Krieg der Welten – Veritas White Blended Rum

Veritas White Blended Rum Titel

Namensrechte sind manchmal lustig. Und verwirrend. Ich hatte ja vor Urzeiten schon über die seltsame Benamung des Rums erzählt, der weltweit unter dem Namen „Diplomático“ bekannt ist, die man in Deutschland pflegt. Etwas ähnliches ereignet sich auch für den Rum, den ich heute hier vorstelle – nur mit anderen Ländern. In einem Land, den USA, ist er unter dem Namen Probitas käuflich zu erwerben, für den Rest der Welt heißt er, wie auch in Deutschland, Veritas White Blended Rum, der Saft in der Flasche ist aber derselbe. Veritas, lateinisch für die Wahrheit, ein Rum mit höherem Anspruch also? Die amerikanische Version, Probitas, geht da sogar noch weiter, da reklamiert man für sich nicht nur die Wahrheit, sondern gar tugendhafte Redlichkeit. Das Hauptargument, mit dem man dies tut, ist in einem Nebensatz auf dem Rücketikett formuliert: „unsullied by sophisticated dosage“, also ohne den Einsatz verfälschender Süßung, eine kleine Spitze gegen die Nemesis von Richard Seale von Foursquare, Maison Ferrand, die die Süßung von Rum als eine die Produktqualität steigernde Veredlung ansehen.

Wir finden in der Flasche eine Kollaboration zweier karibischer Brennereien, organisiert vom italienischen Importeur Velier: eine Mischung aus Rums, die der Coffey Still bei Foursquare auf Barbados und der Double Retort Pot Still bei Hampden auf Jamaica entflossen sind. Neulich erst hatte ich einen Rum ähnlicher Machart besprochen, den Burke’s Seamaster, es scheint zwischen den beiden Inseln also grundsätzlich zu klappen – beide sind sehr interessiert daran, ihre Produkte über das Maß des bisherigen Schutzes des CARICOM-Verbands hinaus als geschützte geographische Angaben zu positionieren. Ich unterstütze das sehr, ich glaube, dass, wenn „Barbados Rum“ oder „Jamaica Rum“ auf einer Flasche steht, man auch sicher sein sollte, dass das ganze Produkt auf der jeweiligen Insel hergestellt wurde – und nicht ein großer Teil der Herstellungskette plötzlich in kontinentaleuropäischen Weinkellern stattfindet. Die Diskussion ist im Gange, laut und harsch, mit viel Herzblut und auch ein bisschen virtuellen Fäustkämpfen, kein Wunder, da geht es um einiges.

Veritas White Blended Rum

Helles Stroh sieht man, wenn man sich den ersten Schluck einschenkt. Auch wenn der Rum als „white“ ausgezeichnet ist, hat er doch einen Anteil eines zwei Jahre lang holzgereiften Foursquare-Rums, der diese leichte Tönung verursacht – diese Tatsache muss man aber erst recherchieren, nachdem man sich gewundert hat. Deutliche Schwere ist beim Schwenken auch ohne solche Mühe erkennbar, ebenso wie der schöne, fette Film, der sich dabei an die Glaswand legt.

Die Nase ist dagegen eher etwas dünn, leichte tropische Frucht findet man, eher überreif, das ist sicherlich auf den Hampden-Anteil zurückzuführen, dazu etwas Zuckerwatte und Melasse, aber alles auf einer eher niedrigen Amplitude. Es kommt halt darauf an, was man von einem „weißen“ Rum erwartet, hier unterscheiden sich die Stile doch deutlich, der Veritas geht jedenfalls deutlich eher in die schmale, um nicht fast zu sagen neutrale, Richtung. Vanille und Karamell findet man noch, etwas fast mentholische Frische, die von leichtem Ethanol gestützt wird. Der Rum wird auf dem Rücketikett als Cocktailzutat angepriesen, ja, jedenfalls ist er für die Schnupperer unter uns erstmal wenig spannend.

Veritas White Blended Rum Glas

Süß und schwer legt er sich dann auf den Gaumen, mit sehr viel mehr Volumen, als man ihm von der Nase her zugetraut hätte. Reife Frucht, viel vergammelte Ananas und braune Banane, ist der Vorläufer für sehr viel Barbados-Typizität, mit Kokosnuss und weißer Schokolade. Eine dichte, runde Textur gefällt mir sehr, in diesem Aspekt überzeugt mich der Veritas voll, da ist Kraft drin, die Wärme und Würze, die sich im Verlauf aus den 47% Alkoholgehalt entwickeln, tun ihr übriges dazu. Aromatisch klingt der Rum dann aber schnell wieder ab, während die Effekte noch lange da sind, ist am Gaumen nur noch ein leichter Eisenton da, der mit einer Erinnerung an etwas frisch gepressten Zuckerrohrsaft konkurriert.

Ein sauberer Rum ohne Sperenzchen, der die Charakteristiken von Barbados und Jamaica schön integriert, ohne einer Komponente wirklich die Bühne zu überlassen – ich weiß nicht so recht, ob ich voll überzeugt bin vom Ergebnis. Nach meiner Erfahrung muss ein ungereifter Rum nicht langweilig sein, im Gegenteil, der kann richtig krachen mit superstarker Aromatik und Spannung, der Veritas ist dagegen eher einer der gemächlicheren Rums, für die, die einen klassischen Cocktailrum mit einem für den Einsatzzweck vernünftigen Maß an Charakter suchen, der in den traditionellen Rezepten super funktioniert, ohne wirklich herauszustechen.


Ich zitiere dafür beispielsweise den Tonga Punch aus der Schmiede des Tikigotts Trader Vic. Ich genieße diese klassischen Rezepturen, die wunderbar ausbalanciert sind, eben weil man keine funkigen Estermonster in ihnen einsetzt. Und, am Ende muss man das ehrlich sagen, trotz aller Fragezeichen, die sich in meinem Kopf gebildet haben, in so einem Szenario leistet der Veritas ganz hervorragende Dienste.

Tonga Punch Cocktail

Tonga Punch
2 oz ungereifter Rum
½ oz Orange Curaçao
1½ oz Orangensaft
¾ oz Zitronensaft
¼ oz Limettensaft
¼ oz Grenadine
Mit Eis blenden.

[Rezept nach Trader Vic]


Über die Flasche gibt es nichts besonderes zu erzählen, das Etikett hält sich mit Kitsch und Fantasie extremst zurück, was ich sehr zu schätzen weiß; das Wappen mit dem Fass und den Flügeln ist eine Abwandlung des „Guardians of Rum“-Logos, einer losen und unorganisierten Gruppe von Leuten, die sich die Verteidigung des reinen Rums auf die Segel geschrieben haben; dies passt in das Weltbild des Rums, noch ein bisschen Propaganda mehr, als der Produktname sie schon liefert.

Man merkt vielleicht meiner Besprechung an, dass ich leicht zwiegespalten bin. Das liegt aber, glaube ich, hauptsächlich daran, dass der Veritas mit riesigen Vorschusslorbeeren, einem enormen Versprechen und in einer Situation, in der in der Rumwelt auch produktpolitische Agenden ausgefochten wurden, angetreten ist. Die sozialen Medien überschlugen sich, es gab plötzlich einen neuen Platzhirsch, der alle anderen Alternativen in dieser Kategorie in den Hintergrund zu drängen suchte, unterstützt natürlich durch die enorme, laute Fangemeinde, die Foursquare und Velier aufgebaut haben – und diesen Lärm kann dieser Rum nicht zu hundert Prozent bestätigen, finde ich. Man verstehe mich nicht falsch, der Veritas als Spirituose kann dafür natürlich überhaupt nichts, bleibt am Ende des Tages ein sauberer, guter und hervorragend funktionaler Cocktailrum, und dafür würde ich ihn auch ohne jeden Gewissensbiss sofort weiterempfehlen.

Veröffentlicht von schlimmerdurst

Hüte dich vor denen, die nur Wasser trinken und sich am nächsten Tag daran erinnern, was die anderen am Abend zuvor gesagt haben.