Bier am Freitag – Südtondern Brauerei Viererset

Südtondern Brauerei Viererset Titel

Vor einer Weile hatte ich ein besonderes Bier besprochen – ein in Rumfässern der jamaikanischen Destillerie Hampden gereiftes und mit Kaffee aromatisiertes Kunstwerk der nordfriesischen Südtondern Brauerei. Dort stellten sie natürlich nicht nur derartige Spezialbiere her, man braucht schließlich ein vernünftiges Basisbier, um solche Experimente überhaupt durchführen zu können. Ja, richtig gelesen, „stellten“, denn Ende Juni hat die Brauerei den Betrieb eingestellt. So wird aus diesem Artikel, eigentlich gedacht als Übersicht über das Sortiment einer kleinen aber sehr feinen lokalen Brauerei, ein trauriger Nachruf. Das Viererset, das ich vor einiger Zeit direkt dort gekauft und auch schon durchprobiert hatte, kommt hier damit immerhin zu posthumen Ehren.

Südtondern Brauerei Viererset

Wir trinken die einfach von links nach rechts durch, beginnen also mit dem Kiek An Brown Ale. Spezielle Farb- und Aromamalze werden laut Etikett eingesetzt, das Bier wird für mindestens 4 Wochen „obergärig gereift“ (was das auch immer heißen mag), 5,7% Alkoholgehalt finde ich schonmal gut.

Südtondern Brauerei Kiek An Brown AleMan sieht auf dem Foto, dass das Bier milchig trüb wird, wenn man es ganz eingießt – das liegt an einem fetten Hefesatz, den man eventuell nicht mit eingießen muss. Die Farbe jedenfalls ist haselnussbraun, am Boden liegen Hefepartikel, man sieht Perlchen aufsteigen trotz der durch die Trübung vollkommenen Blickdichte. Der Geruch ist metallisch, hefig, leicht malzig, insgesamt zurückhaltend. Diese metallische Note ist auch im Geschmack deutlich vorhanden, sie bleibt vom Antrunk bis zum Abgang. Dazwischen gibt es leicht malzige Erfrischung, sehr rezent ist das Kiek An ganz sicher, mit einer der Färbung spottenden Helltönigkeit und dezenter Hopfung, guter Süßsäurebalance und netter Textur. Der Abgang ist sehr kurz, da ist kaum was zu erwähnen, außer einer etwas unrunden Bittere. Im Fazit ein sehr leichtes Bier, wenig aufregend, aber sehr erfrischend – gut zum Essen, mehr leider nicht.

Südtondern Lüddsche EenDas Lüddsche Een, ein Bier nach Pilsener Brauart mit 5,1% Alkoholgehalt, ist das nächste, das wir uns anschauen. Beim Eingießen fällt auf, dass auch hier ein deutlicher Hefesatz am Boden der Flasche liegt – wer sein Pils kristallklar will, muss vorsichtig eingießen, ich mag gern etwas Trübung, man sieht dann nachher aber auch deutlich Partikel im Bier schwimmen. Die Blume ist feinblasig und liegt schön auf dem Bier. Eine leicht zitronige Note begrüßt die Nase, auf dem Etikett wird der eingesetzte Hopfen aus der Hallertau erwähnt, dabei handelt es sich aber wohl hauptsächlich um Bitterhopfen. Leicht metallisch und stiltypisch zurückhaltend bleibt der Geruch entsprechend. Im Mund entsteht direkt beim Antrunk ein weiches, sanftes Mundgefühl, mit unterschwelliger Süße, aber auch sofort vorhandener Bittere, die effektiv ist, aber nicht kratzig oder kantig. Ein erkennbar norddeutsches Pils, kräftig und herb, mit einigem an Säure und fast schon limettiger Aromatik. Der Abgang ist mittellang, frisch und rezent, leicht am Gaumen prickelnd. Gefällt mir gut, obwohl ich kein wirklich begeisterter Pilstrinker bin.

Südtondern Nr. Een Pale AleKommen wir zu Nummer drei, nein, entschuldigung, zu Nr. Een. Das Pale Ale der Brauerei kommt mit 4,9% ins Glas und hat, wie auch schon die Biere zuvor, diesen stückigen Hefesatz, der eine milchige Trübung erzeugt und das Bier beinahe schon dottergelb macht. Eine tolle Schaumkrone ist da, sie reduziert sich nach einiger Zeit, bleibt aber hübsch gemischtblasig lange vorhanden. Sehr stiltypisch wirkt die Nase, da riecht man das Pale Ale, wie es für mich sein soll – deutlich aromagehopft, aber nicht krass kantig. Schöne, dezente Zitrusnoten, aufgefangen von einer kräftigen Malzigkeit darunter. Und so fühlt es sich dann auch im Mund an, hopfig, aber weich in der Textur, mit attraktiver Süßsauerbalance und gelungener Rezenz, vielleicht leicht überkarbonisiert für meinen Geschmack. Ein prägnant blumiger Jasminnachhall beendet ein gut gemachtes, stilsicheres Pale Ale.

Südtondern Brauerei Ebb und Flot IPADas letzte ist schließlich das Ebb un Flot, ein IPA mit 6,8% Alkoholgehalt – ich warne mal, vorsicht beim Öffnen und Eingießen, bei mir kam es zu starkem Gushing! Sympathisch finde ich die Aussage auf dem Etikett, dass „Rohstoffe kommen und gehen“, und man sich hier nicht auf ein einheitliches Geschmacksbild zwischen den Brauvorgängen festlegen will. Wie gesagt, die Schaumentwicklung ist enorm, wirklich enorm, das kann dauern, bis das Bier endgültig im Glas ist; der Schaum ist fest und beständig. Eine leichte Trübung unterstützt die goldgelbe Farbe, man sieht sehr starke Perlage. Die Nase bekommt eine Mischung aus Aromahopfen und schon hier erkennbaren Bitternoten ab, das ist hier schon erkennbar, dass wir kein weichgespültes Pseudo-IPA vor uns haben. Der Geschmack ist dann erwartungsgemäß so richtig knackig bitter, wie ich das von einem IPA erwarte, mit vielen fruchtigen Hopfennoten, in Richtung Grapefruit – sowohl vom Aroma, als auch vom Effekt her. Da ist einiges an Anästhesie auf der Zunge durch die Bitterstoffe. Schöne Rezenz und Helltönigkeit sorgen für den Erfrischungsfaktor. Ein langer, effektvoller Abgang lässt mich das Fazit fällen: Ein IPA für die, die so richtig Hopfenbittere erleben wollen, ein charaktervolles, frisches IPA der klassischen Schule.

Drei Treffer von vier Schüssen, das ist eine richtig gute Quote. Der Brauer versteht sein Handwerk, und gibt mir durch seine Standardbiere tatsächlich ein besseres Verständnis für die außergewöhnlichen Fassreifungsbiere von dort, die mich wirklich fasziniert haben. Ich hoffe, er bleibt trotz Brauereischließung dem Handwerk verbunden und lässt irgendwann wieder eines seiner Biere irgendwo blicken.

Veröffentlicht von schlimmerdurst

Hüte dich vor denen, die nur Wasser trinken und sich am nächsten Tag daran erinnern, was die anderen am Abend zuvor gesagt haben.

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