Grün, grün, grün sind alle meine Farben – Tanqueray London Dry Gin

Tanqueray Imported London Dry Gin Titel

Damals, als man noch mit dem Flugzeug reisen durfte, gab es an den Orten, wo die Flugzeuge landeten und starteten, für den klimahassenden und coronafreundlichen Egoisten, der die Welt sehen wollte, Lädchen, in denen man für die Reise noch ein Präsent oder ein (weil steuerfrei) kostengünstiges Schnäppchen für Zuhause erwerben konnte: Duty Free Shops nannte man die damals, in dieser längst vergessenen Zeit. Ja, ich übertreibe, einfach, weil mir das Reisen doch sehr fehlt und ich dank der Umstände so einige Weltsehzeit verpasst habe. Nicht, dass das damals alles komplett reibungslos abgelaufen wäre – nein, ich habe damals am Flughafen Hahn vor Reiseantritt den Pickup-Service des Duty Free Shops nutzen wollen, das Produkt zurücklegen zu lassen und nach Rückkehr dann abzuholen. Man ahnt, worauf es hinausläuft: zuhause angekommen habe ich mich erinnert, dass da noch was wartet am Flughafen. Zum Glück war der Betreiber so kulant, mir die Flasche dann per Post nachzuschicken, danke dafür im langen Nachhinein.

Es handelte sich um die Travel-Retail-Variante des Tanqueray London Dry Gin, damals war die Literflasche mit satten 47,3% Alkohol im normalen Handel eher ungewöhnlich. Heute bekommt man den Gin in dieser Abfüllgröße und -stärke überall im Internet, da muss man gar nicht mehr weit in die Welt reisen und am Flughafen einkaufen. Ich bespreche hier selten Gins, und der Tanqueray hat keinen unerheblichen Anteil daran, dazu aber im Fazit mehr. Schrauben wir erstmal die grüne, markante Flasche auf und probieren den Auslöser dieser leicht peinlichen Reiseanekdote.

Tanqueray Imported London Dry Gin

Da es heute auch hin und wieder fassgereifte Gins gibt, erwähne ich hier einfach mal, dass wir eine komplett transparente, brilliant klare Flüssigkeit vor uns haben, ohne jede Beeinflussung durch Holz. Schwer und sehr ölig wirkt sie beim Schwenken, entsprechend fett liegt sie auch an der Glaswand danach.

Geruchlich muss man sich beim Tanqueray nicht lange mühen, um Eindrücke zu sammeln, Aromen verteilen sich schnell über das Verkostungsglas hinaus. Wacholder im Vordergrund, unterstützt von Zitrusnoten. Ein sehr klares, sauberes Bild, so mag ich meinen Gin. Klassisch, typisch, prägnant. Weiche Kräuter, etwas Pfeffer, sehr floral und hell – ein rundes Spektrum an Geruchskomponenten, bei denen kein extremer Sonderweg gegangen wird (was einfach zuviele Gins heutzutage tun, um sich abzugrenzen), sondern der Wacholder klar dominiert und nur unterpolstert wird durch andere Botanicals.

Tanqueray London Dry Gin Glas

Im Mund kommt der Tanqueray sehr weich an, starksüß sogar, würde ich sagen, auch wenn natürlich, gemäß den Bestimmungen für die Kategorie London Gin, Dry Gin und London Dry Gin nur eine minimalste Süßung (0,1g/L) erlaubt ist; wie bei manch anderen Spirituosen sieht man hier, dass Süße nicht unbedingt nur durch Süßung erreichbar ist, wenn man sich etwas bemüht. Wie schon optisch erkannt, fühlt man auch im Mund die ölige Textur, die dafür sorgt, dass sich die Aromen langsam aber sehr effektiv im gesamten Mundraum verteilen und sich dort breitmachen. Entsprechend lang hat man etwas von Wacholder und erkennbar etwas Zimt, aufgelockert durch die herbe Frische von Zitrusfruchtzesten. Durch die milde Salzigkeit wird das noch unterstützt.

Der Abgang ist dann pikant, pfeffrig, sehr lang und aromatisch. Die Süße bleibt bis zum Schluss, wird aber durch die Bittere der Kräuter etwas aufgefangen. Zunge wie Gaumen glühen warm sehr lange nach, die 47,3% Alkoholgehalt (darunter würde ich inzwischen für Gin niemals gehen wollen!) sorgen für ordentlich Kraft und lassen den Tanqueray mit einem kühlenden Hauch ausklingen.

Na, was soll man da noch groß herumphilosophieren, für mich ist der Tanqueray der Standardgin meiner Heimbar geworden, einfach weil er (neben einem herausragend guten Preisleistungsverhältnis!) stilecht und klassisch ist, sich keine Sperenzchen erlaubt, die ein Cocktailrezept verändern, ohne dass man es will. Denn das ist klar – pur trinke ich Gin eigentlich nie, auch Gin & Tonic ist ein eher seltener Gast in meinem Glas, doch auf Gin zu verzichten ist schlichtweg unmöglich: in unendlich vielen Präprohibitionsrezepten wie auch modernen Klassikern wird genau so ein traditioneller, hochwertiger Gin gefordert. Und er passt auch in leicht verrückte Drinks, wie dem Grie Soß Smash.

Grie Soß Smash Cocktail


Grie Soß Smash
1 Handvoll Grüne-Soße-Kräuter (Borretsch, Kerbel, Petersilie, Kresse, Sauerampfer, Schnittlauch und Pimpinelle) grob zerkleinern
½ Zitrone gestückelt
2 Teelöffel Zucker
Alles im Shakerglas muddeln
2 oz / 60ml Dry Gin
Auf Eis shaken. Doppelt auf Eis abseihen.

[Rezept nach Helmut Barro]


Tanqueray Boston ShakerEin grüner Cocktail in einem grünen Glas mit grüner Deko – man merkt, ich mag die Farbe bei Drinks. Die passend grüne Flasche des Tanqueray hat natürlich extrem hohen Wiedererkennungswert, sie wird auch auf Merchandising übertragen, wie den Cocktailshaker, den ich vor vielen Jahren zufällig auf einem Flohmarkt in Saarbrücken entdeckt hatte, und der mir bis heute beste Dienste leistet, auch wenn er inzwischen ein paar Macken und sehr deutliche Kratzer hat. So ein Boston Shaker (also mit Blechdose und Glas) ist zu Beginn etwas gewöhnungsbedürftig, ich würde aber niemals mehr auf einen anderen Typ wechseln.

Beim Gin sieht das trotz meines Lobs für den Geschmack anders aus – denn den einzigen, dafür aber umso größeren Wermutstropfen bei diesem Gin hat der Konzern geliefert, zu dem der Hersteller des Tanqueray heute gehört: Diageo hatte neulich in einer Nacht-und-Nebel-Aktion praktisch das gesamte Feldteam entlassen und will es neu besetzen. Das ist natürlich keine Art, mit verdienten Mitarbeitern umzugehen, und entsprechend groß war der Aufschrei in der Spirituosenbranche, zumindest bei denen, die sich noch für die Menschen in dieser Branche interessieren, was leider offensichtlich nicht alle sind. Gewiss ist Profit die treibende Kraft hinter allen Unternehmungen, doch in Zeiten, in denen Konsumenten auch die Produktions-, Vertriebs- und Marketingbedingungen bei einem Kauf mitberücksichtigen (sollten), ist so ein Move ein dummer und respektloser. Ich werde mal schauen, ob nicht ein Hersteller, der nicht zu einem rücksichtslos agierenden Konzern gehört, mir vielleicht einen Ersatz für den Tanqueray offeriert, so gern ich den Gin selbst mag – denn mir ist wichtig, was ich trinke, nicht nur vom Geschmack her.

Veröffentlicht von schlimmerdurst

Hüte dich vor denen, die nur Wasser trinken und sich am nächsten Tag daran erinnern, was die anderen am Abend zuvor gesagt haben.

3 Kommentare zu „Grün, grün, grün sind alle meine Farben – Tanqueray London Dry Gin

  1. Danke für den guten Artikel, aber auch für die Info mit dem Betriebsteam. Bin ein ähnlicher Fan von Tanqueray, aus o.g. Gründen. Werde aber wohl nun aussortieren. Empfehle als Alternative Plymouth Gin, den habe ich damals im Buck and Breck in Berlin serviert bekommen, als man noch ausgehen durfte, und bin dabei geblieben (neben Tanqueray). Schade eigentlich, ist echt ein guter Gin, und auch das Design spricht mich an, keine Fisimatenten eben

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