Man sieht es auch heute noch überall – „weißer Rum“, „goldener Rum“, „brauner Rum“, im englischen Sprachraum dazu noch „dark rum“. Die Klassifizierung eines Rums anhand der Farbe ist so etwas, worüber man sich früher keine Gedanken machte, Cocktailrezepte sind das prominenteste Beispiel dafür. Optisch ist die Farbe natürlich immer sehr leicht zu identifizieren, und damit doch wohl ideal als Kriterium. Außerdem – je dunkler, desto älter, und damit desto besser, das weiß doch jeder, daher ist die Farbe auch ein Qualitätskriterium, oder? Besser und leichter kann man eine Spirituose doch nicht in unterschiedliche Gruppen einteilen. Doch was sagt uns diese Klassifizierung eigentlich über das wichtigste an einer Spirituose, den Geschmack, wirklich aus?
Nichts. Nada. Überhaupt neischt. Die Farbe ist das nutzloseste Kriterium überhaupt, um eine Spirituose zu beurteilen oder zu gruppieren (das gilt hier wie in anderen Bereichen des Lebens). Erstens gibt es ja kein Schema, mit dem man ernsthaft „golden“ von „braun“ unterscheiden könnte, dazu sind die Begriffe zu schwammig. Zweitens, und viel wichtiger, die durchgängig erlaubte Praxis des Färbens kann durchaus eine Spirituose in eine andere Kategorie rutschen lassen, und das ohne überhaupt auch nur den Ansatz einer Geschmacksveränderung. Und auch in die andere Richtung kann das gehen – Spirituosen werden manchmal wieder entfärbt. Wie zum Beispiel der El Dorado Cask Aged 3 Years Demerara Rum, den ich heute hier vorstellen will.
Dieser Rum, ein Blend aus verschiedenen Destillaten, wurde 3 Jahre in Holzfässern gereift, aber danach dann doppelt durch Holzkohle gefiltert. Dadurch wird die Farbe, die die Holzreifung gebracht hatte, wieder entzogen, um den Rum wieder kristallklar und völlig transparent zu machen – so mancher Hersteller „weißen“ Rums macht das. Man hat damit Reifungsgeschmack, aber nicht Reifungsaussehen, und das zeigt plastisch, wie dämlich Kategorisierungen nach Farbe sind.
Entsprechend sehen wir hier, trotz der großen „3“ auf dem Etikett, eine völlig transparente Flüssigkeit (denn „weiß“ ist sie ja natürlich auch nicht, noch so etwas, was Farben bei Spirituosen etwas sinnfrei macht). Der El Dorado 3 bewegt sich nach dem Eingießen kaum ölig im Glas, hinterlässt aber dennoch fette Beine an der Wand meines Verkostungsglases. Ich rieche zunächst mal, so ehrlich muss ich sein, Ethanol. Un- oder weniggereifter Melasserum hat oft etwas von Vodka an sich, das erkennt man auch hier. Schnell tauchen aber auch Aromen von Schokolade, Vanille, Karamell und Kokosnussfleisch auf. Letzteres wird auch immer stärker, je länger man den Rum offen stehen lässt.
Ein ungereifter Rum aus dem Hause El Dorado – wer den 12-jährigen flüssigen Süßwarenladen dieses Herstellers kennt, hat schon eine erste Ahnung davon, dass auch die „weiße“, junge, 3-jährige Variante wahrscheinlich ein süßes Stückchen sein wird. Und er wird sich dabei nicht täuschen. Im Mund ist das auch sehr deutlich spürbar – Kokosnuss, weiße Schokolade, viel Karamell und ein paar Eindrücke von Melasse. Ein paar Fassaromen haben offensichtlich die Filterung überlebt. Die starke Süße ist wohl natürlich, Hydrometertests haben 0-5g/L ergeben; das ist etwas, was man bei vielen süßenden Herstellern sieht, ihre weniger alten Produkte sind meist auch weniger manipuliert. Das macht diesen Rum zu einem der wenigen El-Dorado-Rums, die nicht gesüßt sind. Man sieht hier aber auch, dass das Destillat das vielleicht gar nicht nötig hat – es ist von Natur aus ausgesprochen süß, alles darüber wäre nur noch pappig. Der mittellange Abgang ist dann sehr kokoslastig, das hängt lange nach. Süß, mild, warm; ein schöner Ausklang.
Der häufigste Einsatzzweck meiner Flasche dieses Rums war das Mixen von Cocktails. Ungereifte Rums haben ein sehr breites Spektrum und können von trockensauer bis süßfett gehen, mit allen Stufen dazwischen. Der El Dorado 3 gehört für mich deutlich in die süße Endausbaustufe, und entsprechend setze ich ihn in Drinks ein. Der Te Anaka beispielsweise soll als Variante auf einen Rum Sour auf Zuckersirup verzichten, entsprechend müssen die anderen Zutaten einspringen. Und der Rum bringt selbst etwas Mildes mit sich, also ein perfektes Match.
Te Anaka
1½ oz ungereifter Rum
1 oz Honigwasser
½ oz Fino Sherry
½ oz Zitronensaft
1 Eiweiß
Dry shake, auf Eis shaken. Mit Salzlösung besprühen.
[Rezept nach James Crinson]
Um das Paket zu vervollständigen, wurde der Rum in eine romantisch-schwungvolle Flasche, die etwas an griechische Amphoren erinnert, gefüllt. Wäre noch statt dem Blechschraubverschluss ein Korken oder ähnliches da, ich würde dahinschmelzen, diese Flaschenform spricht mich extrem an. Das Etikett verhält sich passend dazu, auch wenn ich heutzutage textuelle Informationen auf Etiketten irgendwelchen Illustrationen vorziehe, so ist das hier wenigstens gut gemacht mit dem verblassten Segelschiff im Hintergrund.
Wer also einen ungereiften Rum hauptsächlich zum Mixen sucht, der schöne karamellige Kokosnoten hat, der ist hier richtig. Als Purgetränk kann man ihn auch genießen, da gibt es aber im ungereiften Bereich sehr viel Spannenderes. Insgesamt hat für mich der El Dorado Cask Aged 3 Years ein sehr zufriedenstellendes Preisleistungsverhältnis, und das muss in die Bewertung irgendwie schon auch mit einfließen.
Sehr interessanter Artikel mal wieder. Der Rum kommt auf die Merkliste.
„Dieser Rum, ein Blend aus verschiedenen Destillaten, wurde 3 Jahre in Holzfässern gereift, aber danach dann doppelt durch Holzkohle gefiltert. Dadurch wird die Farbe, die die Holzreifung gebracht hatte, wieder entzogen, um den Rum wieder kristallklar und völlig transparent zu machen“
Weißt du, wie genau das funktioniert und was die Unterschiede zur Holzkohlefiltrierung z.B. bei Whiskey ist? Jack Daniels wird ja auch durch Holzkohle gefiltert und ist danach immer noch braun (oder gold ;)).
Eine sehr gute Frage! Das läuft letzlich so ab – der Hersteller sucht sich seine spezielle Kohle aus (aus Holz, Kokosnussschalen, Knochen…), das allein ist schon eine Wissenschaft für sich), und lässt die Flüssigkeit durch sie filtern (auch hier gibt es ein Dutzend unterschiedliche Methoden). Nicht jede Kombination aus diesen Variablen entfernt Farbe (bei JD beispielsweise bleibt sie trotzdem erhalten, der Lincoln County Process soll mehr den Geschmack verändern).