Ein Termin wird in der Rumgemeinde weltweit immer mit viel Bohei gefeiert – der Black Tot Day, ich hatte schon vor einer Weile bei einem Bier erläutert, worum es dabei geht. Nun ist 1970 ja recht lange her, der normale Seemann, der den Daily Tot noch erlebt hatte, ist wahrscheinlich längst in Rente. Der, der heute diesen Tag feiert, sieht das ganze natürlich nur aus der Perspektive des Konsumenten, der nicht den harten Dienst auf einem Kriegsschiff mit in seine Sicht aufnimmt – die Hersteller berufen sich aber sehr gern auf die alte Sitte, und so findet man auch heute noch viel Navy Rums, die nun halt flaschenweise an den Rumgenießer auf der Couch zuhause geliefert werden statt fassweise an das Kriegsministerium in Großbritannien.
Den schwarzen Tag in der Seemannsgeschichte trägt der Black Tot Rum entsprechend trotzdem stolz im Namen, auch wenn es eigentlich nichts zu feiern gibt (außer, man ist Teetotaller). Die Rezeptur ist jedenfalls schonmal tatsächlich eine klassische für Navy Rums, die schon immer eine Mischung aus Rums aus den verschiedenen damaligen Kolonien des Weltreichs darstellten. Barbados, Jamaica und Guyana liefern aus ihren Pot und Column Stills die Bestandteile in diesem Fall nach Schottland, wo der Blend dann auf 46,2% eingestellt und abgefüllt wird. Ein Alter ist nicht angegeben, es wird nichteinmal angedeutet, was aber klar ist, ist, dass keine Süßung erfolgt, sei es durch direkte Beigabe von Süßmitteln oder einer Verwendung aromatisierter Fässer.
Da wir schon bei den technischen Herstellungsdetails sind – während auf dem Etikett zwar steht, dass der Rum nicht kaltfiltriert ist, fehlt die oft in diesem Umfeld gleichzeitig vorhandene Zusicherung, dass er nicht gefärbt ist. Gehen wir also von etwas E150 aus, während wir den leuchtende Bernstein im Glas begutachten. Durchaus ölig und schwer liegt er dort, und hinterlässt nach vorsichtigem Schwenken dicke, einzelne Beine, die unabhängig voneinander in unterschiedlichen Geschwindigkeiten ablaufen. Dabei kann man schon beginnen, die Aromen zu beschnuppern, die dabei das Glas verlassen – für mich persönlich riecht das sehr nach Barbados, mit den für dorther stammende Rums typischen Würz- und Karamellnoten. Ein bisschen esterige Frucht, Bitterorange und Banane, ein leicht pikantwürziger Unterton in Richtung oxidiertes Kaffeepulver und eine schon zwickende Lacknote komplettieren das Bouquet.
Schon beim Antrunk merkt man, dass der Körper des Black Tot mittelschwer ist, die initiale Süße wird schnell eingeholt von kräftiger Pfeffrigkeit. Die Jamaica-Komponente wird hier nun sehr erkennbar, die bekannten Fruchtester überholen die immer noch vorhandene, aber zurückgedrängte schokoladigkaramellige Basis. Deutliche Bitterkeit ergänzt das Feuer, das nun am Gaumen und auf der Zunge entsteht, da ist viel Feuer, bei 46,2% Alkoholgehalt durchaus zumutbar und gut eingebettet. Gegen Ende gewinnt aber letztlich doch die Bitterschokolade und eine gewisse Nelkigkeit, und diese Eindrücke bleiben lange vorhanden.

Der Abgang ist mittellang, sehr effektvoll und warm, hinterlässt am Gaumen langanhaltende Adstringenz, die Bitterkeit bleibt ebenso erhalten wie die sehr prägnante Trockenheit, und mit einem etwas blutigem Eisenton klingt der Rum dann aus. Was ich wirklich schön finde, ist, dass man die unterschiedlichen Blendkomponenten wirklich herausschmecken kann, und sie nicht durch eine Süßung miteinander verkleistert wurden. So hat man einen Rum mit Ecken und Kanten, einer angemessenen Komplexität, der sich nicht anbiedert, sondern seinen Charakter und die der Herkunftsländer stolz vor sich herträgt.
Natürlich ist sowas ideal für die Verwendung in einem Cocktail, sowohl in Tiki-Drinks als auch in klassischen Rumrezepturen sehe ich den Black Tot Rum als geeignete Hauptspirituose. Im Sommer, in dem ich diesen Rum verkostet habe, ist mir immer sehr nach eislastigen Tikicocktails aus dem Mixer – ein kurzes Nachlesen in einem meiner vielen Rezeptbücher hat den Tutu Rum Punch der Tikiikone Trader Vic als Kandidaten hervorgebracht. Selbst gegen die gleiche Menge unterschiedlicher Säfte hält sich der Black Tot aromatisch und gibt seine ganze Power in den Drink.

Tutu Rum Punch
2 oz gereifter Rum
¾ oz Grapefruitsaft
¾ oz Ananassaft
½ oz Falernum
½ oz Zitronensaft
Mit crushed ice im Mixer blenden. Mit Minze und Kandiszuckerstab dekorieren.
[Rezept nach Trader Vic]
Bezüglich der Flasche bin ich sehr zufrieden – die Form an sich ist unspektakulär, ich mag aber diese Verdickungen am Flaschenhals. Der dekorative Deckel auf dem Naturkorken ist hübsch und hilft beim Öffnen der Flasche. Die Etiketten in den Hauptfarben Schwarz und Orange sind sehr verspielt, ohne kitschig zu werden, etwas, worunter viele Rums leider bis heute leiden. Es wird in den Texten auch nicht übermäßig auf mehr oder weniger historischen Geschichtchen herumgeritten, bei einem Rum dieses Datums wäre das auch, ehrlich gesagt, nicht angebracht. Es ist ein neues Produkt, und auch wenn man sich dem Blendrezept nach auf alte Traditionen berufen kann, so stammt es doch aus dem Jahr 2019 (neue Auflagen ändern sich wohl in 2022). So finde ich es gelungen und stilvoll. Entsprechend habe ich auch meinen Toast am Black Tot Day 2020 mit diesem Rum gemacht – wer ihn anschauen will, kann dies hier tun, und mit mir mit einem Glas dieses schönen Rums anstoßen; zumindest virtuell.
Offenlegung: Ich danke Kirsch Import für die kosten- und bedingungslose Zusendung einer Flasche dieses Rums.