Die Verpackung macht so einiges aus. Wer hat nicht schonmal im Kaufhaus bei einer neuen Knabberei zugegriffen, nur weil sie ansprechend verpackt war? Gerade bei Spirituosen kann man als Hersteller schon so einiges drehen, um den Schnaps leichter an den Mann zu bringen. Oft ist dann aber ein opulentes Äußeres ein Hinweis auf ein eher etwas heruntergekommenes Inneres, denn guter Stoff braucht kein Klimbim. Oft. Nicht immer.
Normalerweise stelle ich deswegen meine Kommentare zur Flasche hintan. Beim Brugal Titanium Ron Blanco muss ich aber großäugig staunend erstmal dieses herrliche, wunderschöne Behältnis anpreisen – sie ist sicherlich in jeder Hausbar einen Ehrenplatz wert, völlig unabhängig vom Inhalt. Sehr hoch, mit einem kleinen silberfarbenen Siegel, und der reduktionistischen Beschriftung erinnert sie mehr an eine Vodka-Flasche als an eine klassische Rumbuddel.
Das führt dann auch schon zum nächsten: Die Farbe dieses weißen Rums. Kristallklar, keinerlei Trübung, wären nicht diese wunderschönen langen Beine, die an der Innenseite des Glases herunterlaufen beim Schwenken, man könnte es für Wasser halten. Auch die Nase ist dann klar und rein: Etwas grasig, leichte Frucht, ein Hauch Lösungsmittel. Sehr zurückhaltend, erinnernd an Vodka – da erwartet man, ehrlich gesagt, geschmacklich dann nicht übermäßig viel; insbesondere, da gerade weiße Rums ja meist als reine Mischzutaten gesehen werden, ist die Erwartungshaltung gemäßigt.
Im Mund dann die perfekte Überraschung: richtig dickflüssig, schwer, ähnlich leicht fruchtig wie schon im Geruch vorgetragen, und eine hochgradig angenehme, nicht klebrige Süße – schön, inbesondere, da er ungesüßt ist (eigene Messung). Ein angenehmes, schokoladiges Aroma, kaum zu glauben, dass dieser Rum ungereift ist, er ist dichter als viele Latino-Rums, die 10 Jahre und mehr in Fässern verbracht haben. Nicht einmal einen Ansatz von Alkoholbrennen besitzend, hinterlässt der Titanium nur eine sehr befriedigende Wärme in Mund und Rachen. 38% Alkohol sind eher am unteren Rand verortet, etwas mehr könnte ihm guttun – dennoch ein flüssiger, brillianter, strahlender Diamant. Nicht, dass er übermäßig spannend oder komplex wäre, aber für einen weißen Melasse-Rum eine doch recht ansprechende Leistung.
Selbstverständlich vermische ich auch diesen Rum in Cocktails (ich habe das mit meinem Priester bereits geklärt, für alle Rumpuristen, die nun meinen, ich müsste dafür in die Hölle). Ein Beispiel für ein Einsatzgebiet eines solch milden Rums, der andere Zutaten durch sein Volumen unterstützt, ohne geschmacklich zu streng in den Vordergrund zu treten, ist der Three Miller.
Three Miller
2 oz Brandy (z.B. Romate Brandy Solera Reserva)
1 oz Brugal Titanium
1½ Teelöffel Zitronensaft
½ Teelöffel Grenadine
Auf Eis shaken.
Jeder, der sich für weiße Rums interessiert, sollte sich diesen ungewöhnlichen Rum anschauen. Ein sehr schöner, weißer Melasse-Rum, und einer, den man vielleicht sogar pur vor sich hin schlürfen kann; dreifach destilliert und trotzdem noch aromatisch.
Hinweis – die erste Fassung dieser Rezension quoll nur so über vor Begeisterung. Damals war ich noch recht unerfahren, heute sehe ich den Rum doch etwas anders, realistischer und weniger extrempositiv. Ich habe einige Superlative und etwas von der übermäßigen Begeisterung aus der Rezension entfernt, eigentlich müsste ich sie komplett überarbeiten.
5 Kommentare zu „Der flüssige Diamant – Brugal Titanium Ron Blanco“