Historische Bitterorange – Pierre Ferrand Dry Curaçao

David Wondrich hat viel zu tun. Der Cocktailhistoriker schreibt ausgesprochen schöne Bücher, hat eine sehr lesenswerte Kolumne bei esquire.com, und ist überall zu sehen, wo sich die Größen der Cocktailwelt tummeln. Und er arbeitet mit Spirituosenherstellern zusammen, um Zutaten wiederzubeleben, die früher anders hergestellt wurden als es heute oft der Fall ist. Er hatte seine Hand beim wirklich ausgesprochen gut gelungenen Stiggin’s Fancy Plantation Pineapple Rum im Spiel, und nun folgt sein zweiter Streich.

Auch beim Pierre Ferrand Dry Curaçao hat Wondrich also mitgewirkt, hier erstaunt es mich doch noch deutlich weniger als beim Ananasrum, denn Triple Sec / Curaçao ist natürlich eine sehr klassische Cocktailzutat, die den Umbruch der 80er und den Rückumbruch der 2010er Jahre schadlos überstanden hat, was man nicht von vielen Zutaten sagen kann – es ist aber kein Wunder, denn Triple Sec ist eigentlich aus Drinks keiner Epoche wegzudenken. Dabei hat der Bitterorangenlikör durchaus auch seinen eigenen Wandel erfahren; teilweise ist er zum pappigsüßen Zuckerlikör verkommen, der höchstens noch für Crêpe Suzette taugt. Nach einem Rezept aus dem 19. Jahrhundert soll man hier stattdessen einen klassisch-französischen Curaçao vorfinden. Probieren wir mal, ob wir den Unterschied herausschmecken.

Ferrand Dry Curaçao

Man sieht die Farbe schon in der Flasche, im etwas kleineren Glas wirkt sie noch leuchtender. Schönes, helles Gold, mit weißen Reflexen. Der Orangenlikör bewegt sich, wie man es von einem Likör erwartet, schwer und träge, hinterlässt Beinchen, die am Glas fast stehen bleiben.

Geruchlich wird nicht viel drumherum gemacht, da ist die Bitterorange als erste und dominante Komponente, so wie es sein soll. Deutliche Schokoladennoten kommen schnell dazu, sie werden immer stärker, bis man stellenweise meint, eine Crème de Cacao vor sich zu haben. Die gesamte Basis ist Weinbrand (32% Cognac und 68% „Weindestillat“, denn Cognac hat strenge Regeln, ab wann er sich so nennen darf), bildet aber dennoch nur die Grundschicht, die im Gegensatz zu vielen Triple Secs, die auf Neutralsprit basieren, sich nie dominant nach vorne drängt. Eine Gewürznote nach gut mit Puderzucker überstreutem Fruchtstollen komplettiert eine sehr komplexe, vielschichte Nase.

Pierre Ferrand Dry Curaçao Glas

Das Wort „Dry“ auf dem Etikettist natürlich relativ innerhalb der Likörkategorie, die per Definition sehr viel Zucker enthält, zu lesen. Darum darf man hier keine echte Trockenheit erwarten. Hat man den Pierre Ferrand Dry Curaçao erstmal im Mund, beginnt zunächst der Zucker, sich zu melden. Schnell kommen dann aber die Bitterorange und Gewürze sowie geröstete Mandeln zum Vorschein und verdrängen den Süßeeindruck durch etwas Komplexeres. Da ist viel Power und Wucht, etwas, was man bei 40% Alkoholgehalt nicht unbedingt so konsequent erwartet hätte; die Weinbrandbasis kümmert sich darüber hinaus um Breite und Tiefe. Die gerochene Schokolade ist auch jetzt sehr präsent.

Der Abgang schließlich ist überraschend lang und vielschichtig, sehr schön blumig, fruchtig und fettsüß, ohne pappig zu wirken. Selbst die Schicht, die so ein Likör auf den Lippen hinterlassen darf, ist aromatisch und nicht nur süß. Ein schokoladig-nussiger Nachhall gefällt. Das Fazit – ein sehr ausgewogener, wuchtiger, hocharomatischer Triple Sec, der jeden anderen Likör dieser Gattung, den ich bisher probieren durfte, locker in den Schatten stellt.


Das ist wirklich was, was man pur selbst ohne Eis gemütlich vor sich hin schlürfen kann nach dem Essen. Der Haupteinsatzzweck eines Triple Secs wird dennoch immer der Cocktail bleiben. Der Calvados Cocktail aus Harry Craddocks Savoy-Cocktailbuch müsste eigentlich „Orange Cocktail“ heißen, wenn man mich fragt. Orangenlikör, Orangensaft, Orangenbitter – der Apfelbrand ist eigentlich eher der Exot in diesem fruchtigen, aromatischen Drink, der mit dem trockenen Triple Sec von Ferrand einen doch irgendwie anderen Charakter hat als mit einem Cointreau.

Calvados Cocktail

Calvados Cocktail
1½ oz Calvados
¾ oz Triple Sec
1½ oz Orangensaft
2 Spritzer Orange Bitters
Auf Eis shaken.
[Rezept nach Harry Craddock]


Die Flasche ist jedenfalls schonmal ungewöhnlich gestaltet, in ihrer quadratischen, kurzhalsigen Form. Das Etikett ist voll auf Retro gemacht, mit orange-beige gehaltenen Illustrationen und altmodischen Schriftarten – es passt hier alles zusammen, das ganze Produkt wirkt einfach wie aus einem Guss. Ich mag besonders, wie das Rücketikett die Nerdunterscheidung zwischen Punches, Slings, Fizzes und Cocktails macht – das ist sicherlich auf dem Mist des Cocktailhistorikers Wondrich gewachsen, diese Unterscheidung ist heutzutage kaum mehr präsent, jeder gemischte Drink ist heute ein „Cocktail“. Wer sich dafür interessiert, wie es früher war, und was eigentlich einen Cocktail zu einem Cocktail macht, dem empfehle ich dringendst die Lektüre der Bücher Wondrichs. Wer ein paar Vergleichswerte zum Pierre Ferrand Dry Curaçao sucht, den verweise ich auf meine Artikel zu anderen Orangenlikören, zu finden hier (Chadess), hier (Le Favori), hier (Clément Créole Shrubb). und hier (Grand Marnier Cordon Jaune/Rouge). Keiner kommt an den Pierre Ferrand Dry Curaçao heran – den Aufpreis, den man für dieses sehr hochwertige Produkt im Vergleich zahlt, ist jeden Cent wert.

Bier am Freitag – Kuehn Kunz Rosen Kuehnes Blondes

Seit meinem ersten Witbier, das ich irgendwann vor Jahren in der inzwischen leider geschlossenen Bar „Tempelier“ in Saarbrücken, die eine riesige Auswahl belgischer Biere in den dazu passenden Trinkgläsern anbot, trank, bin ich dem Bierstil irgendwie verfallen. Heute muss man für Witbier allerdings nicht nach Belgien schauen, diverse deutsche Brauer trauen sich daran, wenn deutsche Biergesetze sie nicht daran hindern, die Zugabe von Orangenschale und Koriander in Bier wird nicht überall hierzulande gern gesehen, obwohl Witbier ein sehr traditioneller Bierstil ist und diese Zutaten sehr natürlich sind. Das Kuehn Kunz Rosen Kuehnes Blondes ist damit auch ein Beispiel für die Experimentierfreudigkeit heutzutage – die Mainzer Brauer verpacken es dann noch in Flaschen, die mit tollen Etiketten mit frechen Illustrationen versehen sind. Da ist man durchaus darauf gespannt, was nun kommt, wenn man den Kronkorken abzieht!

Kuehn Kunz Rosen Kuehnes Blondes

Es sind wohl die Haferflocken, die du blickdichte Trübe erzeugen. Durch diesen Kniff bekommt das Blonde eine schön durchgängige, leicht blasse Maisfarbe. Keinerlei Perlage ist erkennbar; der Schaum ist stiltypisch sehr dünn und verschwindet im Verlauf fast komplett. Geruchlich sind wir auch typisch bei Wit: leicht hopfig (Mandarina Bavaria wurde verwendet), durch die eingesetzten Gewürze auch Noten von Orange. Eine leichte Hefigkeit nehme ich wahr, und, wenn ich tief schnuppere, auch eine gewisse Kräuterigkeit durch die anderen Zutaten. Insgesamt mag ich diese Aromatik, bin schon seit langer Zeit ein großer Witbierfan.

Im Mund beginnt das Kuehne Blonde sehr würzig, fast schon leicht pfeffrig. Haben die Orangenschalen und der Hopfen die Nase dominiert, so sind Koriander und Paradieskörner die ersten geschmacklichen Eindrücke. Dabei wirkt das Bier leicht und frisch, ausgesprochen rezent, mit dennoch angenehm rundem Mundgefühl. Im Verlauf erhalte ich Noten von Nelken, das erinnert dann beinahe an ein frisches Hefeweizen. Mit 4,9% Alkoholgehalt haben wir einen leichten, helltönigen Körper – auch das erwarte ich bei diesem Bierstil natürlich. Der Abgang ist mittellang, immer noch durch die besonderen Zutaten gesteuert, mit leichter Adstringenz auf der Zungenspitze und schöner Feinherbe. Leicht blumige Noten, die dann wieder in Gewürze übergehen, hallen noch etwas nach, mit Effekten von gut eingestellter Trockenheit.

Mit gefällt diese Wit-Interpretation sehr, gerade die Vielschichtigkeit, mit der Nase und Gaumen auseinandergesteuert werden, ist sehr reizvoll, und auch, dass man die einzelnen Zutaten wirklich en detail herausschmecken kann. „Kühn“ ist es im Wortsinne vielleicht dann doch nicht (das will ich auch nicht ständig haben bei Bier), aber doch ambitioniert und auf jeden Fall handwerklich hervorragend gemacht.

Federn, Käfige und Zungen – Moscoso Distillers Kléren Clairin Vieux und Réserve des VIP

Mein erster direkter Kontakt mit einer Kreolsprache war vor wenigen Tagen, als ich mit Spirits Selection by Concours de Mondial de Bruxelles für eine aufregende Woche auf der französischen Antilleninsel Guadeloupe unterwegs war. Die meisten Einwohner der Insel sprechen das guadeloupische Créole, das sich doch deutlich vom französischen unterscheidet. Auch Ortsschilder sind zweisprachig gehalten, so dass man sehr direkt die Ähnlichkeiten und Unterschiede erkennen kann. Es gibt kein einzelnes Créole, selbst das von Martinique unterscheidet sich etwas von dem von Guadeloupe, und natürlich dann von anderen geografischen Gebieten – die größte Spracheinheit bildet dabei das haitianische Créole, auch dieses entstanden durch eine Vermengung französischer Sprache mit den nativen Sprachen der Bevölkerung (ich vereinfache hier natürlich extrem, die Linguistik liebt Kreolsprachen und forscht an ihnen extensiv). Oft sieht man dabei französische Wörter, die mehr oder weniger stark remodelliert werden – so dass man als Franzose das Créole zwar grob verfolgen kann, aber es doch mehr ist als ein Dialekt und nicht unbedingt vollumfänglich verständlich.

„Kléren Nasyonal“ ist dafür schon ein kleines, einfaches Beispiel, das zeigt, wie die französischen Wörter im Kreolischen eine leichte Laut- und Schriftwandlung erfahren können. Auf den Etiketten der Brände von Moscoso Distillers ist die kreolische Variante jedenfalls bevorzugt abgedruckt, man macht das sicherlich, um die Herkunft der Spirituose zu betonen, vielleicht auch, um sich von der auf dem europäischen Markt bereits vorhandenen Konkurrenz abzugrenzen. Jules Moscoso war der Gründer der Firma in Léogâne am Anfang des 20. Jahrhunderts, inzwischen ist Michael „Didi“ Moscoso am Ruder, seit drei Generationen stellt man also schon Spirituosen her, mit Zuchthefen fermentiert und in einer Kombination von Potstill und kreolischer Kupfersäule mit 5 oder 6 Platten, direkt mit Holz befeuert, gebrannt. Wir haben uns bei Clairin ja schon etwas an wildwuchtige, krasse Brände gewöhnt, an die man sich langsam rantasten muss – verhalten sich diese Klérens hier ähnlich? Finden wir es heraus, ich habe mir dafür den Kléren Clairin Vieux Première Cuvée l’Agricole und den Réserve des VIP Petit Bijoux de Beauvoir aus dem Portfolio ausgesucht.

Moscoso Distillers Kléren Clairin Vieux und Réserve des VIP

Zunächst wenden wir uns dem Kléren Clairin Vieux zu, der mit dem Untertitel „Première Cuvée l’Agricole“ noch das Triggerwort beinhaltet, das die französischen Regelwächter schnell auf den Plan bringt – dazu am Ende noch ein Wort. Hergestellt wird das Basisdestillat aus Zuckerrohrsaft, Madame Meuze ist die Zuckerrohrsorte, die aufmerksame Leser meines Blogs bereits vom Clairin Sonson her kennen. Wer das Basisdestillat ohne Reifung probieren will, kann dies tun – es ist als Kléren Traditionnel 22 auch erhältlich. Neue Fässer aus amerikanischer Eiche kommen zum Einsatz.

Moscoso Distillers Kléren Clairin Vieux

Für 3 Monate in diesen Fässern ist die Farbe des gereiften Kléren schon sehr kräftig geworden, karibisches Klima mit entsprechender Extraktion und neue, kleine Fässer (im französischen Text als „mini fût“ bezeichnet) haben ordentlich Arbeit geleistet und einen leuchtenden Kupferton erzeugt, der in der Flasche viel dunkler aussieht als im Glas. Passend lebendig bewegt sich die Spirituose dort, Beinchen laufen gemächlich ab.

Die Nase erinnert mich zunächst an einen klassischen rhum agricole ambré oder „elevé sous bois“, also mit nur leichtem Holzkontakt – was natürlich nicht verwunderlich ist, nimmt man die Ähnlichkeit der Herstellungsweise. Ähnlich grasig, deutlich holzig, dann aber mit doch viel mehr Vanille und Zimt, und weniger Kante als Verwandte von den französischen Antillen. Ein fast schon verführerisch gewürzlastiger Duft, süßlich, aromatisch, mit milder Frucht aus Feigen und Rosinen, und ordentlich Butterscotch oben drauf. Schnuppert man sehr tief, findet sich eine vorsichtige Lacknote.

Moscoso Distillers Kléren Clairin Vieux Glas

Der Antrunk ist zunächst zart und süß, getragen von viel Nougat, Butter und Christstollen. Sehr weich, rund und voll legt der Kléren sich überall an den Gaumen, gibt richtig viel Vanille frei, zusammen mit Salzkaramell und zerdrückten Macadamianüssen. Die Süße und die Textur bilden ein tolles Duo, unterstützen sich gegenseitig und kreieren ein sehr apartes Mundgefühl. Im Verlauf kommt dann die Holzwürze immer stärker voran, mit 50% Alkoholgehalt beginnt der Kléren Vieux nun zu kitzeln und schließlich ordentlich Feuer zu entwickeln. Leicht grasige Töne begleiten uns die ganze Zeit, da ist Komplexität drin, aber keinerlei Schwierigkeit oder Anstrengung, die sehr präsente, leicht nussige Vanille fängt alles am Ende auf. Der Abgang ist lang, sehr würzig, etwas mineralisch, kühlt nun nach all dem Feuer den Gaumen und hinterlässt eine angenehme, immer noch süße Frische, mit einem leicht metallischen Ton und dezenter Bittere.

Das trinkt sich richtig easy, dabei ist der Kléren voll und fettaromatisch, dicht und kräftig, mit viel Power und das alles ohne wild oder mühevoll zu werden. Die Reifung hat volle Granate zugeschlagen, Vanille erdrückt vielleicht viel von Spannung, die man noch gern hätte, aber wer einen gereiften Clairin probieren und dabei nicht überfahren werden will von wilder Unzivilisiertheit, ist hier genau richtig.


Wenden wir uns nun dem Kléren Réserve des VIP Petit Bijoux de Beauvoir zu – einem ganz anderen Biest, als wir das von Clairin gewohnt sind. Er wird destilliert in der Destillerie Beauvoir-Leriche in Léogâne und von Moscoso abgefüllt und vermarktet. Der Hauptunterschied zu allen anderen Clairins, die ich bisher kenne, ist, dass das „kleine Juwel“ aus Zuckerrohrsaftsirup hergestellt wird – dieser ist praktisch Bioqualität, aber nicht zertifiziert, das wäre für die meisten haitianischen Hersteller völlig unerschwinglich. Eine Kupferkolonne mit 12 Platten kommt zum Einsatz.

Kléren Réserve des VIP Petit Bijoux de Beauvoir

Zur Farbe gibt es nichts dramatisch unerwartetes zu berichten, kristallklar, transparent, ohne Fehler oder Mängel. Im Glas schwappt der Kléren richtig schwer und viskos hin und her, das fühlt sich fast wie Sirup an. Entsprechend bleiben dicke Beine eng aneinander an der Glaswand stehen, und fließen nur widerwillig ab. Die Nase ist dagegen wirklich unerwartet: da rieche ich eine sehr angenehme, milde Mischung aus Frucht, Gras und Getreide, jedenfalls völlig anders zu allen Clairins, die ich kenne. Da ist trotz des Alkoholgehalts von 57,5% keinerlei Stechen oder Pieksen, eine milde Floralität kommt dazu, die an Lavendel und Rosmarin erinnert. Aprikosen, Mango, vielleicht etwas Vogelbeere, unreife Ananas, deutlich Bergamotte. Das ganze aber nicht faustmäßig ins Gesicht, sondern subtil, elegant, sehr ansprechend.

Extrem süß beginnt der Antrunk, mit einem fetten Mundgefühl, das die Optik ja schon angedeutet hatte, dick und ölig wie Sirup, selten habe ich das in dieser extremen Form erlebt. Tolle Würze entsteht dabei, Kardamom, Muskatnuss, verbrannter Zucker – richtig aromatisch und voll. Die Frucht ist dabei vorhanden, aber deutlich zurückgenommen, mit der milden Umami-Note eines Vogelbeerbrands und später klar aufkommender Salzigkeit, dabei alles wunderbar integriert und rund in ein Gesamtbild eingebettet. Feuer entsteht und Säure, auch hier passend und nicht störend, die Würze unterstützend. Dann auch Grasigkeit, frisch gemähtes Gras, und milde Kräuter wie Rosmarin, Thymian und ein Anflug von Minze ganz am Schluss. Der Abgang ist mild, dabei lang und sehr grasig, mit einer Note von grüner Walnuss und Kürbiskernöl.

Kléren Réserve des VIP Petit Bijoux de Beauvoir Glas

Ein wirklich ungewöhnlicher Brand, sehr flauschig und superangenehm zu trinken, mit einer Viskosität, wie man sie selten findet. Darüber hinaus setzt sich der Kléren Réserve des VIP Petit Bijoux de Beauvoir in jedem Aspekt sehr deutlich von allen anderen Produkten dieser Spirituosengattung ab, die Aromatik ist noch erkennbar und zuzuordnen, aber mit völlig eigenem Charakter – man stelle sich einen Clairin vor, mit der Aromatik, die man kennt, aber runder, subtiler, insgesamt einfach etwas weniger aggro. Das gefällt mir ausgesprochen gut. Ausgesprochen gut. Sicherlich ein Grenzgänger, was die Kategorie angeht, oder auch ehrlicherweise schon ein deutlicher Ausreißer, zumindest in Bezug auf die Herstellungsweise.


La Maison & Velier (LM&V) hatten eine Checkliste zusammengestellt, was für sie „echten Clairin“ ausmacht. Diese Klérens hier machen ein paar Dinge anders, der Einsatz von Zuchthefen (und natürlich Zuckerrohrsirup beim Réserve des VIP) beispielsweise, oder eine Herabsetzung auf Trinkstärke. Da die Liste nicht offiziellen Gesetzescharakter hat (wenn auch viele Brenner in Haiti sich dieser Initiative angeschlossen haben), und der dagegen schon bereits vorhandene Schutz auf UNESCO-Ebene keine Herstellungsdetails beinhaltet, muss man sich erstmal eher auf philosophischer Ebene damit auseinandersetzen; spannend wird es sein, wie sich die Kategorie in Zukunft diesbezüglich entwickelt. Meine persönliche Meinung dazu ist, dass man bei Mezcal in Mexiko sehen kann, dass eine Überregulierung und -standardisierung auch seine Nachteile haben kann und keinen Schutz für kleine Brenner bietet, sondern sie eher an den Rand drängt. Clairin hat sich über Jahrhunderte in freier Wildbahn zu dem entwickelt, was er heute ist, und ob ein Käfig die Tradition schützt, halte ich zumindest für diskussionswürdig.


Die Diskussion, ob das nun offizielle Clairins nach der Hardcorefetischistenmeinung sind oder nicht, sei jetzt aber mal ausgeklammert, wenn es um den Einsatz in Mixed Drinks geht, denn zumindest passt diese Art Zuckerrohrsaftbrand diskussionsfrei in jeden Cocktail, der sonst Rum französischen Stils oder gar Clairin als Hauptzutat verlangen würde. Den Réserve des VIP habe ich testweise dafür im Major Bailey verwendet, man kann in dem Fall vielleicht sogar den Zuckersirup weglassen, weniger wegen der Süße, sondern weil der Kléren schon diese dickflüssige Textur mitbringt.

Major Bailey
2oz / 60ml ungereifter Rum
1oz / 30ml Orangenlikör
1oz / 30ml Ananassaft
¼oz / 7ml Zuckersirup
Auf Eis shaken. Auf crushed ice servieren.

[Rezept nach deiaontherocks]


Sehr attraktiv ist die Verpackung – von der schweren Flasche mit dickem Glasboden über die großflächigen Etiketten in angenehm zusammengestellten Farben bis zu den Kartons mit dem exotischen Frauenprofil, das sitzt und bleibt im Gedächtnis. Man sieht an der stellenweise leicht holprigen Übersetzung ins Englische auf dem Rücketikett, dass hier noch keine Marketingvollprofis das Steuer übernommen haben – irgendwie charmant.

Eine erste Version dieser Verpackung hatte ausgelöst, dass wir noch ein bisschen länger auf die Veröffentlichung warten mussten, dort fand sich der oben schon erwähnte Passus, dass wir hier „rhum agricole“ vor uns haben. Dies ist in der EU natürlich rechtlich problematisch, da, das hatte ich schon oft auf meinem Blog erwähnt, nur Zuckerrohrsaftbrände aus bestimmten Regionen dieses Bezeichnung für sich reklamieren dürfen, und Haiti gehört nicht dazu; inzwischen ist das geklärt und die Stelle auf der Präsentation überklebt, und ich schreibe den Lapsus eher der Unerfahrenheit des Herstellers zu als irgendeiner Täuschungsabsicht. Wer die Klérens probiert, wird jedenfalls sofort feststellen, dass es auch gar nicht nötig ist, sich mit fremden Federn zu schmücken – die eigenen glänzen und glitzern genug, und werden Spirituosenfreunde rein aus intrinsischem Wert begeistern, da habe ich keine Zweifel.

Bier am Freitag – Ochsen Bräu Nattheimer Doppelbock

Heute stelle ich mal wieder ein Bier aus meiner direkten Heimat vor, dem Härtsfeld, dem östlichsten Teil der Schwäbischen Alb, direkt in Bayern übergehend. Dort, in der kleinen Ortschaft Nattheim, steht die Privatbrauerei Schlumberger, die mit übersichtlichen 35000hl Ausstoß pro Jahr einen Teil des Dursts der Region zu stillen versucht. Die Marke Ochsen Bräu ist dabei das Hauptelement der Brauerei, an der ich erst vor kurzem vorbeigefahren bin – Nattheim lenkt den Hauptverkehr zwischen Neresheim und Heidenheim zwar über eine Ortsumfahrung, dort war aber gerade eine Sperrung, und so musste ich durch den Ortskern und das Ochsenbräu-Schild sticht einem dann sofort ins Auge. Neben den durchgängig erhältlichen typischen Bieren (der Härtsfelder trinkt gern Weizenbiere und Export) gibt es auch saisonale Spezialitäten, wie den Ochsen Bräu Nattheimer Doppelbock, eingebraut mit 7,5% Alkoholgehalt, den ich heute vorstellen möchte.

Ochsen Bräu Nattheimer Doppelbock

Leicht getrübt, aber dennoch strahlendes Bernstein. Beim Eingießen blieb noch etwas Schaum da, nach einer Minute verbleibt nur eine einzelne Insel aus großen Blasen, während der Rest sich in eine dünne Flaumschicht verwandelt hat. Die Nase ist getreidig und hefig, mit einem metallischen Beiton. Ein Hauch von milder Zitrusfrucht liegt im Raum, vielleicht etwas Orangenschale, aber nicht so, wie man das von aromahopfenlastigen Bieren kennt, sondern mehr nur eine Vorstellung davon.

Der Antrunk besteht direkt aus einer Mischung aus Süße und Säure – eine sehr aparte Kombination aus Rezenz und Cremigkeit von Anfang an. Hübsch was zum Kauen hat man da im Mund, ohne, dass es pappig wird; gleichzeitig wirkt es superfrisch und hell. Das Bier definiert sich, so ist mein Eindruck, hauptsächlich über Textur und Struktur, und weniger über Aromatik; Malz und milder Hopfen halten sich die Waage. Der Abgang ist trocken, kurz, klar und sauber, hinterlässt etwas Säure- und Bittereffekte am hinteren Gaumen, und etwas Floralität klingt nach.

Geschmackseindrücke kann man irgendwie leichter beschreiben als diese Struktureindrücke, die für mich dieses Bier sehr spannend machen. Mir gefällt es, das trinkt sich extrem angenehm. Selbst wenn die Aromatik eher zu suchen ist, bleibt dieser Doppelbock ein Bier, das ich mir öfters organisieren werde.

Zwischen den Welten – The Alchemist Mavrud

Wir saßen abends in der Lobby des Bedford Hotel mitten in Brüssel, und unterhielten uns über Rakiya, Glasflaschenknappheit und alte Freunde, die leider nicht mit uns hier sein konnten. Svetlin Mirchev ist der Mann, den man fragen muss, wenn es um Rakiya geht, sei es aus seiner bulgarischen Heimat, oder aus Serbien oder sonstwo her. Er packte dann eine Flasche aus, die er mitgebracht hatte, und über die er diskutieren wollte. Ein Weinbrand aus Bulgarien, von der kleinen Clemans DistilleryThe Alchemist Mavrud ist dahingehend besonders, dass er die uralte und dort sehr beliebte bulgarische Rebsorte Mavrud einsetzt.

Im Gegensatz zu vielen Branntweinen wird hier ein vollwertiger, trinkfertiger Rotwein aus den Mavrud-Trauben hergestellt, der in Fässern für einige Zeit gereift wird. In einer hybriden Brennanlage (Potstill mit integrierter kleinen Säule, wie wir sie in Deutschland gut kennen) wird der Wein dann destilliert, und, das ist ein schöner Twist, dann in demselben Fass, das vorher den Wein beinhaltete, kurz weitergereift – das ergibt eine rein natürliche zusätzliche Färbung durch die Weinpigmente. Aufgrund dieser besonderen Vorgehensweise nennt der Brenner das Ergebnis auch „Wine Spirit“. Auf 40% Trinkstärke eingestellt kommt der Brand dann ungefiltert in die Flasche, 350 Stück gab es davon, Nummer 55 ist durch Svetlin bei mir gelandet. Probieren wir mal, was man sensorisch entdecken kann bei dem Alchemisten aus Bulgarien!

The Alchemist Mavrud

Neulich habe ich einen Rosenlikör besprochen, der Weinbrand hier könnte auch so etwas sein – rosé mit einem leicht gelblich-orangen Farbeinschlag. Lachsrosa würde man vielleicht sagen, aber das hier ist heller und völlig transparent. Leicht und schnell schwappt es hin und her beim Schwenken, die Beinchen, die sich dabei bilden, laufen in ungewohntem Eiltempo ab.

Die Nase des The Alchemist Mavrud ist erstmal eine Mischung aus Grappa und Traubenrakiya, mit vielen sehr ausgeprägten Eindrücken von feuchtem Holz (man glaubt wirklich, ein gerade geleertes Weinfass vor sich zu haben!) und Gerstenmaische, Hefe, Brotteig und Anflügen von Rotwein. Ein bisschen nussig, minimalst blumig, deutlicher mineralisch und erdig, besonders holzig und grasig. Da ist auch eine etwas chlorige Note dabei, insgesamt ergibt das ein sehr ungewöhnliches Geruchsbild, etwas ganz eigenes, das ich höchstens mit einem herben Grappa vergleichen könnte.

The Alchemist Mavrud Glas

Im Mund wirkt das etwas konventioneller, aber immer noch individuell. Initial findet sich schöne, natürliche Süße, der holzig-grasige Eindruck eines gereiften Grappa setzt sich darauf. Eine gewisse Kräuterigkeit kombiniert sich mit weiniger Fruchtigkeit, ohne dass man eine bestimmte, eindeutige Komponente festmachen könnte. Im Verlauf entsteht Würze, Tannine und Harze erscheinen immer deutlicher, begleitet von Vanille und Muskatnuss. Die Textur ist leicht, dennoch gibt es genug Volumen, um ein schönes Mundgefühl zu erzeugen. Der Abgang ist mildbitter, mit guter, pikanter Schärfe versehen, die die Zunge lange zum Prickeln bringt. Leicht metallisch und aromatisch mittellang hat man noch eine ganze Weile mehr einen Hauch der Aromatik im Mund als ein echtes Geschmacksgefühl, die Blumigkeit hält sich dabei am längsten und nimmt dann mit Nachsinnzeit sogar noch zu.

Der The Alchemist Mavrud ist eindeutig ein Grenzgänger, sensorisch nicht hunderprozentig einer Spirituosenkategorie zuzuordnen, es sammelt Ideen von mindestens drei Kategorien auf und verbindet sie auf ungewöhnliche Weise zu einem luftig-leichten, dabei aber effektiven Gesamtbild mit ganz eigenem Charakter. Schön gemacht und ungewöhnlich!


Man kann sich vorstellen, dass es nicht trivial war, eine Cocktailrezeptempfehlung dafür zu eruieren. Nach einigem Hin und Her habe ich mich für ein Rezept entschieden, das eigentlich auf Grappa basiert. Die weiteren Zutaten unterstützen hier die Eigenschaften des The Alchemist Mavrud, wie blumiger Veilchen- und herbfruchtiger Kirschlikör. Der Name des Drinks, Rosina Ferrario No. 203, ist darüber hinaus genau so individuell wie die hier vorgestellte Basisspirituose. Schön an dem Drink ist auch die Farbgestaltung – durchs Shaken kommt viel Luft rein, was erstmal den lilaweißen Farbverlauf ergibt, nach einer Weile wird er komplett blau.

Rosina Ferrario No. 203 Cocktail

Rosina Ferrario No. 203
1½oz / 45ml Grappa
½oz / 15ml Maraschino-Likör
½oz / 15ml Crème de Violette
½oz / 15ml Zitronensaft
Auf Eis shaken.

[Rezept nach Joerg Meyer]


Die Flasche selbst hat im Gegensatz zur in ihr gesammelten Flüssigkeit keine Alleinstellungsmerkmale, der Glasstopfen ist schon toll, ich erinnere mich an die ersten dieser Art, die nur schwer zu öffnen waren – inzwischen ist das System ausgereift und hoch funktionsfähig, und nahezu ideal für Spirituosen, wie ich finde, mit einem sehr befriedigenden, gläsernen „Klick“ kann man die Flasche leicht öffnen und schließen. Das Etikett wirkt etwas amateurhaft, das ist gewiss der kleinen Brennerei zuzuschreiben, da muss man nicht überkritisch sein.

Ich bin mir nicht sicher, wem ich so eine Spirituose weiterempfehlen würde. Das ist nichts für den Gelegenheitstrinker oder Freund gemütlicher Brände, hier muss man etwas investieren und explorieren, sich mit dem Glasinhalt sensorisch und gedanklich erstmal auseinandersetzen, verstehen und kann dann allerdings mit viel Freude genießen. Eine Herausforderung für den ambitionierten Connoisseur, der sonst schon alles vor sich hatte. Wer eine Chance hat, einen Schluck davon zu bekommen (was wahrscheinlich schon für sich eine Herausforderung ist), sollte etwas Geduld und Zeit mitbringen, ich garantiere, die Mühe lohnt sich am Ende.

Bier am Freitag – Maisel & Friends Bajuwarus Aquavit Barrel Aged 2021

Die Brauerei Maisel in Bayreuth lässt keine Ruhe aufkommen – immer wieder gibt es neue Ideen, die die Braumeister dort umsetzen. Meist in in der „Maisel & Friends“-Subkategorie, die hauptsächlich Drittelliterflaschen mit Kreativbieren anbietet. Einmal im Jahr erscheinen aber auch Sonderprojekte, meist fassgereifte Bierspezialitäten, in limitierter Auflage und in der Dreiviertellitergroßflasche, ich habe bereits ein paar davon hier und hier besprochen. 2021 wurde etwas sehr ungewöhnliches gemacht, das ich natürlich haben musste: Maisel & Friends Bajuwarus Aquavit Barrel Aged 2021, ein Weizenbock mit 8,4% Alkoholgehalt, der 2 Jahre im Aquavit-Fass gelagert wurde. Aquavitfass! Nun, ich habe keinerlei Vorstellungen, wie das schmecken soll. Meine Leser:innen wahrscheinlich auch nicht, darum mache ich meine Flasche jetzt auf, probiere es und erzähle ein bisschen was darüber!

Maisel & Friends Bajuwarus Aquavit Barrel Aged 2021

Zwischen minimal opalisierend und kristallklar steht das Bier im Glas. Die Farbe ist kräftig dunkel, gebrannte Siena oder Haselnussbraun, wie man es möchte; im Gegenlicht in einem großen Glas sieht man hübsche Farbverläufe. Der Schaum ist kontrastreich weiß und gemischtblasig, für ein so lange fassgelagertes Bier sehr ausdauernd, und man sieht nur feinste Perlage in winzigen Perlchen.

Geruchlich ist man erstmal wirklich überrascht, da findet sich eine Mischung aus Röstaromen, Holz und Rauch, mit einem Anflug von vegetaler Krautigkeit. Etwas Kümmel, etwas Agave, eine wirklich außergewöhnliche Aromatik, die in ihrer trockenen, herben Art sehr zu gefallen weiß. Noten von Zitrusfrucht hellen alles etwas auf. Im Untergrund findet sich eine Idee einer Parfümigkeit, vielleicht Lavendel, vielleicht aus dem Aquavitfass stammend, sehr apart und spannend, vor allem im Gegenspiel zu den würzigen Tönen.

Auch im Mund geht die wilde Jagd nach ungewohnten Aromen weiter. Zunächst beginnen wir mit marmeladigen Aprikosen und in Honig getauchten Orangen sowie gekochtem Agavenfleisch, dann taucht diese parfümige Floralität auf, die dann schnell wieder von dunklen Röstaromen eingefangen wird, bis zum Schluss etwas Holz, Kaffee und deutlich rauchiger Kohle komplett die Überhand übernehmen. Das Mundgefühl ist weich und cremig, voll aber nicht übermäßig satt, da ist noch genug Frische und Rezenz drin, um das Bier süffig zu machen. Das Ganze ist mit einer milden, aber erkennbaren Salzigkeit versehen, die sich zum Ende hin mit einer zitronigen Säure wirklich visibel macht, sowas mag ich bei Bier ja immer. Die Säure bleibt im dann eher kurzen Abgang noch eine Weile da, mit einer Aquavit-Kräutermischung und hier erst auftauchender schöner Bittere, und etwas grasigem Holz – man sieht, dem Gaumen wird hier keine Ruhe gegönnt, da ist immer was Neues, nach dem man schmecken kann.

Allein schon die Verwendung eines Aquavit-Fasses ist mutig, dieser Mut hat sich ausgezahlt, hier ist wirklich Spannung, Spaß und Spiel drin, ein Bier, das man nicht einfach so zum Essen trinkt, sondern bei dem man sich Zeit und Muße gönnen sollte. Dabei ist es zu keinem Zeitpunkt kompliziert oder anstrengend, sondern immer angenehm. Ein wirklich außergewöhnliches und gelungenes Bierprojekt.

Rum aus Westindien (dem echten) – Oaks & Âmes Mauritius Pure Single Rum White

Öfters schon habe ich über die Unschärfe gesprochen, die wir in der Spirituosenwelt bezüglich des Worts „agricole“ sehen. Da Rum aus Zuckerrohrsaft für viele Jahre eine Hauptdomäne der französischen Überseedepartements war, hat es sich auch bei vielen Kennern eingebürgert, derartigen Saftrum immer als „agricole“ zu bezeichnen. Die EU-Gesetzgebung sieht das anders, nur die im Anhang der Spirituosenverordnung aufgelisteten Gebiete dürfen diesen Terminus eigentlich tragen; manch ein Rum ist darum aus Zuckerrohrsaft gemacht, aber trotzdem kein „rhum agricole“. Zum Beispiel Rums aus Mauritius. Natürlich ist das ein rein technisch-legalesisches Faktum, es sagt nichts über Qualität oder Tradition aus; wer sich nicht mit den diesbezüglich sensiblen Franzosen verkrachen will, hält sich aber daran, wie man sich auch daran hält, nur Branntwein aus der Region Cognac auch Cognac zu bezeichnen, oder nur Käse aus bestimmten norditalienischen Provinzen Parmesan zu nennen.

Dementsprechend findet sich auf dem Etikett des Oaks & Âmes Mauritius Pure Single Rum White auch nirgends das Wort „agricole“, auch wenn er aus reinem Zuckerrohrsaft der ersten Pressung des rein lokal angebauten Zuckerrohrs hergestellt wird. 10 bis 14 Tage fermentiert der Saft, wird dann in Kupferbrennanlagen batch-destilliert (also nicht kontinuierlich), und trägt darum die Kennzeichnung „Pure Single Rum“ aus der Gargano-Klassifikation für Rums. Wer sich über die englischfranzösische Namensgebung wundert und eine Aussprachehilfe dafür sucht, kann sich einfach am Namen der Destillerie halten, für den es ein gewitztes Homonym ist – Oxenham. Die Brennerei wurde 2010 gegründet, und hat den Familiennamen dafür übernommen; der vollständige Name lautet Oxenham Craft Distillery. Rein ins Glas damit!

Oaks & Âmes Mauritius Pure Single Rum White

Der Rum ist kristallklar, transparent ohne jeden Fehler. Die klare Flüssigkeit reflektiert freudig die Farben der direkten Umgebung, und schwenkt sich mittelschwer, lässt Beine an der Glaswand entstehen, die schnell ablaufen.

Man hat nur wenig Momente, die Optik wirklich zu analysieren, denn schon vom Öffnen der Flasche, übers Eingießen bis zum Schwenken ist die Nase bereits verführt vom Duft, den der Rum verströmt. Sehr zuckerrohrsaftlastig ist dieser, im Blindtest würde ich eher eine Cachaça vermuten als einen Rum, die fruchtige, schwere Süße mit deutlich mineralischen und vegetabilen Komponenten drängt sich ausdauernd nach vorne: Reife tropische Früchte, Litschis, Guaven und Mango beherrschen das Bild, ein bisschen Kieselsteine und frischer, grüner Blattschnitt sind dabei, ein Anflug von Lack, der die Nasenschleimhaut beim tiefen Schnuppern kitzelt. Wie gesagt, sensorisch sehr aromatisch, effektvoll und aktiv.

Oaks & Âmes Mauritius Pure Single Rum White Glas

Sehr süß und sehr schwer ist der Antrunk, das fühlt sich fast wie Sirup an, eine kräftige, volle Textur unterstützt das. Initial ist richtig viel Aroma von Zuckerrohrsaft vorhanden, kombiniert mit einer erkennbaren grasigen Note. Leichte Fruchttöne schälen sich langsam aus der Süße heraus, wie die Nase schon meldete ist das hauptsächlich Litschi und Guave. Gleichzeitig entwickelt sich eine unterschwellige Würze, Tabakblätter und Muskatnuss, schwarzer Pfeffer und Heu; diese Würze kommt aber nie ganz nach oben, sondern unterstützt das Gesamtbild subtil. Dass hier 43% Alkoholgehalt enthalten sind, spürt man erst spät, und weniger durch alkoholisches Brennen denn durch ein tiefes Brummen. Aquariumkies und Algen klingen von Anfang an mit, der Abgang ist mittellang, mit mildfeurigem Effekt im Rachen, an Gaumen und Zunge. Wintergrün erscheint schließlich im Nachhall, bleibt dann eine ganze Weile bei uns.

Mir gefällt an diesem Rum ganz besonders die Struktur – das Mundgefühl ist wirklich dicht und schwer, ohne jede Kante, rund und weich, hat aber dennoch Charakter mit einigem an Würze, ich würde ihn fast schon „dunkel“ bezeichnen, rein vom Eindruck her. Das fühlt sich einfach toll an im Mund, da hat man einiges, über das man Sinnieren kann während des Trinkens, und man hat echt Lust, ihn lang im Mund hin und her zu drehen; für ungereiften Rum ist das schon beeindruckend.


Um so sicherer funktioniert so ein Texturdrink dann in einem Cocktail, da liefert er neben der Aromatik eben auch etwas Samtigkeit mit, die viel Säure und Frucht auffangen und balancieren kann. Im Prince Henry Punch zum Beispiel gibt der Oaks & Âmes Mauritius Pure Single Rum White schöne Kraft und Dichte mit. Die aparte Mischung aus Melasse- und Saftrum, kombiniert mit meiner Lieblingszutat Chartreuse, liegt fein am Gaumen und ist trotzdem frisch.

Prince Henry Punch Cocktail

Prince Henry Punch
¾oz / 23ml ungereifter Rhum agricole
¾oz / 23ml gereifter Melasse-Rum
¾oz / 23ml Limettensaft
½oz / 15ml Chartreuse Verte
½oz / 15ml Himbeersirup
6 Spritzer Angostura Bitters
Auf Eis shaken. Auf Eis servieren.

[Rezept nach Pablo Moix]


Eine recht ungewöhnliche Form hat die Flasche – unten breit und schmal, oben rund und bauchig, da werden zwei recht bekannte Flaschenstile miteinander verwoben und verwirren das Auge etwas. Ein Plastikkorken ist heutzutage Standard und überhaupt kein Problem bei einem Produkt, das keine lange Stehzeit zu erwarten hat. Der weißblau gehaltene, stilsicher designte Präsentkarton hat ein schönes, aufgeprägtes Holzmuster und stellt ein paar Informationen über den Rum bereit, so dass ein Käufer nicht die Katze im Sack kaufen muss.

Auf dem Etikett findet sich noch ein kleines Siegel, mit der Aufschrift „Certified Rum of Mauritius – RPAM“. RPAM ist die Rum Producers Association Mauritius, ein Zusammenschluss der Hersteller auf der Insel, und das Siegel damit wohl eine sich auf Konsens der Brenner beziehende Zertifizierung. Es ist gut, dass es soetwas gibt, man sieht aktuell auf Barbados, wozu ein Dissens der Hersteller in einem begrenzten Markt führen kann. Daher nehme ich das einfach mal als Zeichen, dass man auf Mauritius selbstbewusst die eigenen Rums protegiert, zusammenhält, und aber auch nicht auf einen fahrenden Agricolezug aufspringen will. Und wie man beim Oaks & Âmes Mauritius Pure Single Rum White sieht, hat man allen Grund dazu – eine eigenständige Aromatik, die aus dem Terroir der Insel im westindischen Ozean (dem echten, bevor der Irrtum des Kolumbus den Begriff in eine ganz andere Weltregion entführte) entsteht.

Offenlegung: Ich danke FFL -RUM Brands- für die kosten- und bedingungslose Zusendung einer Flasche dieses Rums.

Bier am Freitag – Fischer Blonde Tradition und 3 Houblons Alsaciens

Mein Kontakt mit französischem Bier läuft, nun, sagen wir mal, schleppend. Immer wieder kaufe ich in den nahegelegenen Supermärkten auf französischer Seite der Grenze Bier aus dem Nachbarland, oft gebraut im Elsass; und immer wieder stelle ich fest, dass es mich nicht so recht wundert, dass die französischen Supermärkte viel belgisches und deutsches Bier anbieten, die deutschen Gegenparts allerdings so gut wie nie französisches. Nun sind unsere Nachbarn ja deutlich eher Wein- denn Biertrinker, doch die grenznahen Regionen wie das Elsass und Lothringen, und auch Gebiete in Nordfrankreich, haben eigentlich eine reiche Tradition an Brasserien, und daher gebe ich nicht auf, das Bier von dort zu finden, das mich begeistert. Seit 1821 zum Beispiel wird in der Brasserie Fischer Bier gemacht, mit regionalen Zutaten sogar, wie das Etikett stolz aussagt. Die 65cl-Flaschen des Fischer Blonde Tradition und 3 Houblons Alsaciens mit Bügelverschluss haben mir optisch extrem gefallen – und so folgt nun der nächste Versuch den Gerstensaft à la française kennenzulernen.

Fischer Blonde Tradition und 3 Houblons Alsaciens

Beginnen wir mit dem Fischer Blonde Tradition, einem mit Glukosesirup und Hopfenextrakt hergestelltem untergärigen Bier, 6% Alkoholgehalt machen es zumindest mal stärker als viele Helle in Deutschland. Es ist immer sehr befriedigend, einen Bügelverschluss aufzuploppen, das ist hier keine Ausnahme. Ins Glas schwappt das Bier mit nur leichter Schaumbildung, dieser sinkt weiterhin in sich zusammen, ein dünner Flaum bleibt erhalten – zusammen mit der leuchtenden, kristallklaren, goldenen Flüssigkeit ein sehr attraktives Blondes. Der Geruch ist dafür weniger hübsch, nun, das kann man so nicht sagen – er existiert halt kaum. Mehr zu erratende Anflüge von Gerste und Bitterhopfen, etwas rostiges Metall, ein Touch von Plastik. Nicht wirklich ansprechend, schade, der Kontrast zwischen Optik und Nase ist frappierend.

Fischer Blonde Tradition

Im Mund hat man dann halt ein gesüßtes Helles, es ist fast lustig, wie offensichtlich der Glukosesirup sowohl das Mundgefühl als auch den Geschmack anführt. Getreidearomen versuchen, sich dagegen durchzusetzen, bleiben aber unerfolgreich dabei. Eine fast schon künstliche Fruchtnote, die an Fruchtkaugummi erinnert, kommt dazu. Immerhin ist die Rezenz da, sowohl von der Frische als auch der Säure, das klappt gut. Doch der Rest ist oberflächlich und artifiziell, und der Abgang dauert höchstens 2 Sekunden, und ist am Ende dann sogar noch kratzig.

Ich könnte sagen, ja, das ist halt ein einfaches Bier, aber die Süße macht schlicht alles kaputt, was da an Spannung da sein könnte, oder wenigstens an einfachem Bierstandard. Mich wundert, dass sowas bei den Franzosen mit ihrem Qualitätsbewusstsein, was alle anderen Lebens- und Genussmittel angeht, zu verkaufen ist. Man stelle sich vor, man würde ihnen gesüßten Wein vorsetzen – ich ahne schon das Drama, das da folgen würde.


Die Erwartung an das Fischer 3 Houblons Alsaciens ist nach der Erfahrung des Blonde Tradition nicht besonders hoch, insbesondere, da die drei namensgebenden alsässischen Hopfensorten nicht namentlich erwähnt werden, und dann auch nur als Hopfenextrakt und nicht als Frischhopfen eingesetzt werden. Mit 7,2% Alkoholgehalt ist es etwas stärker, und obergärig eingebraut. Hier hat man sich auch entschieden, zusätzlich zum Glukosesirup auch noch Zucker einzusetzen – die Erwartungshaltung sinkt immer mehr.

Fischer 3 Houblons Alsaciens

Auch hier weiß allerdings die Optik erstmal über viel hinwegzutäuschen, schönes, kräftiges Kupfer, kristallklar und leuchtend, dazu ein feinblasiger Schaum; mir gefällt es. Mit der Nase muss man dann den so offensiv beworbenen Hopfen echt suchen, das hat keinesfalls auch nur ansatzweise deutliche Fruchtigkeit, wie man sie vielleicht bei einem Pale Ale erwartet, oder auch nur einem hopfengestopften Hellen. Eigentlich riecht es genauso wie das Blonde Tradition, leicht gerstig, leicht nach Plastik, nur minimal orangig vielleicht. Das ist aber mehr meiner Fantasie zuzuschreiben, wahrscheinlich.

Der Gaumen findet dann aber doch noch die Hopfenfrucht, sehr viel deutlicher, als es die Nase vermochte. Hier könnte man leichte Aprikose, Orange und Mango feststellen, die durch die künstliche Süße unterstützt auftauchen. Im Verlauf wandelt sich das Bild hin zu etwas Floralität, auch hier ist der Hopfen wahrscheinlich verantwortlich, während eine ganz milde Getreidewürze dazukommt. Frische ist mäßig gegeben, leicht kantige Säure kitzelt den Gaumen wenigstens, obwohl die Süße das Bier sehr stumpf macht. Der Abgang ist kurz bis mittellang, hier weiterhin von Blumigkeit dominiert – das schönste am ganzen Bier.


Das 3 Houblons Alsaciens ist das klar interessantere Bier der zwei hier vorgestellten, aber das will nichts heißen: Der Zucker zerstört bei beiden jede Komplexität und damit den Genuss. Da beißt die Maus keinen Faden ab – für den deutschen Gaumen taugen beide nicht wirklich. Dass der Zuckerzusatz eine klare Geschmacksentscheidung ist, sieht man an den auf dem Rücketikett mitgelieferten Tasting Notes, die die Süße betonen. Vielleicht trinkt man im Elsass einfach gern süßes Bier. Das muss ich dann hinnehmen, aber ich weiß, dass ich nicht dorthin zum Bierausflug muss. Meine Queste geht weiter.

Rosen und Pflaumen – Yumehibiki Rose Ume Liqueur

In ganz Ostasien sind sie verbreitet, besonders die Chinesen und Japaner mögen ihre leichten aber aromatischen Pflaumenliköre sehr. Der europäische Gaumen kennt sie eigentlich auch, gerade in chinesischen Restaurants hierzulande findet sich oft ein Gläschen davon als Absacker nach einem üppigen Essen auf dem Tablett mit der Rechnung, und hin und wieder habe ich sogar eine Miniaturflasche als Geschenk des Hauses beim All-you-can-eat-Buffet des Restaurants des Vertrauens bekommen (ich hoffe, es handelte sich dabei nicht um einen Preis bei einem Esswettbewerb, bei dem ich unwissentlich teilnahm). Es hört sich also erstmal exotisch an, im Endeffekt kennen wir den Geschmack aber – frische Säure, aromatische Frucht, leichte Süße, niedriger Alkoholgehalt, so würde ich den Archetyp eines Pflaumenlikörs im asiatischen Stil beschreiben; deutlich unterschiedlich also zu dem oft eher schwereren, süßwürzigen Pflaumenlikör europäischer Provenienz, der ja aber auch auf einer völlig anderen Frucht basiert.

Es gibt unzählige Varianten, die oben verlinkten Beispiele zeigen schon, dass die Hersteller gerne experimentieren, es ist keine kleine Kategorie, sondern eine breit gefächerte mit unzähligen Produkten – von fassgereiften Exemplaren über Vintage-Liköre bis zu aromatisierten Exemplaren gibt es für jeden Geschmack eine Fassung. Der Yumehibiki Rose Ume Liqueur ist dafür wunderbares Anschauungsmaterial: Ein klassischer japanischer Umeshu von der klimatisch für den Anbau der japanischen Ume-Pflaume perfekt geeigneten Insel Kyushu wird mit echten Rosenblättern aromatisiert. Der Hersteller Oyama Yume Kobo betont, dass diese essbaren Rosen aus pestizidfreiem Anbau stammen, eine Zusage, die beim Einsatz natürlicher Zutaten ein wichtiger Bestandteil der modernen Lebensmittelsituation geworden ist. Man ahnt bereits, dass die Verwendung echter Rosen und der Verzicht auf künstliche Aromastoffe darauf hindeuten, dass wir hier ein hochwertiges Produkt vor uns haben – verifizieren wir das aber auch mal sensorisch mit einem ersten Schluck.

Yumehibiki Rose Ume Liqueur

Die Farbe ist tatsächlich ein dezentes Rosé, wie man das auch von Wein kennt, mit leichten Anklängen von Orange. Im Glas bewegt sich die Flüssigkeit schwer, und steht wieder schnell, nachdem man sie in Bewegung versetzt hat. An der Glaswand bleiben vereinzelte Artefakte zurück, eher ein Tropfenmuster als die sonst üblichen Beinchen, das ist natürlich dem niedrigen Alkoholgehalt von 12% geschuldet.

Dass es sich um einen aromatisierten Umeshu handelt stellt die Nase dann direkt fest. Trotz der Rosenblätter ist die japanische Ume-Pflaume mit ihrer leichten Fruchtigkeit und schon erriechbaren Säure dennoch die beherrschende Komponente. Das erinnert etwas an milden, trüben Apfelsaft, an Quitten und Birnen, beide noch nicht ganz reif; mit einem Touch von Himbeere. Die Rosenblätter kommen erst sehr spät im Duft vor, und dann auch eher subtil als Beinote denn wirklich prägnant.

Yumehibiki Rose Ume Liqueur Glas

Auch im Mund kommt die Säure der Ume-Pflaume als erstes zur Geltung, und bleibt bei uns im gesamten Verlauf. Roter Apfel, Birne und Quitte sind vielleicht wirklich die besten Vergleiche, die man dafür findet. Gleichzeitig spielt eine natürliche Süße mit, die aber nie versucht, gegen die Säure und milde Bittere wirklich anzutreten. Schön weich ist die Textur initial, geht aber dann doch ins Herbtrockene über, passend zur Frucht. Den Alkohol des Yumehibiki Rose Ume Liqueur ahnt man nur durch eine zarte Wärme, die im Rachen und der Speiseröhre beim Herunterschlucken entsteht. Als Kopfnote kommen dann die Rosenblätter ganz leise vor, hier hat man wirklich nicht versucht, einen künstlichen Rosendampfhammer einzubringen, sondern sich auf ganz natürliche Extraktion aus Rosenblättern verlassen – und die geben eben nicht Massen an Geschmack ab. Der Abgang ist schließlich kurz, weiterhin vom Effekt der Säure und den Aromen der Pflaume getragen.

Ein wirklich subtil und vorsichtig gemachter Rosen-Umeshu, natürlich und sauber wirkend, mit idealer Balance und einer angenehmen Zurückhaltung. Das gefällt mir sehr, insbesondere in Momenten, wenn man etwas ganz Leichtes trinken möchte, das trotzdem aromatisch ist. Für Freunde des sensorischen Overkills ist das natürlich nichts, die werden sich unterfordert fühlen – man sollte sich auf die sanfte Zartheit und das japanische Understatement dieses Getränks einlassen können.


Im Original heißt der nun vorgestellte Cocktail Killer Queen und verwendet mit Rosenblättern aromatiserten Lillet und Angostura. Ich habe die beiden Zutaten japanisiert, nehme statt dem Lillet den Yumehibiki und statt Angostura die The Japanese Bitters Shiso. Damit ist der Namenswechsel dann hoffentlich gerechtfertig – ich benenne ihn hier nach dem Ehrentitel der japanischen Kaiserin Killer Kogo.

Killer Kogo Cocktail

Killer Kogo
2oz / 60ml Dry Gin
¾oz / 23ml Rosen-Ume-Likör
¼oz / 7ml Bénédictine
4 Spritzer Shiso-Bitters
Auf Eis rühren.

[Rezept adaptiert nach Robin Wolfs „Killer Queen“]


Der deutsche Importeur schlug den Yumehibiki Rose Ume Liqueur als Muttertagsgeschenk vor – ja, das kann ich mir sehr gut vorstellen, dass das in so einem Umfeld gut ankommt (leider bin ich mit meiner Rezension hier ein paar Tage zu spät dafür dran, das ihm gleichzutun, aber es gibt bestimmt weitere Anlässe, einer geschätzten Person so etwas zukommen zu lassen).

Nicht nur, weil der Likör selbst einfach sehr angenehm zu trinken ist, sondern auch wegen der Gestaltung der Verpackung: Die kleine 200ml-Flasche ist wunderbar, fragil und gleichzeitig elegant, mit der Form eines Rosenblatts, sehr breit und sehr dünn, mit schönem Korken und einem edlen Geschenkkarton. Aaahs und Oooohs sind garantiert.

Bier am Freitag – Stone Viking Space Probe Hazy Double IPA

Mir geht es ehrlichwerweise oft so – ein Spontankauf wird vom Flaschendesign getriggert. Beim Stone Viking Space Probe Hazy Double IPA war es genau so. Das grandiose Etikett mit transparentem Hintergrund, das das Firmenmaskottchen mit den markanten Hörnern zeigt, vor einem Hintergrund einer Sternenkarte und mit der in krassem Kontrast zu diesem futuristischen Bild stehenden Frakturschrift des Produktnamens. Da bleibe ich einfach mit den Augen hängen, und damit ist der erste Schritt zum Kauf schon getan. Nicht, dass mich Stone Brewing noch groß überzeugen müsste, da weiß ich, was ich bekomme. Hier ist auch einiges schon am Etikett erwähnt: 8,5% Alkoholgehalt, hergestellt aus Weizenmalz und Gerstenmalz, der Einsatz von Ella– und Citra-Hopfen sowie überraschend Zuckersirup.

Stone Viking Space Probe Hazy Double IPA

Deutliche Hefebrocken schwimmen schon in der Flasche sichtbar herum, beim Eingießen kann man nur schwer verhindern, dass die mit ins Glas kommen. „Hazy“ wird es dadurch ganz sicher, hübsch ist allerdings anders, und ein witziger Effekt tritt auf: durch die Perlage werden die Hefeklumpen dauernd wild aufgespült und bewegt, das erinnert fast an eine Lavalampe. Feiner Schaum bleibt etwas erhalten. Die Nase ist extrem hopfig, neben den limettigen, zestigen, grapefruitigen Aromen, die in Säure und Ätherik durchaus schon kribbeln in der Nase, ist da eine sahnejoghurtige Note, die das ein bisschen auffängt – ja, das riecht wie ein Fruchtsahnejoghurt. Litschi und unreife Guaven, reife Ananas

Nur der initiale Antrunk hat dann auch geschmacklich was von dieser Süßspeise, schnell kommt die stiltypische Bittere auf, die im Verlauf immer stärker wird. Säure und Würze sind da, besonders letztere ist wirklich kräftig ausgebaut, da ist Honig, Heidekräuter und Schüttelbrot da, das sich gegen die Komposition aus vielgestaltiger tropischer Hopfenfrucht zur Wehr setzt. Eine dicke Textur kommt dazu. Frische und Rezenz sind fraglos, aber diese wilde Mischung aus Süßsauerbitter ist schon etwas gewöhnungsbedürftig – der zugesetzte Zucker gibt zwar Volumen, aber auch ein bisschen Oberflächlichkeit ins Bier. Gegen Ende ist da eine fast schon kratzige Bittere, die im hinteren Rachen beständig liegen bleibt, während sich die anderen Aromen und Effekte langsam ausgleichen – das Stone Viking Space Probe zeigt sich verrückterweise dann von seiner besten Seite, wenn man es schon heruntergeschluckt hat.

Wenn man diesen Bierstil mag, ist Stone wieder mal eine Bank, dass sie abliefern. Anbiedern tun sie sich mit ihren Bieren jedenfalls nicht – und das mag ich irgendwie. Nicht immer, manchmal darf es ruhig etwas freundlicher und sanfter sein, aber oft.