Wer hat sie nicht noch im Ohr, die Werbung von Underberg aus den 90ern. Dass der beliebte Bitter es nicht geschafft hat (oder nicht gewillt ist), sein „semper-idem“-Altherrengetränk-Image seitdem abzulegen (im Gegensatz zu beispielsweise Jägermeister, das zum Partygetränk mutiert ist), ist schade; gerade in Zeiten, in denen Bitter auf den Cocktailkarten wieder zurückkehren, ist das eine vertane Chance gewesen. Nur mit dem „nach-dem-Essen“-Motto kann man heutzutage keinen mehr hinter dem Ofen hervorlocken. Dabei hat Underberg eigentlich schon was zu bieten, was auch modernen Genusstrinkern gefallen kann.
Der Bitter als Spirituosenkategorie hat eine sehr alte Geschichte. Die ultrabittere Konkoktion aus Kräutern, Fruchtteilen und natürlich Alkohol wurde zunächst als Tonikum, zur Stärkung und Kräftigung von Körper und Geist, verkauft. Man denkt dabei gern an den Schlangenölhändler Docteur Doxey aus Lucky Lukes siebtem Abenteuer.

Ob es nun wirklich, wie gern und oft beworben, gut für den Magen nach dem Essen ist („Magenbitter“ wurde ja besonders in Deutschland zu einer eigenen Spirituosenkategorie), sei dahingestellt – diese Annahme ist wohl auch ein Relikt aus dieser Zeit. Irgendwann entdeckte man, dass das Zeug, wenn man sich mal daran gewöhnt hat, auch ganz gut schmecken kann; und mit Aufkommen der Cocktailkultur ab Mitte des 19. Jahrhunderts war der Bitter als feiner Twist in einem Cocktail nicht mehr wegzudenken.
Der Underberg selbst riecht sehr herbal, mit Kardamom, Muskat und Nelken im Vordergrund; sehr gefällig und angenehm. Im Mund ist eine starke Lakritznote, ein eher süßlicher Ton, dann vorherrschend. Dagegen kommen nicht viele andere Gewürzanklänge an, doch die Nelke ist wieder da, ein Eukalyptus-Gefühl und der Alkohol erzeugen einen beeindruckend räumliches Mundgefühl. Auf jeden Fall einzigartig und mit hohem Wiedererkennungswert.
Dass man Underberg auch heute in einer Bar gut einsetzen kann, zeigt der überraschende Underberg Sour. Eine sehr faszinierende Mischung, die man auch nach dem Essen trinken kann. Oder vor dem Essen. Bei diesem tollen Geschmack wahrscheinlich beides – Kenner erkennen vielleicht den Trinidad Sour dahinter.
Underberg Sour
1 Fläschchen Underberg
1 oz Mandelsirup
1 Spritzer Orange Flower Water
½ oz Rye Whiskey (z.B. Rittenhouse Rye BiB)
¾ oz Limettensaft
Persönlich gefällt mir die Aufmachung, in den kleinen Fläschchen, mit Packpapier umwickelt, und einem Medikamentenbeipackzettel nachahmenden Etikett. Wenn man die Fläschchen dann noch schön in einem Glashalter präsentiert, greift selbst der härteste Bitterhasser bestimmt zu.
…und wenn einem dann doch der Schnaps zuviel Alkohol enthält, oder ein „Teatotaller“ nach dem Essen dennoch gern den Geschmack dieses Bitters verkosten würde, biete man einfach die entsprechenden, in der Apotheke erhältlichen Kräuterbonbons an – sie werden tatsächlich als „Digestifbonbons“ vermarktet und schmecken wirklich sehr ähnlich wie der Bitter. Und sie sind garantiert alkoholfrei.
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