Die Farbe dieses Bourbonklassikers ist blassgolden, die Nase hefig, etwas säuerlich; Eigenschaften, die ein Qualitätswhiskey eigentlich durch lange Fasslagerung abgestellt hat. Dafür riecht man kaum Alkohol, insgesamt wirkt er vom Geruch her aber dann doch sehr mild und süß mit den typischen Bourbonaromen.
Im Mund schießt erstmal ein leichtes Alkoholbrennen vor, das aber schnell durch eine sehr feine, zurückhaltende, dezente Süße abgelöst wird. Vanille, Karamell und ein Anflug von Eiche geben dem Four Roses Kentucky Straight Bourbon Whiskey eine durchweg angenehme, klassische Note. Der Abgang ist kurz, praktisch komplett ohne das Brennen des ersten Antritts – äußerst mild und sanft, dafür aber auch ähnlich zurückhaltend, was die Aromenvielfalt angeht.
Zum Purtrinken finde ich diesen Whiskey, ehrlich gesagt, dann aber doch im Gesamtbild zu langweilig. Ein paar Jahre mehr im Fass, und die leichte Schärfe wäre weg, immer ein Zeichen junger Spirituosen. Doch trotzdem empfehle ich den Kauf – als Cocktailmixer ist dieser Whiskey einfach unschlagbar. Er bringt ein zartes Bourbonaroma in jeden Whiskey-Cocktail, ohne zu aggressiv vorzugehen: Zum Beispiel in meiner persönlichen The Avenue-Variation, in der Bourbon und Calvados sehens- und schmeckenswert um die Vorherrschaft kämpfen.
My Avenue
1 oz Four Roses Kentucky Straight Bourbon Whiskey
1 oz Calvados (z.B. Couperne Fine Calvados VSOP)
1 oz Orangensaft (eigentlich: Maracujasaft)
1 Spritzer Grenadine
1 Spritzer Orangenbitter (eigentlich: Orange Flower Water)
Die Geschichte dieser „Variation“ ist die Not: Ich hatte bereits Bourbon und Calvados in meinem Shaker zusammengeführt, und als ich das Tetrapack mit Maracujasaft, der eigentlich reingehört, öffnete, starrte mir der Schimmel entgegen. Was tun? Orangensaft her. Kein echter Ersatz, aber bevor ich die guten Spirituosen wegschütte… dann stelle ich fest, ich habe auch kein Orange Flower Water (hätte das Rezept vorher besser lesen sollen). Naja, ein Spritzer Orangenbitter, zusammen mit dem Orangensaft, ist ja auch genug Orange. So entstehen Kultgetränke. Meine Variation ist kein Knaller, aber man kanns gut trinken.
(Nachtrag 04.01.2016: Ich habe in der Zwischenzeit das Originalrezept nachgemixt, und muss sagen: Es ist besser als meine Variante. Es geht halt nichts über ein gutes Rezept, wenn man sich daran hält!)
Meine Lehre? Ich kaufe nur noch Säfte in transparenten Flaschen, da sieht man wenigstens direkt, woran man ist. Und keine Literflaschen, sondern die kleinste Größe, die es gibt. Im Cora in Frankreich gibt es beispielsweise 0,2-Liter-Grapefruitsaft im Glas; und im Bioladen um die Ecke ungesüßten Ananassaft in der gleichen Flaschengröße.
Zurück zum Thema: Four Roses ist trotz aller Kritikpunkte zu meinem Standard-Gebrauchswhiskey geworden. Hervorragendes Preis-Leistungs-Verhältnis, und damit eine Empfehlung für jede Hausbar, die noch einen Bourbon braucht. Aber man kann ihn auch gut pur trinken, wenn man nicht extrem anspruchsvoll ist – ein Alleskönner also. Kenner werden sich aber doch eher die Small-Batch– oder Single-Barrel-Abfüllungen dieses Herstellers anschauen müssen.
Die schöne schwarze Blechdose, in der die Flasche verpackt war, ist hübsch verziert mit dem Firmenlogo, den Rosen. Diese Edition gab es eine Weile im Metro-Großhandel für knapp 15€ zu kaufen.
2 Kommentare zu „Zartes Bourbonpflänzchen in der harten Welt – Four Roses Kentucky Straight Bourbon Whiskey“