Vielleicht kennt der eine oder andere das – man hat einen im Bekanntenkreis, der sich etwas mit Spirituosen auskennt, und aus gegebenem Anlass hätte man gern eine Flasche eines guten Tropfens gekauft. Also fragt man den Bekannten, was er so empfehlen würde, sieht, dass es die Empfehlung auch noch gerade im Blitzangebot bei einem großen Onlinegemischtwarenladen gibt, und schlägt dann voller Vertrauen zu. Am besonderen Tag öffnet man dann mit Freunden und Freuden die Flasche, und stellt fest, dass der Inhalt einem dann doch nicht so besonders zusagt. Eine Enttäuschung sondergleichen.
Das ist das Schicksal des Kenners: der eigene Geschmack ist halt dann doch nicht wirklich übertragbar. Man kann Qualität, ein gutes Preisleistungsverhältnis oder eine hübsche geschenktaugliche Präsentation empfehlen, aber ob es dann dem glücklichen Empfänger auch wirklich schmeckt, das bleibt dem Schicksal überlassen und ist selten vorhersehbar.
So ging es mir, als ich einem Kollegen, der mich nach meiner Meinung über Baker’s Kentucky Straight Bourbon Whiskey fragte – klar, toller Stoff, schlag zu, so in etwa waren wohl meine Worte. Nach einiger Zeit erhielt ich dann die etwas pikierte Rückmeldung, dass der Whiskey nicht wirklich gut angekommen war: die tiefgehende Analyse lautete „hat nicht geschmeckt“. Die Flasche war trotzdem nur noch zu einem Drittel voll, also kann man den Probanden nicht vorwerfen, sie hätten es nicht zumindest versucht. Immerhin kam ich so in den unerwarteten kostenlosen Genuss des ordentlichen Rests, der übrig geblieben war.
Farblich erkennen wir sehr dunklen Bernstein mit orangenen Reflexen. Der Baker’s Bourbon ist ein Straight Bourbon, daher ist künstliche Nachfärbung ausgeschlossen; hier hat man den (leider seltenen) Fall, dass man schon von der Optik her erahnen kann, wohin der Geschmack später gehen wird. Der Whiskey liegt sehr ölig im Glas, mit sehr langsam ablaufenden Beinen.
Der Geruch ist eine bunte Mischung aus Aromen, die auf dern ersten Blick kaum zusammenpassen. Etwas Lack. Honig. Vanille. Etwas Menthol. Etwas Bacon. Ein Hauch Rauch. Und über allem brutal viel Eiche – sehr viel mehr, als die 7 Jahre Reifezeit in neuen Fässern aus amerikanischer Eiche das normalerweise liefern. Interessanterweise passen sich die Aromen dann doch in ein rundes Gesamtbild ein.
Der Geschmack ist voll, weich und super-„smooth“ (um mal das Buzzword, das viele Kenner inzwischen hassen, zu bemühen), trotz der 53,5% Alkohol. Der Körper ist leicht dünn. Insgesamt ist der Baker’s Bourbon nicht so süß, wie erwartet, im Gegenteil: er bleibt sogar sehr trocken, und leicht blumig, fast schon parfümig. Im ersten Moment überraschend, weil anders als die meisten anderen Bourbons; in der Folge aber äußerst elegant, erinnert fast etwas an Cognac. Wenn man den Marketingaussagen von Beam trauen darf, ist ein spezieller Hefestamm für diesen besonderen Geschmack verantwortlich. Der Abgang ist sehr lang, leicht bitter, trocken, nussig. Er bleibt auch im Nachhall sehr lang feurig, voller Chili, Pfeffer und Eiche, sowie Menthol.
Ich muss den Testern, die meiner Empfehlung gefolgt sind, das Eingeständnis machen: Beim Baker’s haben wir ein durchaus ungewohntes Geschmacksbild für einen Bourbon aus der Beam-Reihe vor uns. Das ist für mich aber keineswegs ein Mangel, im Gegenteil – es ist schön zu sehen, dass auch im hochstandardisierten Bourbonbereich eine weite Spannbreite an Aromenprofilen möglich ist.
Für mich ist der Baker’s in seiner Eleganz ein idealer Purgenuss. Dennoch, wer mich kennt, weiß, dass mich das nicht davon abhält, solche Produkte auch in Cocktails zu kippen. Der Thigh High Boots ist eine schöne, kräftige Mixtur mit extrem viel Körper und einer dichten Aromenstruktur, in dem die hohe Alkoholprozentzahl des Baker’s dafür sorgt, dass die schweren Bitterkomponenten nicht überhand nehmen.
Thigh High Boots
2 oz Bourbon (z.B. Baker’s Kentucky Straight Bourbon Whiskey)
¾ oz Zitronensaft
¾ oz Zimtsirup
¾ oz Lillet Blanc
½ oz Campari
½ oz Amaro (z.B. Ramazotti)
3 Spritzer Peychaud’s Bitters
Auf Eis rühren.
[Rezept nach T.J. Lynch]
Kurz etwas zu den Rahmenbedinungen – der Baker’s Bourbon ist Teil der Small-Batch-Familie des Herstellers Beam, zu der auch Booker’s, Basil Hayden’s und Knob Creek gehören. Der Name ist abgeleitet von Baker Beam, dem Großneffen des Firmengründers. Zur Zeit sind zwei Abfüllungen in Deutschland auf dem Markt, die sich äußerlich durch unterschiedliche Flaschenformen auszeichnen. Die „alte“ Abfüllung ist in einer recht klassischen Flasche, die man sonst oft von Wein kennt, unterwegs (im Foto unten rechts zu sehen); eine „neuere“ Abfüllung ist in einer eher typischen Spirituosenflasche beheimatet (im Foto links). Gleich markant bleiben das prägnante „B“ auf dem Etikett, sowie die schwarze Wachsschicht, die den Flaschenhals bedeckt.
Kleine Anekdote am Schluss – der Kollege, der mir die Restflasche überlassen hat, hatte dann doch noch eine zweite Flasche gekauft. Für ihn ist dieser Bourbon immer noch etwas ungewohnt, und falls es jemand anderem ähnlich ergeht wie ihm: Der Elijah Craig, eine andere Empfehlung, die ich im gab, mundet ihm dafür umso besser. Mit beiden macht man aus meiner Sicht nichts falsch, aber Geschmäcker sind halt verschieden (und damit werfe ich 2€ ins Phrasenschwein).
So sieht das mal aus. Kenn auch Leute, die gar nix ausm Fass mögen, weil Holz kein Nahrungsmittel ist…
Das ist schon sehr seltsam! :D Aber jedem Tierchen sein Plaisierchen, solange die keine Gesetzesinitiative gegen Holzereifung starten.