Er ist ein Hansdampf in allen Gassen. Als ich Ulric Nijs vor einigen Jahren kennenlernte, war er Brand Ambassador für eine auch in Deutschland bekannte Rummarke aus Mauritius und der Experte in Europa für Baijiu – dies war auch unser Anknüpfungspunkt, da ich damals verzweifelt nach Informationen und Samples für die chinesische Spirituose suchte. Seitdem haben wir uns, ich hoffe ich übertreibe hier nicht, zu echten Freunden entwickelt, und ich bin jedesmal baff, wenn ich weitere Details über seinen Werdegang erfahre. Als Bar-Consultant und aus einer Diplomatenfamilie stammend war er überall auf der Welt unterwegs, vom Libanon bis Japan und sonst überall, ist Fotograf, Zigarrenkenner, unglaublich engagierter alleinerziehender Vater und natürlich Juror bei diversen Spirituosenwettbewerben, und dort treffen wir uns auch regelmäßig.
Neulich, beim Juli-Tasting des Internationalen Spirituosenwettbewerbs (ISW) in Neustadt an der Weinstraße, hat er für mich offiziell das nächste Kapitel seines eh schon so langen Lebenslaufs aufgeschlagen – er ist nun Brand Ambassador für The Belgian Owl, der belgischen Whiskybrennerei in der Region Hesbaye, in der Nähe von Liège. Und er hatte in dieser Tätigkeit eine Flasche für mich im Reisegepäck, die er abends stolz auf den Tisch stellte – den Belgian Owl Single Cask Whisky Cask Strength (auch bekannt unter dem Codenamen „Intense“). Abgefüllt wird dieser ungetorfte Whisky mit 73,4%, so wie er aus dem First-fill-Bourbon-Fass kommt, in dem er 45 Monate reifte. Ungefärbt, nicht kaltgefiltert, das Handwerk und die Provenance wird hier durch nichts gestört.
Ein leicht blasses Bernstein ist im Glas zu sehen, wenn man die Flüssigkeit aus der beeindruckenden Flasche, deren Korken beim Ziehen ein sehr befriedigendes „plopp“ macht, ausgegossen hat. Eine ehrliche Farbe für das Alter und den Holzeinsatz, finde ich. Leichte Viskosität spürt man dazu beim Schwenken, die Beine sind überraschend dünn, laufen aber sehr langsam ab.
Riechen wir erstmal an der puren, unverdünnten Flüssigkeit, wie sie aus dem Fass kommt. Auch nach etwas Offenstehzeit ist da deutliches Pieksen in der Nase, man muss vorsichtig sein und den Riechkolben nicht zu tief ins Glas halten. Dann findet man schnell Fruchtnoten und Getreidecharakteristik, nicht überwältigend, eher dezent und elegant. Orangenzeste, Kandiszucker, Brioche und Honig schälen sich heraus, minimal Karamell und Vanille. Ich gebe eine halbe Pipette Wasser hinzu, und würzigere Noten entwickeln sich, Leder, milder, heller Tabak, und eine feine Zitronennote. Mit und ohne Wasser, der Duft ist sehr zurückhaltend und ätherisch.
Im Mund passiert dann etwas ganz anderes, der Whisky expandiert von der leichten Nase ausgehend ganz enorm, eine grandiose Textur legt sich auf den ganzen Gaumen und wärmt ihn vor für das, was kommt. Sowohl in Breite als auch Tiefe ausgeprägt, ein richtig schönes Volumen in allen Dimensionen, dazu initial süß und rund, aber schon hier mit Kraft. Im Verlauf dehnt sich der Belgian Owl dann immer weiter aus, in weichen Kurven, ohne jede Kante, über die man stolpern könnte, dazu die Würze, die sich langsam entwickelt, mit angebranntem Zucker, leicht gerösteten Mandeln, Ahornsirup, Apfelsaft und getrockneten Früchten. Dabei haben wir noch eine sehr attraktive, nie astringierende Trockenheit, die die Süße ausgleicht und zusammen mit feuriger Würze das Mundgefühl am Ende bestimmt – eine perfekte Süßtrocken-Balance. Sowohl von der Wärme als auch von den Aromen her bleibt der Whisky lange bei uns, ein leichtes, angenehmes Kribbeln ist noch Minuten später da, die fruchtig-süßen Geschmäcker klingen sehr langsam ab, ohne jeden Fehlton am Ende, mit minimalsten Kaffee- und Holztönen ganz am Ende.
Ein sehr beeindruckender Whisky, das muss ich sagen, der besonders durch die harte Diskrepanz zwischen Nase und Gaumen überrascht. Das mag nicht hundertprozentig linear balanciert sein, ja, doch der extrem lange Nachhall und das wunderbare Mundgefühl überzeugen mich völlig, insbesondere, wenn man die Reifedauer betrachtet, für so einen jungen Whisky ist das schon gefällig. Dennoch kein Whisky für den Schnupperer, sondern einer für den Lutscher.
Im The Hearing Trumpet geschieht etwas, was ich an gut rezeptierten Cocktails sehr schätze – die Zutaten gehen geschmacklich und strukturell ineinander über, alle sind noch irgendwie erkennbar, aber nicht mehr klar abgrenzbar. Ein schönes, rundes Gesamtbild entsteht. Der Belgian Owl Cask Strength tut wirklich gute Dienste dazu – mit ihm macht der Drink besonders Spaß, finde ich.
The Hearing Trumpet
1¼oz / 40ml Scotch Whisky
¾oz / 23ml Cardamaro
½oz / 15ml Swedish Punsch
½oz / 15ml Campari
2 Spritzer Mole Bitters
Auf Eis rühren. Auf frisches Eis abseihen. Mit Orangenzeste dekorieren.
[Rezept nach cocktailvirginslut]
Sowohl haptisch als auch optisch ist das neue Flaschendesign ein Knüller – die Flasche ist zwar nur 50cl groß (etwas, was ich sehr unterstütze, ich finde, der halbe Liter sollte überall der Standard für Spirituosenflaschen werden!), wirkt dafür aber extrem schwer und hochwertig. Das Gefieder der Eule als Maskottchen und Namensgeber ist im Glasmuster repräsentiert, und düster starrt sie den Betrachter auch auf dem wertigen Etikett an. Das angenehme Geräusch, das der Korken beim Heraus- und Hineindrehen macht, hatte ich ja schon erwähnt. Ein rundum gelungenes Reboot der Marke!
Der Belgian Owl ist vielleicht mit der schottischste Whisky, den man außerhalb Schottlands bekommen kann – kein Wunder, wenn man Etienne Bouillon und seine Brennerei kennt. Ich durfte ihn 2021 besuchen, mit Spirits Selection by Concours Mondial de Bruxelles. Seitdem haben wir uns öfters gesehen und etwas kennengelernt, er ist ein zurückhaltender Mensch, eher einer, der die leisen Töne bevorzugt, aber klare Ideen hat und diese mit beeindruckender Konsequenz umsetzt. So hat er den Coup gelandet, die Brennblasen der stillgelegten schottischen Destillerie Caperdonich zu erwerben und nach Hesbaye bei Liège zu überführen, wo sie in einer malerisch gelegenen Landschaft, aus der auch die gesamten Basismaterialien für den Whisky herkommen, eine neue Heimat gefunden haben.









Doch hier wird nicht einfach ein erfolgreiches Geschäftsmodell kopiert – ein eigener Brunnen, eigene Ideen und faire Verträge mit den umliegenden Bauern für das nachhaltig angebaute Getreide machen den Belgian Owl zu einem wahrhaft lokalen Produkt mit sehr starkem regionalen Bezug, die schottischen Stills geben dabei eher die Stoßrichtung vor, welche Stilistik hier gepflegt werden soll. Kein Wunder, Bouillons Ausbildung zum Brenner fand bei Bruichladdich unter Jim McEwan statt, und ich finde, er führt dieses Erbe verantwortungsvoll und mit Vision fort. Ich freue mich schon jetzt sehr auf das nächste Treffen mit ihm und mit Ulric – ich empfinde es als absolute Bereicherung meines Lebens, diese beiden Personen zu kennen, und es lässt mich ihre Produkte noch mehr wertschätzen und verstehen. Spirituosen auf dieser Qualitätsebene sind mit den Menschen, die sie machen, engstens verbunden, und beim Belgian Owl spürt man das in jeder Sekunde.
Offenlegung: Ich danke Belgian Owl für die kosten- und bedingungslose Bereitstellung einer Flasche dieses Whiskies.