Viele Hersteller suchen sich eine Geschichte, um dem Käufer mit der alten Methode des Storytelling das Produkt schmackhaft zu machen. Die Brasserie Larché hat sich dafür in ihrer Heimatregion, der Bourgogne, bedient, und den Burgunderfürst Jean sans Peur (deutsch Johann Ohnefurcht) als Paten für ihre Biere ausgesucht. Tatsächlich ist dieser furchtlose Johann mit Hopfen geschichtlich verbunden, er regte den Anbau der Pflanze als Ausgleich für den Verlust des Tuchmacherrechts an. „Bière robuste française“ steht auf dem Etikett des Sans Peur Red Sour, Smoked Ale und Triple Oaked, da freut man sich als Bierverkoster ja schon – besonders, da meine Erfahrungen mit französischem Bier nicht übermäßig begeisternd verlaufen sind. Geben wir den Burgundern eine Chance, Wein können sie ja zumindest schonmal, vielleicht klappts auch mit dem Hopfen!
Vollkommen blickdicht ist das Sans Peur Red Sour nach dem Eingießen, durch die Hefe. Man sieht beim Eingießen auch kleine Hefeflocken. An der Glaswand erkennt man trotzdem die sehr starke Perlage, die den dicken Schaum speist, der eher großblasig und beigefarben auf dem haselnussfarbenen Bier liegt – also eher nussbraun als rot, aber das lassen wir mal beiseite. Die Nase hat eine interessante Mischung aus erschnupperbarer Säure und erdig-malziger Würze: Zitronenzeste und -saft, milder Essig und Joghurt trifft auf Brot, Blumenerde und Christstollen. Leichte Kirsch- und Aprikosenaromen ergänzen das. Gar nicht unkomplex, im Gegenteil, mir gefällt das schonmal soweit sehr.
Dass es ein Sauerbier ist bleibt dann bei der Geschmacksprobe ohne Zweifel. Limettige Säure, starksaurer grüner Apfel, etwas Sauerkirsche und auch milder Apfelessig sind da als erste Impressionen, unterfüttert mit gerstig-malzigem Körper. Erkennbar nussig, im Verlauf sogar als dominierenden Eindruck, wenn die Säure abgeklungen etwas ist, was doch lange dauert. Die Textur ist leicht, das Mundgefühl herb und trocken – kein Bier für den, der gern unanspruchsvolle Lagerbiere trinkt. Im langen Abgang klingt dann ganz stark Amontilladoartige Nussaromatik nach. Mit zunehmender Trinktemperatur kommt die Süße stärker zum Vorschein (Zucker als Inhaltsstoff ist angegeben), und eine fast radicchioartige Bittere – auch das finde ich gar nicht übel.
7% Alkoholgehalt machen sich auch gut, ich bin sehr positiv überrascht! Auch wenn es nicht unbedingt rot ist, ist das ein wuchtiges, charakterstarkes und komplexes Sauerbier, das wirklich überzeugt.
Da hat das Sans Peur Smoked Ale, als nächster Verkostungskandidat, direkt etwas Vertrauensvorsprung geschenkt bekommen. 8% Alkoholgehalt, mit geräuchertem Malz eingebraut, ich erwarte hier irgendwas zwischen einer Rauchbombe wie dem Bamberger Schlenkerla und einem nur sehr mildgeräuchten Maisel & Friends Smoky IPA. Vor dem Eingießen drehe ich die Flasche sanft, denn ich habe Hefeablagerungen gesehen, die sich etwas auflösen sollen. Dann landet ein volltrübes Bier im Glas, haselnussbraun, mit feinem Schaum, der sich auch etwas hält.
Geruchlich schwanke ich immer noch zwischen den Extremen, da ist wirklich etwas Räucherspeck, vielleicht sogar -fisch und kalte Holzkohle. Gelockert wird das durch eine zitronige Komponente, und etwas Orange, also durchaus etwas frisch. Im Mund kommt dann erstmal der Speck fett nach vorne, nicht extrem und überwältigend, aber klar das ganze Bier definierend, mehr noch als die eher mittel ausgeprägte Rauchigkeit. Die Zitrusfrucht ist ebenso da, mehr als kitzelnder, leicht astringierender Effekt, man spürt die Säure mehr, als dass man Zitronenaromen schmeckt. Sehr frisch und hell vom Eindruck, die Textur wirkt angenehm, aber nicht wirklich dick. Aromatisch ist neben dem Speck nur wenig da, nach der initialen Attacke kommt praktisch nichts mehr, und schnell löst sich auch jeder weitere Eindruck. Hier wird das Bier bitter und wirkt fast wässrig. Etwas Wintergrün bleibt am Ende noch, wenn die Rauchnoten verschwunden sind.
Hm, ja, das ist als Rauchbier interessant, weil die Rauchigkeit zunächst sehr elegant eingebunden wird; leider fehlt außer dem etwas, was den Gaumen danach noch beschäftigen könnte. Die Säure wirkt übertrieben, macht das ganze Bier doch sehr unrund und mäßig komponiert. Mit zunehmender Trinktemperatur wird das ganze noch schlimmer – ich mag das Bier dann leider überhaupt nicht mehr.
Auf dem Etikett findet sich kein Hinweis darauf, was die „Dreifacheichung“ des Sans Peur Triple Oaked genau bedeutet, ich konnte hier auch nur raten, dass drei Holzarten oder drei Reifungsperioden gemeint sind, irgendwie ist das nicht zufriedenstellend, insbesondere, wenn man dann nach Recherche herausfinden muss, dass es ein „Tripel“ ist (9% Alkoholgehalt passen dazu), das mit Holzchips veredelt wird. Also nix mit „Dreifacheiche“, semantisch ist das irgendwie grenzwertig für mich.
Kräftige Schaumentwicklung begrüßt uns beim Eingießen des Biers, das dann leicht getrübt mit leuchtendem Kupferton im Glas steht. Mousseux ist fein vorhanden, langsam steigen winzige Perlchen auf und füttern die gemischtblasige Blume. In der Nase finden sich zunächst klassische Biernoten eines Hellen – Hefe, Getreide, leichtes Metall. Anflüge von hopfiger Frucht kommen dazu, Grapefruit, Orangenzeste. Eine Idee von kaltem Rauch oder Holzkohle, aber wirklich nur eine Idee.
Geschmacklich entdecke ich eine Melange aus Pale Ale und Hellem, knackige Säure spielt von Beginn an mit und definiert das Bier immer mehr, besonders im Abgang, wo es fast schon limettig wirkt. Das Mundgefühl ist angenehm, nicht wirklich cremig, aber zumindest initial kurz davor. Im Vergleich zum Verkostungsvorgänger ist auch hier diese ungezähmte, wilde Säure da, ähnlich derb, insbesondere im Finish. Frisch und rezent, sehr als Essensbegleiter geeignet, denke ich – als Genussbier ist aber auch dieses zu unrund, viel zuviel ungebundene Säure, harte Bittere, zuviel Metall, ganz sicher viel zuwenig Komplexität für das Versprechen der Eichenholzreifung. Trinkbar und erfrischend, aber auch nicht mehr. Von diesem hatte ich mir am meisten erwartet, darum ist die Enttäuschung auch am größten.
Hatte ich beim Red Sour die Säure noch gelobt und für gut befunden, stelle ich fest, dass die Brauerei einfach diesen Aspekt nicht im Griff hat und sie auf alle Biere überträgt – egal, ob es passt, oder nicht. Für ein Sauerbier ist es in Ordnung, für die anderen Bierstile schlichtweg nicht, sie sind übersäuert und kantig. Darum bleibe ich beim Red Sour, auch wenn die Erfahrung mir zeigt, dass es selbst dort wahrscheinlich nicht die Handwerkskunst ist, sondern, ohne den Brauern allzusehr auf den Schlips treten zu wollen, banal ein durchgängiger Braufehler.