Der verlorene Sohn – endlich kommt er heim. Der Booker’s Bourbon ist ein weiterer Verwandter aus der Jim-Beam-Small-Batch-Serie; das fehlende Element der Familie für mich, denn ich hatte bereits den Basil Hayden’s, Knob Creek und Baker’s Bourbon verkostet, die die anderen Mitglieder dieser Serie sind. Seit neuestem ist allerdings noch der Knob Creek Rye dazugekommen, irgendwie werde ich also nicht fertig mit dieser Verwandschaft. Aber eins nach dem anderen, jetzt erstmal zum Booker’s, von dem ich mir eine Flasche aus dem „Batch 2014-06“ geschnappt hatte.
Bei manchen Spirituosen muss man froh sein, wenn man überhaupt eine grobe Richtung erfährt, wie alt das Produkt ist – auf dem Etikett dieses Whiskys findet sich die Altersangabe „7 Jahre, 2 Monate, 14 Tage“, da steigen mir als Freund der Transparenz Freudentränen in die Augen. Ich lasse mir dadurch allerdings nicht die Sicht verschwurbeln darauf, dass „Small Batch“ bei derartigen Produkten ein extrem relativer Begriff ist und auch bei den kleinen Abteilungen im Hause Jim Beam eher amerikanische Größenverhältnisse als Maßstab anzulegen sind denn der Ausstoß eines kleinen Handwerksbetriebs. Nun, das muss ja aber auch nicht schlecht sein – meine persönliche Meinung: ein gut gemachtes Mengenprodukt ist einem schlechten aus einem kleinen Betrieb vorzuziehen. Schauen wir mal, was wir hier haben.
Farblich sehen wir ein dunkles, leuchtendes Kupfer, das sich sehr schwer und dick im Glas bewegt. Am Glasrand entsteht ein öliger Film, der lange haften bleibt und sich dann nur langsam in Beinchen aufteilt, die träge ablaufen.
Die Nase muss man nicht ins Glas halten, nach einem vorsichtigen Schwenken riecht man die Aromen bis einen halben Meter entfernt ohne Mühe – reife Früchte, frisch geschnittene Karotte, Karamellbonbons, warmer Schokoladenkuchen, Vanille und einen Hauch von Lack. Ein Geruch, der jedem ohne viele Worte direkt erklären sollte, warum ich guten Bourbon so liebe.
Nehmen wir einen Schluck, zunächst ohne Verdünnung – bei 63,85% Alkoholgehalt oder 127,7 Proof ist das durchaus noch möglich, wenn für mich persönlich auch nicht so wirklich sinnvoll und erstrebenswert. Was passiert, wenn man so einen starken Bourbon pur trinkt? Erstmal kommen durchaus Aromen durch; doch sehr schnell fängt dann die Zunge, das Zahnfleisch und der Gaumen an zu kitzeln, die Alkoholschärfe betäubt mit lautem Brummen alle Geschmacksknospen, man schmeckt nur noch einen kleinen Teil dessen, was dieser Whiskey liefern kann. Eine Verschwendung! Eine Spirituose in Fassstärke unverdünnt zu trinken, führt nach meiner persönlichen Meinung nur dazu, dass man sie nicht wirklich würdigen kann, denn die vordergründigen Geschmacksaspekte überdecken alles an Komplexität und Tiefe.
Entsprechend wirkt der Booker’s Bourbon unverdünnt im Antrunk zunächst flach und schal. Der Verlauf ist zwar süß, aber die Hitze des Alkohol sorgt für kaum Aromen, außer den typischen, die Bourbon ausmachen – Vanille, reife, dunkle Früchte und Karotte. Der Abgang ist mittellang und unspannend. Man merkt, dass da etwas ist, aber der Geschmacksapparat kann es nicht wirklich auseinanderdividieren.
Ich gebe ein paar Tropfen Wasser aus einer Pipette dazu, in etwa soviel, um vielleicht ein Dutzend Prozente wegzunehmen. Der geruchliche Eindruck verändert sich, wirkt saurer und würziger. Im Mund denkt man, etwas ganz anderes zu haben – der Booker’s ist nun plötzlich sehr dicht, unglaublich voluminös, prachtvoll; und das, obwohl er „verdünnt“ wurde. Er zeigt nun, was in ihm steckt: Kraft, Wucht, Stärke, sehr breite Aromenspektren vor allem in Richtung Würze und Umami-Eindrücken, fast schon salzig. Tabak und Röstaromen entstehen, Espresso und geröstete Nüsse fliegen mit. Das Mundgefühl ist grandios, ölig, cremig, schwer. Es geht bei diesem Whiskey weniger um die Breite an Aromen: das Mundgefühl ist es, was den Booker’s für mich so besonders macht. Darunter liegt immer eine starke, natürliche Süße. Der Abgang ist nun lang, Aromen kleben fast schon am Gaumen und am Zungenrand, Karotte und Vanille bleiben minutenlang aktiv, hauchige Eukalyptuskälte spürt man bei jedem Atemzug im Mund. Der Nachhall ist im Rachen und Magen dagegen sehr warm, rund und befriedigend; man kann einen Schluck fünf oder sechs Minuten danach noch nachfühlen und genießen.
So eine Wuchtbrumme übernimmt natürlich dann auch ohne jede weitere Aufforderung die Hauptrolle in einem Mixed Drink. Braucht man mal einen Bourbon, der sich gegen richtig schwere Zutaten durchsetzen kann, wie die gemuddelten Erdbeeren im Bourbon Blush, dann ist der Booker’s Bourbon genau die Waffe, die der Cocktailkämpfer braucht.
Bourbon Blush
3 Edbeeren muddeln
2 oz Bourbon
¾ oz Himbeerlikör
¼ oz Ahornsirup
Auf Eis shaken.
[Rezept nach Simon King]
Selbst von der Präsentationsseite sorgt dieser Whisky für großen Spaß bei mir – auch wenn ich inzwischen weg davon bin, die ganzen Kartons und Gimmicks, in denen Spirituosen ausgeliefert werden, aufzubewahren, so wird der Holzkasten mit transparentem Plastik als verschiebbarem Sichtfenster noch einen guten Verwendungszweck in meiner Heimbar finden. Die Weinflasche mit den vielen Etiketten, die mit sehr viel Pseudohandschrift befüllt sind, und dem Wachsverschluss gibt darüberhinaus dem Auge einiges zu tun. Ein tolles Produkt, von vorne bis hinten.