Die Fernsehwerbung hat uns viele fiktive Persönlichkeiten geschenkt, die das beworbene Produkt mit dem Anschein des echten Lebens versahen, es in ein gutbürgerliches Umfeld einbetteten. Karin Sommer sorgte mit ihrem guten Kaffee für gute Stimmung bei Familie und (damals wahrscheinlich noch wichtiger!) den Nachbarn, der gute Herr Kaiser dafür, dass man bei einem Unfall bestens versichert war, und Frau Antje brachte den holländischen Käse nach Deutschland. Doch nur wenige hatten es in den 90ern geschafft, sich so ins kollektive Gedächtnis einzubrennen wie die laszive italienische Kirschexpertin Claudia Bertani.
„Mit der Kirsche beginnt das Geheimnis“, das war einer der Slogans für die Kirschpraline Mon Cheri. Dabei ist es eigentlich kein Geheimnis, dass Kirschprodukte in Cocktails und Bars sehr gern eingesetzt werden – da gilt es vor allem wohl Maraschino-Likör und „Kirschbrandy“ (auch ein Likör, der nichts mit Brandy zu tun hat, und nicht zu verwechseln mit Kirschwasser ist) zu nennen, die in Mixturen eingesetzt werden, seit es das Konzept des Mischdrinks gibt. Kein Wunder, dass auch Bitters sich diese so beliebte Fruchtrichtung zunutze machen wollen – das jüngste Beispiel dafür sind die Bonpland Bitters Stevnsbaer Cherry Pinot Noir, die daneben noch eine Rotweinnote präsentieren wollen.
Rotwein und Kirsche, in einem Tropfen vereint – das hat zumindest vom Gefühl her schonmal was besonderes. Wer über das seltsame dritte Wort stolpert – es handelt sich um eine Edelkirschensorte, die besonders aromatische Früchte hervorbringt, aufgrund ihrer wenig industrialisierbaren Eigenschaften in Deutschland aber kaum verbreitet ist. Ausgesprochen wird der Name dieser dänischen Sorte übrigens wie das englische Wort „stonesbear“.
Farblich sind Rotwein und Kirsche schonmal gut zu erkennen: Ein leicht ins Bräunliche tendierendes, kräftiges Rostrot, blickdicht. Der Geruch ist zunächst, wenn man die ganze Einführung hier über Kirschen gelesen hat, etwas verwirrend – da riecht man keine Frucht, nur eine dunkle Würze, stark erinnernd an Underberg.
Der Geschmack lässt diese kurze Pseudoirritation aber wieder vergessen – Sauerkirsche, Rotwein, genau das, was man erwartet und erhofft; selten passen Erwartung und Ergebnis so passgenau aufeinander. Die schöne Säure ist gut eingebettet in das Geschmacksbild, und, und das ist für Bitters schon etwas besonderes, man kann sie ohne zu starke Zungenbetäubung auch gut pur probieren. Tatsächlich zögere ich leicht, dieses Produkt als „Bitter“ zu kategorisieren; es ist mehr eine Tinktur, ein Kirschextrakt. Erst im Abgang kommt eine gewisse milde Bittere zum Vorschein. Die klar dominierende Note ist und bleibt aber die Fruchtsäure.
Eine Sache muss unbedingt dringend erwähnt werden – die tiefrote Färbung dieser Bitters sorgt dafür, dass sie in den meisten Cocktails optisch nicht unentdeckt untergebracht werden können. Einerseits kann das ein Nachteil sein, da man nicht unbedingt einen stark rotgetönten Drink haben möchte; andererseits können die Bonpland-Bitters aber auch (wie Peychaud’s Bitters) für schöne Effekte dienen, wie zum Beispiel bei einer Shark’s Tooth-Variation. So kann man sie als Ersatz für die in der modernen Bar nicht mehr so wirklich sehr gelittene Grenadine hernehmen, um dem Haizahn einen schönen blutigen Zahnfleischansatz zu verpassen.
Shark’s Tooth
2½ oz weißer, starker Rum (oder hier z.B. Clairin Sajous)
½ oz Zitronensaft
½ oz Limettensaft
¼ oz Zuckersirup
Auf Eis shaken, dann aufgießen mit Sprudel. Schließlich…
5 Spritzer Bonpland Bitters Pinot Noir Stevnsbaer Cherry
…darauf tropfen und nach unten sinken lassen.
[Rezept abgewandelt nach Trader Vic]
Die Aufmachung der Bitter passt sich komplett in das überschwellende, detailverliebte, stellenweise fast schon leicht kitschige Gesamtkonzept der Bonpland-Reihe ein und punktet mit hübschem Design des kleinen Kartons, einer praktisch zu handhabenden dunkelgetönten 10cl-Flasche und einem Pipetteneinsatz im Drehverschluss zur perfekten Dosierung von Tropfen und Spritzern. 40% Alkohol weisen diese Bitters auf, und erhältlich sind sie für knapp 15€.
Persönlich bin ich der Meinung, dass eine Bar gar nicht genug Bitter aufweisen kann. Sie mögen in den meisten Drinks nicht wirklich herausschmeckbar sein, doch habe ich den Eindruck, dass ein passend platzierter Tropfen Bitter einem Drink eine leichten Twist geben kann – und wenn man zusätzlich zu den inzwischen schon zum Standard gehörenden Sortiment an Orangen- und Gewürzbittern nun noch sein Arsenal mit derart dichten Kirschbittern aufrüsten kann, um so besser!
Ein Kommentar zu “Die Sommerpause ist vorbei – Bonpland Bitters Stevnsbaer Cherry Pinot Noir”