte mir nie verziehen, dieses Aromenwunder nur deswegen zu verpassen.

Veröffentlicht von schlimmerdurst

Hüte dich vor denen, die nur Wasser trinken und sich am nächsten Tag daran erinnern, was die anderen am Abend zuvor gesagt haben.

5 Kommentare zu „Feines von der Insel über dem Winde – La Mauny Rhum Agricole 50%

  1. Beim Ti’Punch ist erlaubt was Spaß macht. Auf den Inseln dort gibt es den schönen Spruch dazu: Chacun prépare sa propre mort

    Wenn du also in einem Restaurant einen Ti’Punch für meistens was um die 3 Euro als Aperitif bestellst. wir dir die aktuell offene Rumflasche (also so eine wie oben beschrieben!), eine Zuckerdose, Limettenviertel und ein paar Eiswürfel serviert. Und davon baut man sich dann selbst seinen ganz eigenen Ti’Punch – mit Eis oder ohne.

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