Spirits Selection by Concours Mondial de Bruxelles – Edition 2020 – Brüssel (Belgien)

Spirits Selection by Concours Mondial de Bruxelles – Edition 2020 – Brüssel (Belgien) Titel

Normalerweise würde ich einen Bericht über Spirits Selection by Concours Mondial de Bruxelles mit der Beschreibung der Anreise beginnen. Bei dem Spirituosenwettbewerb, der jedes Jahr in einem anderen Land stattfindet, hatte ich schon so illustre Ziele wie Chile, Bulgarien und China besuchen dürfen – dieses Jahr war die Reise allerdings mehr ein Katzensprung über zwei Grenzen hinweg im Auto. Brüssel, die Hauptstadt Belgiens, war ein Ausweichziel, da die ursprüngliche Location, Barranquilla in Kolumbien, aufgrund der SARS-CoV-2/Covid-19-Pandemie nicht mehr zur Verfügung stand, und für mich sind das nur knappe 3h über Luxemburg zu fahren. Ein seltsames Gefühl allerdings, wenn man Luxemburg nach Belgien verlässt, und das Navigationsgerät sagt, man soll der Strecke 185km folgen – das hat man selten, eine sehr unereignisreiche Fahrt daher.

Brüssel selbst ist dagegen für den Autofahrer selbst mit Navigation kein Spaß, die Stadt mit Straßen ohne rechte Winkel und viel Gefälle, viel Kopfsteinpflaster im Zentrum und Radfahrern und Fußgängern ohne Gnade machte mir etwas zu schaffen. Am Ende war das Auto geparkt, im engsten Parkhaus, das ich je gesehen habe, wo meine Radioantenne auf dem Autodach an der Decke des Parkhauses streifte.

Spirits Selection by Concours Mondial de Bruxelles – Edition 2020 – Brüssel (Belgien) Tasting Flights 2

Nun, es gab also doch so etwas über die Anreise zu berichten, offensichtlich. Der Wettbewerb selbst war unter keinen wirklich guten Vorzeichen eröffnet worden – Lockdowns, Ausgangssperren, Versammlungsverbote, die Welt Ende Oktober 2020 halt. Nur das klar ausgearbeitete und durchgehaltene Hygienekonzept erlaubte es überhaupt, dass sich erneut ein paar Dutzend Spirituosenkenner im Hotel treffen konnten, um ihre Arbeit zu tun und über 1400 Spirituosen aus aller Welt zu verkosten, zu bewerten und zu prämieren. Da aus verständlichen Gründen auch keine internationalen Kenner anwesend sein konnten, füllten die Organisatoren die Panels mit Experten hauptsächlich aus Frankreich und Belgien auf; das eh schon sehr frankophone Event wandelte sich in ein beinahe komplett französischsprachiges Ereignis.

Da die gesamte Logistikkette von der Ausnahmesituation betroffen war, änderte sich auch der Tagesablauf für uns Juroren. Normalerweise besteht der Ablauf einer Spirits Selection aus Arbeit morgens, mit der Verkostung mehrerer Flights unterschiedlichster Brände, und aus Erhohlung nachmittags, mit dem Besuch von Destillerien, kulturellen Aktivitäten und ähnlichem. Letzteres fiel natürlich leider dieses Jahr völlig flach, und alles konzentrierte sich auf das Hotel. Nur kurze fußläufige Expeditionen ins Zentrum der Stadt, zum extrem beeindruckenden Grand-Place (den man beinahe leer besonders genießen konnte), zum deutlich weniger aufregenden Manneken Pis und ein paar hochgradig gut ausgestatteten Schokoladen- und Biergeschäften waren möglich.

Spirits Selection by Concours Mondial de Bruxelles – Edition 2020 – Brüssel (Belgien) Grand-Place

Statt einem großen Tisch für eine Jury gab es mehrere kleine, Abstände und Maskenpflicht sorgten für ein bisschen Heiserkeit und Kopfschmerz, weil man beständig schreien musste, um sich über die Sprachbarrieren hinweg verständigen zu können; hier erkennt man, wie wichtig es ist, den sich bewegenden Mund zu sehen bei der Kommunikation. Ein sardischer Brenner versorgte uns mit einem selbstgebrannten Desinfektionsmittel aus 85% reinem Alkohol mit lokalen Kräutern, und Desinfektionsgelspender waren alle drei Meter verfügbar.

Auch die tatsächliche Arbeit war für mich dieses Jahr anders – während die Prozeduren und Abläufe inzwischen sehr gewohnt für mich sind, hatte ich die Ehre erhalten, als Vorsitzender meiner Jury antreten zu dürfen. Der Vorsitzende organisiert den täglichen Ablauf des Tischs, kümmert sich um Fragen zu eher unbekannten Bränden, und hat am Ende das letzte Wort, was die Vergabe von Medaillen angeht – also viel Verantwortung, der ich hoffe, gerecht geworden zu sein.

Spirits Selection by Concours Mondial de Bruxelles – Edition 2020 – Brüssel (Belgien) Tasting Tables

Was waren die Highlights dieser Lockdown-Ausgabe? Erneut natürlich die Masterclasses, teilweise als Videokonferenz abgehalten, bei denen die aus vorigen Jahren schon gut bekannten Experten der Independent Stave Company (ISC) über die Holzauswahl zur Aromaprofilbildung informierten, und Maryse Bolzon von Lallemand Biofuels & Distilled Spirits über die unterschiedlichen Möglichkeiten, die Fermentation in bestimmte Richtungen zu steuern mittels Selektion von Hefestämmen, Einsatz von Bakterien, und verschiedenen anderen modernen Technologien.

Wenn der Ochs nicht zum Berg geht, kommt der Berg zum Ochsen. Da leider keine Destilleriebesuche möglich waren, zeigten belgische Brenner ihre Arbeit per Präsentation und Vortrag im Hotel vor Ort. Etienne Bouillon, der Gründer der The Owl Distillery, präsentierte seinen belgischen Single Malt Whisky Belgian Owl – eine Destillerie, die ich sicher in besseren Zeiten einmal besuchen werde, besonders da ich Etienne als Mitglied „meiner“ Jury etwas kennengelernt habe. Christophe Mulatin erzählte etwas über die Biercée Distillery, deren Hauptprodukt, der Zitronenlikör Eau de Villée, vielleicht eine der populärsten und verbreitetsten Spirituosen in ganz Belgien ist. Die Brüsseler Cocktailikone Alain Vervoort versorgte uns abends schließlich noch mit einem Negroni-Twist, basierend rein auf belgischen Zutaten.

Spirits Selection by Concours Mondial de Bruxelles – Edition 2020 – Brüssel (Belgien) Masterclasses

Die Mitbringsel dieses Jahr konzentrierten sich auf Bier; für mich gar kein Problem, denn Bier ist der wahre Schatz Belgiens. Höchsterfreut war ich insbesondere, endlich ein paar Flaschen des doch eher kompliziert zu bekommenden Westvleteren-Trappistenbiers in die Hände zu bekommen, mit 18€ pro Drittelliterflasche doch ein Luxus, den man sich eher selten gönnt. Dazu ein Gulden Draak, das im Calvadosfass gereift wurde, und ein paar Fläschchen Orval, das nun für ein oder zwei Jahre erstmal im Keller schlummern darf, um seine Genussreife zu erhalten. Jede Biermarke hat in Belgien ihr eigenes Glas, und so brachte ich auch davon eine Selektion mit. Da verlässt man einen Shop mit ein paar Flaschen Bier und einer Rechnung von 120€ – nun, es ist es wert. Leider habe ich wegen der leichten Hektik am Ende des Wettbewerbs vergessen, auch noch eine Flasche des oben bereits erwähnten Eau de Villée einzupacken; das wird beim nächsten Belgienbesuch dann nachgeholt, denn dieser klare Zitronenlikör hatte mich schon etwas fasziniert. Das Event klingt nun noch etwas nach, ein Coronatest folgte direkt am Tag nach der Rückkehr, und nun verbringe ich etwas Zeit in Quarantäne, bis das Ergebnis feststeht, um sicher sein, dass ich außer den erwünschten Mitbringseln nichts Unerwünschtes im Gepäck hatte.

Spirits Selection by Concours Mondial de Bruxelles – Edition 2020 – Brüssel (Belgien) Mitbringsel

Nach drei intensiven Tagen war die Arbeit getan, ich habe erneut viel über Spirituosen gelernt, und viele sehr interessante Leute kennengelernt. Das ist für mich immer der Grund, warum ich mich jedes Jahr auf dieses Event freue – Spirits Selection ist die Möglichkeit, alte Freunde wiederzusehen und neue zu finden. Schnaps verbindet. Und auch wenn das eventuelle Gastland für 2021 aufgrund der unplanbaren Umstände dieses Jahr noch nicht bekannt gegeben wurde, habe ich die Zeit dafür schon reserviert; egal, wo es hingeht, es wird grandios, wie jedes Jahr. Dort hoffe ich dann auch, die dieses Jahr arg vermissten Freunde aus Brasilien, Mexiko, Chile, den USA und Kolumbien endlich wiederzusehen.

Veröffentlicht von schlimmerdurst

Hüte dich vor denen, die nur Wasser trinken und sich am nächsten Tag daran erinnern, was die anderen am Abend zuvor gesagt haben.