Es ist eine der wichtigsten Hilfsmittel für jeden Tequila-Freund – Tequila Matchmaker, eine App, die sowohl zur Bewertung von Agavenbränden dient, als auch als Datenbank zum Nachschlagen zu Herstellungsdetails, die uns als Freunden des gut gemachten Tequilas wichtig sind. Ist dieser Tequila, den ich da gerade zufällig gefunden habe, durch einen Diffusor produziert worden? Wurde die gekochte Agave mit einer Tahona zermahlen? Welche Art von Kochgeschirr kam zum Einsatz? Welche anderen Tequilas wurden unter dieser NOM hergestellt? Fehlkäufe können so in Zukunft nahezu ausgeschlossen werden, und die geschmackliche Durchschnittsbewertung von Laien wird durch ein Panel von Profis ausbalanciert. Tolle Sache, ich nutze die App seit langem und kann sie nur empfehlen.
Schaut man darin nach dem heute hier besprochenen Tequila – also dem Terralta Tequila Blanco, Reposado, Añejo und Extra Añejo – so findet sich eine ganz hervorragende Bewertung für den ungereiften, und sehr gute Punktewerte für die gereiften Varianten. Persönlich halte ich nichts von Punktevergaben, das habe ich ja schon in einem meiner ersten Artikel auf meinem Blog betont, doch ich gestehe zu, dass das aufmerksam macht. Entsprechend groß ist die Vorfreude auf die folgende Verkostung gewesen, und ich greife nicht vor, wenn ich jetzt schon sage, dass die Vorfreude nicht enttäuscht wurde.
Zu den Details dann mehr bei den einzelnen Tequilas selbst, nur drei Worte über technische Details vorab: Erstens, alle diese Tequilas sind mit 40% Alkoholgehalt abgefüllt, einem für Tequila sehr angenehmen Wert, auch wenn auch hier inzwischen ein Trend zu mehr Prozenten auszumachen ist. Zweitens, sie sind alle nach modernen Methoden hergestellt, die sich allerdings an traditionelle Methoden anlehnen, mit Steinöfen und einer Maschine, die einer klassischen Tahona nachempfunden ist (und „Frankenstein“ genannt wird und wirklich aus einem Horrorfilm entsprungen zu sein scheint), was für mich allein schon eine spannende Sache ist. Drittens, das verwendete Wasser; zum grundsätzlichen Thema „Wasser“ hatte ich schon beim G4 Tequila , einem der anderen Tequilas der Destillerie El Pandillo (NOM 1579), gesprochen – im Unterschied zu jenem setzt man hier komplett Brunnenquellwasser ein und lässt das Regenwasser weg. Diskutieren wir nicht lang drüber, ob es was bringen kann, gießen wir uns ein Glas ein und schauen, ob es was bringen tut.
Farblich komplett transparent und ohne Makel bewegt sich der Terralta Blanco mit einer leichten Öligkeit im Glas, hinterlässt dabei einen Fransenrand aus Tränen, die in kleinen Tröpfchen ablaufen. Die Nase ist äußerst würzig und aromatisch – ein richtiger Bums an frisch geschnittener Agave lässt bei mir schon von Anfang an keinen Zweifel aufkommen, dass wir hier ein besonders edles Produkt vor uns haben. Sehr erdige Aromen, erinnernd an Leder, grünen Pfeffer und eine sehr ausgeprägte Harzigkeit untermauern das; geröstete Mandeln, Vanille und Honig rieche ich als süße Basis.
Auch im Mund erkennt man das Basisprodukt sofort, und es definiert den gesamten Geschmacksbogen. Da ist kein Chichi, kein Fehler, kein aufgepfropftes Aroma – ein pures, aromatisch sehr reines Agavendestillat, wie ich es selten erlebt habe. Eine sehr vorsichtige, natürliche Süße mit ein paar Nuss- und Vanillearomen spielt mit Pfefferschärfe, die keineswegs aus den 40% Alkoholgehalt stammt. Eine wunderbare Rundheit und sowohl Tiefe als auch Breite lassen mich diesen Brand gerne sehr, sehr lange im Mund behalten und dort hin und her schwappen.
Der Abgang gleicht sich dem an – er ist heiß, lang, pfeffrig-scharf und voll. Ein Hauch aus Agave hängt nach, gepaart mit einem leicht metallischen Ton. Der Terralta Blanco bleibt dabei sehr sauber und direkt, ohne künstlich wirkende Nachklänge oder störende Einflüsse, rein die Agave ist bis zum letzten Schluss da, minutenlang, ein wirklich extrem ausdauernder Tequila: Ein Meisterstück eines wahren Könners, ohne jeden Zweifel.
Im Terralta Reposado sieht man die Farbe, die 3 Monate in einem „light toast #1“-Ex-Bourbon-Fass, das zum ersten Mal für etwas anderes als Bourbon benutzt wird, erzeugen. Eine leichte Strohigkeit, Pastellgold vielleicht, erkennbar und ehrlich wirkend. Auch hier ist die leichte Viskosität des Basisdestillats erkennbar, mit den entsprechenden Glasrandeffekten.
Während bei manchen Reposados bereits trotz der kurzen Reifezeit das Holz dominiert, ist hier noch die Agave deutlichst im Vordergrund. Sie wird durch milde Vanille- und Gewürznoten nur unterbaut, sehr gelungen, wie ich finde. Leichte Frucht- und Blütenkomponenten, dabei besonders Jasmin und Rose, sorgen für ein wirklich exquisites Aromenspektrum für die Nase.
Im Antrunk kommt zwar eine gewisse Süße als erster Eindruck, doch direkt wird sie von einer trockenen Bittere und milder Salzigkeit übernommen. Der Reposado wirkt leicht holzig, erdig, sehr erwachsen und voll in jeder Richtung. Keine Komponente überwiegt die andere, Agave dominiert zwar, aber das will man genau so haben bei einem guten Tequila, wie das hier ausgeführt ist. Der Abgang ist lang, sehr floral in Richtung Jasmin, mit deutlicher Anästhesie auf der Zunge, warm und voll im Rachen. Eine feine Würzigkeit bleibt bis zum Schluss.
Spannend, wie sich hier der Holzausbau tatsächlich in einer wirklich schönen Aromenverschiebung hin zum Gewürz und zur Blütigkeit äußert, und nicht das Holz, wie bei manchen Reposados entweder gar nicht oder übermäßig übernimmt. Auch hier bleibt als Fazit nur – hervorragend. Anders als der Blanco, aber nicht schlechter.
Für den Terralta Añejo (ebenso wie für die gereiften Varianten von G4 und Pasote, die ja alle aus derselben Destillerie stammen) werden Fässer aus amerikanischer Eiche eingesetzt, stammend von den Herren Beam und Daniel. Hier erkennt man bereits eine zarte Färbung, aber wir bewegen uns immer noch im strohig-pastelligen Bereich.
Die Mischung, die die Nase hier wahrnimmt, hat nun auch Komponenten von zwei Einflüssen – einerseits bleibt die bereits in den jüngeren Varianten dominante Agave auch hier definierend, doch Vanille und Zimt aus den ehemaligen Bourbonfässern ist nun beinahe gleichberechtigt. Das ist eine gute Sache, denn viele andere Añejos riechen schon kaum mehr nach Agave. Etwas Orangenschale, etwas Limette – eine schöne Zitrusseite taucht hier auf. Erfreulicherweise bleibt auch das Blumige des jüngeren Bruders erhalten.
Der Geschmack hat sich dann etwas deutlicher vom Reposado entfernt. Die Frische und Grünheit, die Vegetalität des Destillats ist nun viel zurückgenommener, im direkten Vergleich wirkt der Añejo stumpfer und weicher. Zimt, Vanille, etwas Karamell sind im Vordergrund, eine starke Pfeffrigkeit voller Feuer und adstringierende Trockenheit lassen den Tequila aber nicht zu süß und anbiedernd werden.
Der Abgang ist wieder sehr blumig, hier taucht der Charakter eines Tequila wieder auf, wie ich ihn mag. Sehr lang, heiß, viel Jasmin, Agave und ganz dezente Gewürznoten. Nun, das ist ein Añejo, der mir gefallen kann, dennoch wird diese Kategorie niemals ein echter Favorit für mich werden, denn alles, was ich an diesem Tequila mag, ist bereits in den jüngeren Alterskategorien vorhanden, und er gewinnt nicht viel durchs Reifen, wenn man nicht fragt; im Gegensatz zu vielen anderen Añejos verliert er aber auch nicht viel.
Kommen wir zum ältesten, was Terralta zu bieten hat – der Terralta Extra Añejo. Vier Jahre, also ein Jahr mehr als die Altersstufe gesetzlich mindestens erfordert, hat dieser auf dem Buckel: hier ein Opa, bei anderen Spirituosen gerade aus dem vorgeschriebenen Mindestalter heraus. Die Fassauswahl ist dieselbe wie beim oben beschriebenen Añejo.
Farblich hat sich nun im Vergleich zum Añejo praktisch nichts mehr getan, der Ton ist der gleiche, es ist ein etwas kräftigerer Schimmer und dunkle Reflexe erkennbar, das ist es aber auch schon. Das Schwenkverhalten ist immer noch lebendig und flüssig, wie bei allen Ausgaben dieses Tequilas. Geruchlich wird es nun sehr mild und vanillig. Die rosige Blumigkeit ist die zweite Komponente, die beiden zusammen überlagern die Agavencharakteristik deutlich, ohne sie aber ganz platt zu kriegen. Mineralische Noten und ein bisschen Zuckerwatte kommen dazu.
Geschmacklich schließlich erreichen wir ein Stadium, wo Milde, Rundheit und Gemütlichkeit die Oberhand gewonnen haben. Die leichte Seifigkeit des Antrunks wird, wie gewohnt, durch Würze im Verlauf ersetzt, doch hier geschieht das gemächlich und erreicht nie die Kraft seiner jüngeren Brüder. Schwarzer Pfeffer, rohe Agave, Zimt. Gegen Ende wird der Extra Añejo eiskalt, ein interessanter Unterschied zum Añejo, und nur sehr leicht holzig, vor allem ohne schwer oder dunkel zu werden – man merkt, dass die eingesetzten Fässer bereits dreimal für den Añejo verwendet wurden, da ist wirklich nur vorsichtige Holzcharakteristik. Der Abgang ist lang, mit viel floralen Qualitäten, Wintergrünöl, Zimt und Lavendel. Kühlender Eukalyptus liegt lange im Mundraum, wenn der Rest schon verschwunden ist.
Die Idee, die Fässer erstmal ein paar Mal für einen anderen Reifungsgrad zu verwenden, bevor sie für den ältesten herangezogen werden, ist genial und sorgt dafür, dass wir hier einen Extra Añejo vor uns haben, der noch viel seiner Frische und Agavenherkunft erhalten hat. Für mich sicherlich einer der besten dieser Stufe, die ich getrunken habe, denn hier spürt man noch den Tequila heraus, und nicht ein generisches Holzlagerungsdestillat.
Da gibt es nichts zu deuteln, das sind alles absolut erstklassige Tequilas, ich habe rein gar nichts zu meckern. Ich bin begeistert darüber, wie sehr sich die Tequilawelt in Deutschland in den letzten 5 Jahren gewandelt hat, diese Art von Qualität hätte man damals höchstens in Träumen hierzulande erwerben können. Gleichzeitig hat sich aber auch in den Köpfen der Hersteller etwas gewandelt, man sieht, dass sie sich selbst nicht mehr mit Massenproduktion und seelen- und traditionslosen Destillaten zufriedengeben wollen, sondern etwas herstellen wollen, auf das man am Ende des Tages sehr stolz sein kann. Gerade die „modernen Traditionen“ bei Herstellern von Destillaten wie Terralta, G4, Fortaleza und ähnlichen tun sowohl uns als auch der Tequilakultur insgesamt sehr gut.
Für den obligatorischen Cocktail meiner Besprechungen habe ich mir den Terralta Reposado rausgepickt, obwohl alle vier eine ausgesprochen hohe Mixability aufweisen und jeden Drink aufwerten – ich bin mir sicher, wer bisher nur Tequilacocktails mit José-Cuervo-Mixtos kennt, und dann den Pre Siesta mit einem Terralta, wird gar nicht erkennen können, dass das eigentlich dieselbe Spirituosenkategorie sein sollte. Und, das kommt dazu, selbst die meisten anderen 100%-Agave-Tequilas werden ihm weder pur noch in Drinks das Wasser reichen können.
Pre Siesta
2 oz Tequila Reposado
¾ oz Triple Sec
½ oz Aperol
3 Spritzer Orange Bitters
Auf Eis shaken.
[Rezept nach Little Rich Hunt]
Es ist dem Importeur fifteenlions sehr zu danken (und das sage ich nicht, weil ich kostenlose Samples bekommen habe), dass hier nicht nur ein paar Alibiflaschen importiert wurden, die in einem obskuren Onlineshop vor sich hin dümpeln. Bei dem Ruf, den Tequila trotz allem oben gesagten in Deutschland immer noch hat, muss zwar über ihn aufgeklärt werden – wozu ich hoffentlich etwas beitrage -, doch alle Aufklärung hilft nicht, wenn man die entsprechenden Produkte in Deutschland gar nicht bis nur schwer bekommt. Zur Aufklärung gehört auch ein engagierter Importeur, der weitreichend Werbung betreibt und den Tequila in ausreichenden Mengen zu einem vernünftigen Preis anbietet. Und fifteenlions leistet dahingehend sehr gute Arbeit, die auch mir das Agavenleben in Deutschland angenehmer macht.
Offenlegung: Ich danke fifteenlions für die bedingungslose Zusendung der vier 10cl-Samples dieses Tequilas.
2 Kommentare zu „Aus dem Hochlandtiefbrunnen – Terralta Tequila“
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