Mit Sicherheit war es eines der größten Erlebnisse meines Lebens – die Reise nach Chile, um dort als Juror in einem der größten Spirituosenwettbewerbe weltweit tätig zu werden. Ich habe meine Erlebnisse während Spirits Selection by Concours Mondial de Bruxelles 2017 bereits erzählt, doch ein Mitbringsel hat bis heute warten müssen, um Erwähnung zu finden. Ein Buch, das eines Tages plötzlich auf dem Schreibtisch des Hotelzimmers in La Serena lag; es war wohl ein Geschenk des Organisators an alle Teilnehmer des Wettbewerbs. Natürlich hat es etwas mit der Nationalspirituose Chiles, dem Pisco, zu tun, aber auf eine abgewandelte Weise: 40 Grados Cocktails – Coctelería del Pisco Chileno ist ein Buch über das Mixpotenzial des südamerikanischen Traubenbrands.
Der Untertitel „The Chilean Pisco Cocktail Book“ deutet schon darauf hin, dass es zweisprachig spanisch/englisch verfasst ist, wofür ich trotz rudimentärer Spanischkenntnisse sehr dankbar bin. Denn während Rezepte an sich leicht verständlich wären, egal in welcher Sprache, so sind die kleinen Begleittexte so doch etwas besser und leichter zu verstehen. Die Sammlung von Rezepten ist gruppiert nach den Erfindern der jeweiligen Drinks. Wir finden hier die Kreationen von Daniel Greve, Ricardo Guerrero, Miguel Larraguibel – und auch Chabi Cádiz, unten abgebildet, die ich persönlich während der Zeit in Chile kennenlernen konnte, denn auch sie war Mitglied der internationalen Jury. Jeder Bartender bringt einen eigenen Stil mit ins Buch, das ist deutlich erkennbar.
Die Cocktails werden in einer hübschen Großaufnahme auf der einen Seite präsentiert, und das Rezept folgt auf der gegenüberliegenden Seite, mit Mengenangaben und Hinweisen zur Zubereitung und Dekoration. Selbstverständlich habe ich schon diverse der Mixturen ausprobiert und auf meiner Cocktailseite präsentiert – viele der Rezepte sind allerdings durchaus recht aufwändig, und, das vielleicht größere Problem, verwenden hin und wieder sehr lokale südamerikanische Zutaten, immer aber hübsche Garnierungen. Beim Blättern in dem Buch findet sich praktisch immer etwas, was das Herz des Mixologen höher schlagen lässt, insbesondere, da man außerhalb solcher Ressourcen nach qualitativ hochwertigen Drinks mit Pisco schon etwas suchen muss und nicht überflutet wird, wie das bei Gin, Whisky, Rum und Wodka der Fall ist.
Die Papierqualität ist hoch, die Bindung hält gut, auch wenn ich persönlich bei Cocktail- wie Kochbüchern es lieber mag, wenn sie von allein offen liegen bleiben, denn wer hat schon eine Hand frei beim Mixen, Eingießen, Shaken und Dekorieren. Nun, so legt man halt einen Finger oder einen schweren Gegenstand auf die Seite, das Buch hält es jedenfalls aus (immerhin hat es auch eine Reise von über 16000km in knapp bemessenem Gepäck überstanden).
Ich weiß ehrlich gesagt nicht, wie es mit der Erhältlichkeit dieses Buchs in Deutschland aussieht – sicherlich muss man sich etwas strecken, will man es besitzen. Wer sich mit chilenischem Pisco etwas näher beschäftigen will, sollte trotz erhöhtem Beschaffungsschwierigkeitsgrads definitiv versuchen, es in die Finger zu bekommen, denn hier finden sich viele kreative Anregungen und vor allem Hinweise, wie in Chile aktuell mit der Spirituose auf moderne Weise in Bars gearbeitet wird, und das ist so viel mehr als nur Pisco Sour und Chilcano.
Ein Kommentar zu “Heiße Lektüre – 40 Grados Cocktails – Coctelería del Pisco Chileno”