Ich habe vor einiger Zeit einige Artikel begonnen, die ich aus irgendwelchen Gründen nie veröffentlicht hatte – es kam immer was anderes, interessanteres dazwischen. Diese hole ich nun Stück für Stück aus der Versenkung, und zeige sie nun. Ich überarbeite sie teilweise, aber an den Fotos erkennt man manchmal, dass sie aus einer früheren Schaffensphase stammen; ich bitte, die Qualität der Fotos zu entschuldigen.
Dieser Artikel ist ein solcher, der erste seiner Art. Man erkennt es unter anderem daran, dass ich einst auch für Biere ausführliche Artikel geschrieben hatte – inzwischen ist mir ein Bier meist nur noch einen „kurz und bündig“-Eintrag wert, die Arbeit steht in keinem Verhältnis zur Genusszeit mehr, und viele Leser interessieren sich bei einem vergleichsweise so preisgünstigen Artikel dann auch nicht mehr für ausgefeilte Rezensionen. Dieser Beitrag hier entstand zur Zeit, als die Biere der Rügener Insel-Brauerei die Supermärkte stürmten und mit ihrer Aufmachung und dem mutigen Preis für einiges an Aufsehen bei den Leuten sorgte, denen normalerweise schon ein Radeberger zu teuer ist; ich habe beim Einkaufen fast schon dramatische Szenen erlebt, wie beklagt wurde, wie blöd man sein muss, für ein Bier 6€ auszugeben.
Bei meinem lokalen Globus-Markt wurde viel für die Marke getan, eine separate Ausstellungsfläche mit Holzkisten, ein Katalog mit Beschreibungen der einzelnen Biere und ein großflächiges Poster mit den verschiedenen Sorten. Damals probierte ich natürlich alle durch, und für diesen Sammelartikel habe ich eins aus jeder Reihe des oben abgebildeten Plakats ausgewählt. Hier werden also das Rügener Insel-Brauerei Baltic Stout, der Überseehopfen und die Insel Kreide vorgestellt. Inzwischen gehören sie natürlich zur Grundausstattung eines jeden Getränkemarkts, der auch nur ansatzweise etwas auf sich hält, und jeder Bierfreund kennt sie. Dennoch hoffe ich, mit diesem Artikel noch den einen oder anderen zu erreichen, und zu überzeugen, dass 6€ (oder 3€ für die 0,33-Liter-Flasche) für ein gut gemachtes Bier durchaus einen Versuch wert sein können, denn Bier ist heutzutage längst viel mehr als nur ein billiges Knallmittel.
Die Aufmachung ist gewiss sensationell und augenfängerisch gemacht – diese Art der Papierumwicklung hat aber neben dem Wow-Effekt auch einen durchaus praktischen Sinn, denn so ist das lichtempfindliche Bier vor Strahlung geschützt. Die Gestaltung ist durchgängig für die ganze Reihe, und gefällt mir persönlich außerordentlich gut, das hat künstlerischen Wert. Trinken wir einfach der Reihe nach durch, beginnend mit dem Baltic Stout. Man sieht auf dem Foto die sehr starke Schaumentwicklung beim Eingießen, ein Effekt der Flaschengärung, das wirkt selbst bei einem so Schaumsparbier wie einem Stout. Es bleibt, wenn die Wirkung nachgelassen hat, eine schöne braune Crema, gespeist von starker Perlage. Das Bier selbst bleibt vollständig blickdicht mit kaffeebrauner Farbe. Der Geruch ist etwas metallisch, leicht säuerlich, man riecht etwas Malz, nur minimalste Röstaromen, dafür eine deutliche Seifigkeit. Abgesehen davon empfinde ich es als enttäuschend zurückhaltend.
Was die Nase vermisst, findet die Zunge – im Mund explodieren dann die stouttypischen Röstaromen. Kaffee, eine interessante Dunkelschokoladennote, leider ist auch hier diese seltsame Seifenkomponente vorhanden. Doch so plötzlich wie sie gekommen sind, sind sie auch wieder weg, die Röstaromen, und werden durch eine etwas belanglose, süße Malzigkeit ersetzt. Die Champagnermethode macht sich bemerkbar: eine hohe Frische, kombiniert mit einer für Stout ungewöhnlichen Trockenheit und einer kleinen, aber erkennbaren sehr angenehmen säuerlichen Sektnote. Der Abgang ist wirklich sehr kurz, ohne große Auffälligkeiten; ein Hauch von Rauch.
Insgesamt klar das schwächste Bier der Insel-Brauerei, das ich bisher getrunken habe. Spannend vielleicht wegen der für Stouts ungewohnten Säuerlichkeit, die eine helle Frische in dieses dunkle Bier bringt. Vielleicht eignet sich die Methode eher für helltönige Biere wie Pale und Sour Ales – in dieser Form bleibt es irgendwie unzufriedenstellend. Und wenn dann noch Imperial Stout auf dem Etikett steht, muss ich müde lächeln – da gibt es ganz andere Kaliber, auch wenn die 7,5% Alkoholgehalt diese Klassifikation durchaus hergeben.
Vielleicht haben wir mit dem nächsten Bier aus der Reihe mehr Glück – der Überseehopfen bringt natürlich einen ganz anderen Bierstil mit. Man sieht das direkt an der Farbe; diese erinnert mich an Eigelb. Die völlige Trübe unterstützt diesen Eindruck, und zu Beginn hat man auch hier die flaschengärungstypische starke Perlage. Schöner, feiner Schaum bleibt recht langlebig.
Das ist ein Pale Ale, denkt man, wenn man die Nase ans Glas hält. Schön fruchtig, wie man es kennt, nach Tropenfrucht und Apfel. Weich im ersten Mundgefühl, dann aber schnell ein Wandel zum Trockenen. Sehr trocken, um genau zu sein. Mittlere, angenehme Bittere. Kaum Süße, wenig Körper, dafür eine feinherbe Säure. Leichte, aber etwas undefinierte Hopfenaromen, Limettenschale, mild malzig, eine interessante Blumigkeit liegt im Hintergrund. Im Abgang bleibt das Überseehopfen kurz, bitter, und auch hier trocken. Durch die hohe Rezenz entsteht ein sehr angenehmer Erfrischungsfaktor. Die Trockenheit ist für mich tatsächlich das definierende Element dieses Biers, und darin glänzt es ausgesprochen. Für die, die sonst gern Pils trinken und einen bequemen Einstieg in die Welt des Ales suchen, ist das wahrscheinlich ein ideales Bier. Mit 5,6% Alkoholgehalt sortiert es sich da auch gut ein.
Der Hersteller gibt auf dem Etikett als Bierstil „Eigenkreation“ an, und als internationale Bierkategorie „India Pale Ale“. Für ein IPA ist es mir zu einfach gestrickt, zu zurückgenommen in allem, wenn, dann ist es noch am ehesten ein britisches IPA; sensorisch erinnert es mich, insbesondere im Abgang, mehr an ein leicht aromagehopftes Pils. „Naturhopfen“ als Angabe finde ich ein bisschen wenig Information.
Man merkt, irgendwie zündet der Funken noch nicht so richtig, auch wenn das ein deutlicher Fortschritt war. Hat das dritte Bier der Reihe mehr Erfolg? Die Insel Kreide muss den Ruf retten. Die Farbentwicklung meiner Reihe setzt sich konsequent fort – das Insel Kreide ist namensgemäß blass, fast schon bleich, bleibt dabei aber naturtrüb. Schöne Perlage ist dennoch gut sichtbar, was in dünnem feinporigem Schaum resultiert. Der Geruch ist deutlich säuerlich, wirkt frisch, hat aber auch etwas Metallisches, eine Andeutung von Grapefruit. Insgesamt ein eher dünner Biergeruch.
Der gesamte Eindruck setzt sich im Geschmack fort – feinsauer, leicht herb, insgesamt eher aromenarm. Es erinnert etwas an süßen Sekt. Sehr luftig-leicht, tatsächlich mit Meeres- oder Inselcharakter. Leichte, aber erkennbare Würze. Das hört sich jetzt sehr negativ an, aber das Gesamtbild ist sehr stimmig – spannend, dass so wenig von allem so viel Spaß machen kann. 5,6% fallen dabei eher positiv auf. Als internationale Bierkategorie ist „Champagner Ale“ angegeben, das trifft es wirklich wie die Faust aufs Auge – ich hätte es nicht besser beschreiben können. Ein sehr kurzer, mildbitter-säuerlicher Abgang passt sich daran an, auch hier empfinde ich das im Eindruck als sehr angenehm. Nach den zwei Vorgängern ist das Insel Kreide ein für mich wirklich ausgesprochen tolles Bier, ideal zur Erfrischung. Normalerweise stehe ich so dünnlichen Bieren kritisch gegenüber – hier passt es einfach perfekt.
Letzteres lässt mich dann auch direkt an einen Einsatz im Cocktail denken. Es gibt diverse Varianten von Cocktails, die als i-Tüpfelchen Champagner einsetzen, man erkennt sie meist an dem Namenszusatz „Royal/Royale“. Statt Champagner, wie im originalen Royal Julep, verwenden wir hier einfach das säuerlich-frische Insel Kreide. Und so ist er geboren, der Rügen Julep!
Rügen Julep
1 Würfel Zucker
6 Blätter Minze
2 oz Whiskey (z.B. Jack Daniel’s Single Barrel Select Tennessee Whiskey)
Diese Zutaten muddeln, dann auf viel Eis abseihen…
…und mit Rügener Insel-Brauerei Insel Kreide aufgießen.
[Rezept wandelt einen Royal Julep ab]
Man verstehe mich hier bitte nicht falsch, irgendwie kommen zwei der drei Biere bei mir nicht übermäßig gut an, ohne dass ich klar festmachen kann, was mir fehlt. Qualitativ sind sie alle sehr hochwertig, persönlich sind sie mir aber nicht konsequent genug. Das mag mein privater Geschmack sein, der bei einem innovativen Bier, das diese Produkte ja sein wollen, etwas besonderes sucht. Vielleicht ist es einfach die Vermarktung als „besondere Biere“, die hier kontraproduktiv wirkt, denn man schürt damit viel Erwartung, die die Bewertung am Ende beeinflusst. Nun, dafür können die Biere selbst natürlich nichts, und vielleicht probiere ich sie später nochmals, wenn die Marketingmaschinerie etwas abgekühlt ist. Ich mochte die Sauerbiere der Insel-Brauerei (nachzulesen hier und hier) ja schließlich auch sehr gerne. Zumindest das Insel Kreide kann an diese beiden Vorbilder ohne Probleme anschließen.
Danke fürs Probieren – ich genieße ab und an auch ein Papiefläschchen ;-)
Die Flaschengährung ist schon speziell. Viel Kohlensäure, sehr perlig. Geschmacklich finde ich es tagesforabhängig. Besonders das Stout. Mal überragend – mal wie von Dir beschrieben, etwas knapp im Geschmack. Aber in der ganzen Craftbeerauswahl, die mittlerweile beinah unübersichtlich ist, sticht die inselbräu durchaus heraus. Grad, weil sie sich was trauen. Ich bin da aber immer noch auf der Such nach meinem Favoriten. Aber so bleibts spannend.
Schön, dass sich so viele Brauer wieder was trauen und wir in beinah jedem Supermarkt mittlerweile mehr finden, als das Einheitspils.
Ich sehe das wie Du. Bei einem Bier, das nicht in einem 1000-Hektoliter-Stahltank ohne menschlichen Eingriff gebraut wird, finde ich Tagesform sogar charmant. Und selbst das Stout, das etwas schlecht wegkam in meinem Artikel, ist ja keineswegs schlecht – nur im Vergleich zu anderen Craftstouts und den anderen Bieren der Inselbrauerei fällt es halt etwas ab. Was mich nicht davon abhält, weiter zu probieren. :)