Slivovitz (in all seinen möglichen Schreibweisen) ist, auch wenn man das vielleicht anders vermuten mag in der heutigen Zeit der Schutzbegeisterung, kein geschützter Begriff, und auch nicht durch eine geographische Angabe geregelt, im Gegensatz zu zum Beispiel Cognac, Champagner, Parmesan oder Bündnerfleisch. Er wird letztlich unter diesen Bezeichnungen in vielen Ländern von der Tschechischen Republik bis nach Bulgarien traditionell hergestellt und gern getrunken; verschiedene Länder hatten wohl bereits versucht, sich den Begriff schützen zu lassen, doch die weite Verbreitung ließ dies für die Gesetzgebung schlicht nicht vernünftig zu. In der EU-Spirituosenverordnung wird er darum als Kompromiss allgemein unter dem Punkt „Obstbrand“ geführt, mit einem kryptischen Hinweis auf Spezifika für die tschechische Variante „Slivovice“, und der Erlaubnis, für Pflaumenbrand auch den Begriff „Slibowitz“ verwenden zu dürfen. Letztlich handelt es sich dabei aber immer um einen Pflaumen- oder Zwetschgenbrand.
Heute probieren wir einen Pflaumenbrand aus Bulgarien, den ich damals von meiner Reise als Juror für Spirits Selection by CMB 2018 nach Plovdiv mitgebracht hatte: den Troyanska Slivovitz Special Reserve Aged 25 Years (троянска сливова ракия 25 годишна). Mit seinen mindestens 25 Jahren Ruhezeit in Eichenfässern ist er das Flaggschiff von Vinprom Troyan, dem größten Hersteller dieser Art Pflaumenbrands in Bulgarien, und darüber hinaus ein Symbol für die namensgebende Region Trojan in Nordbulgarien. Wenn ich etwas auf meiner Reise dorthin gelernt habe, ist es, dass im gesamten Großraum schon seit mindestens der Römerzeit extensiv Wein angebaut wird, und das viele Obst, das die klimatischen und bodenbezogenen Eigenheiten der Region zu schätzen weiß, gerne in vielerlei Bränden, wie überall auf dem Balkan Rakiya genannt, verarbeitet wird. Bis heute legt man großen Wert auf diese Tradition, und der Slivovitz Special Reserve ist durchaus als diesbezügliches Prestigeobjekt zu betrachten. Was uns nicht daran hindern sollte, ihn nun zu probieren!
Klassisches, leuchtendes Sonnenblumengelb, so würde ich die Farbe definieren, dabei kristallklar und ohne Fehler. Man ahnt eine leichte Öligkeit, wenn man das Glas dreht, die Oberfläche spiegelt dabei sehr hübsch in orange, gelb und weiß.
Den Geruch nimmt man währenddessen auch schon leicht wahr, man muss die Nase nicht tief ins Glas halten, um diese wunderbaren, süßschweren Pflaumen zu riechen. Richtig fett wirkt der Duft, mit viel frischem, reifem Fruchtfleisch, nur einem kleinen Ticken Steinaroma, und ordentlich Gewürz darunter. Fast ein bisschen Kompott, oder ein gewürztes Fruchtdessert. Ein Hauch Ester scheint durch, etwas Vanille, ein Anflug von Zimt, alles unterstützt dabei die Pflaume, überdeckt sie nie. Rund, sauber, aromatisch, ein wirklich richtig angenehmer Geruch, den man lange explorieren will.
Im Mund kommt der Troyanska Slivovitz deutlich schmaler an, als man das von der Nase erwartet hätte, von Beginn an eher bittersüß und leichtkörperig. Initial wirkt er noch sehr zart und weich, im Verlauf trocknet er dann aber erkennbar ab und baut parallel dazu kräftige, leicht pikante Würze auf, die den Mundraum erwärmt, die Zunge leicht prickeln lässt, aber nie brennt oder sticht. Mir fehlt, wie gesagt, hier nun etwas Volumen und Dichte, mit ein paar Prozent mehr Alkoholgehalt könnte hier Abhilfe geschaffen werden, die 40% sind meines Erachtens deutlich zu leicht gewählt. Der Aromatik tut das aber keinen Abbruch, die Nase transportiert sich gut herüber, reife Pflaumen mit etwas Gewürzaspekt, insbesondere Zimt erscheint, das trinkt sich schon richtig süffig. Im Nachgang kommt erkennbar Jasminblumigkeit auf, diese belegt lange den ganzen Gaumen, ein sehr apartes Zusammenspiel mit der Frucht.
Mir gefällt das persönlich sehr, ich genieße die volle Aromatik, die der Pflaume entzogen wurde. Das ist im Gesamtbild kein komplexer Brand, aber ein sehr trinkiger, und interessanterweise ein sehr ausdauernder – noch gut 20 Minuten nach dem letzten Schluck habe ich noch Details auf der Zunge, und ein Glas, das offensteht, riecht auch nach zwei Stunden noch sehr stark nach Pflaumen. Das ist ein beeindruckender Aspekt!
Sicherlich ist das ein Brand, den man genussvoll pur trinken kann, ohne sich zweimal drüber Gedanken machen zu müssen. Im La Douce Prune zeigt er aber auch, wie aromatisch er sich im Cocktail macht – klar dominiert er die anderen Zutaten, lässt sie aber dennoch zu. Ein frischer, leichter, dennoch sehr geschmackvoller Drink mit Charakter, ideal sowohl als Aperitif als auch als Digestif.
La Douce Prune
1oz / 30ml Pflaumenbrand
⅔oz / 20ml Cidre-Rosa-Beeren-Sirup
⅔oz / 20ml Zitronensaft
½oz / 15ml roter Wermut
1 Eiweiß
Auf Eis shaken.
[Rezept nach Sullivan Doh]
Sehr hübsch ist natürlich die Flasche, die wirklich einmalig ist und durch die vielen Facetten im Licht glitzert und brilliert; sie liegt auch gut in der Hand. Der Verzicht auf ein Etikett ist etwas besonderes, man hätte bei der extravaganten Formgebung auch keine Möglichkeit gehabt, es irgendwo anzubringen. Die Details sind an einem Umhänger um den Flaschenhals zu finden, das ist pragmatisch und ein zusätzlicher Eyecatcher. Im Geschenkkarton, der etwas labberig ist, wird der Troyanska Slivovitz geliefert – das einzige, was mich an der Präsentation etwas stört, ist der im Vergleich etwas billig wirkende Blechdrehverschluss. Ein Korken (sogar einer aus Kunststoff) wäre dem Brand durchaus angemessen gewesen, finde ich.
Ich habe nachgeschaut, man kann ihn inzwischen auch in Deutschland erwerben, der Preis ist allerdings doch deutlich höher, als ich ihn vor Ort in Bulgarien bezahlt zu haben erinnere, eventuell täusche ich mich da aber auch. Svetlin Mirchev, der Godfather of Rakiya, hatte ihn mir empfohlen, zusammen mit dem Destilerija Zarić Rakija od Malina Opsesija; das waren wirklich Mitbringsel, bei denen ich im Nachhinein bedingungslos zufrieden war mit dem, was da im Reisegepäck gelandet ist. Vielleicht ist das was, was man sich von einem Urlaub mitbringen (lassen) kann, wenn man den hohen Preis scheut – wer diese Art von Spirituosen mag, liegt jedenfalls nicht falsch, auch wenn man etwas mehr ausgibt.