Der kirchliche Orden der Benediktiner ist eine schweigsame Gesellschaft. Als ehemaliger Messdiener in einer Benediktinerabtei, der weltbekannten Abtei Neresheim, kann ich davon ein Lied singen: Einmal zu Weihnachten wurden die Ministranten zum gemeinsamen Festmahl mit den Mönchen, die sonst in weltabgeschiedener Klausur verbringen, eingeladen. Das Festmahl entpuppt sich dann schnell als einfaches, stilles, nur von einer Lesung begleitetes Essen, bei dem die Einkehr im Vordergrund steht, völlig ohne Tebartz-van-Eltz-Protzgehabe. Selbst ohne Essenseinladung der Mönche ist das architektural spektakuläre Kloster (und natürlich auch das angelagerte Städtchen!) auf jeden Fall einen Besuch wert.
Zu meinem Leidwesen gehören die Neresheimer Mönche nicht zu denen, die den Likör herstellen, der den Namen des Ordensgründers trägt: D.O.M. Bénédictine wird in einem Benediktinerkloster in Frankreich hergestellt. Gemeinsam mit den Benediktinern in Neresheim haben diese aber die Schweigsamkeit: Das Rezept für diesen Kräuterlikör wird streng geheim gehalten.
Etwas Lakritz rieche ich, und eine herbale Note, erinnernd an Underberg-Magenbitter und italienischen Amaro. Die fast klare Flüssigkeit, etwas viskos, liegt sehr süß auf der Zunge, hat aber auch eine gewisse Schärfe, die aber schnell durch Zucker abgebaut wird – wer kennt die roten, halbtransparenten Zuckerhasen, die es zu Ostern gibt? An diese besten Freunde von Karius & Baktus erinnert der Nachgeschmack von Bénédictine.
Im Gegensatz zum ähnlich ruhmvollen und auch als Mönchskloster-Elixir vermarkteten Chartreuse ist der Bénédictine sehr viel süßer und weniger herbal. Während Chartreuse, zumindest die grüne Variante, kaum zum Purtrinken geeignet ist, außer für die ganz harten Mönche, könnte ich mir den Bénédictine auch als leichten Digestif auf einem Eiswürfel vorstellen.
Doch für mich ist es praktisch exklusiv eine sehr dezente, sehr süße, trotzdem aber eine starke Kräuternote mitbringende Cocktailzutat, die in überraschend vielen Cocktails zum Einsatz kommt – meist in vergleichsweise fast homöopathischen Dosen (also reicht die Flasche entsprechend lang). Ein Gegenbeispiel mit einer ordentlichen Menge ist der frisch-trocken-hochgeistige The Royalist.
The Royalist
1½ oz Weißer Wermut (z.B. Martini Extra Dry)
¾ oz Bénédictine
¾ oz Bourbon (bevorzugt einen milden, z.B. Four Roses)
1 Spritzer Peach Bitters
Für den Endgenießer empfehle ich dazu einen De Olifant Brazil Giant-Cigarillo.
Eine sehr schöne, absichtlich altmodische Flasche, mit Siegellack-Emblem, und leider nur einem Plastikschraubverschluss, macht was her im Regal. Und auch den Großeltern, die zu Besuch kommen, oder dem Gast, der nach dem üppigen Essen Pansgrimassen hat, kann man den D.O.M. Bénédictine freundlich lächelnd eingießen. Ich bin mir sicher, dass auch die Neresheimer Benediktinermönche, die ich trotz ihrer Stille als äußerst freundliche, warmherzige und bodenständige Menschen kennengelernt habe, einem kleinen Gläschen davon, wenn es einen Anlass gibt, nicht abgeneigt wären.
5 Kommentare zu „So schlecht lebt sichs im Kloster scheinbar nicht – D.O.M. Bénédictine“