Die feuchte Masse, die bei der Whiskyherstellung mit Hefen fermentiert wurde, um daraus dann Whisky zu brennen, nennt man im anglosächsischen Sprachraum „wash“, gerne aber auch „beer“; analog, wie man die fermentierte Flüssigkeit bei Wein- oder Zuckerrohrbränden auch manchmal „wine“ nennt. Nun muss man dabei schon wissen, dass diese fermentierten Maischen mit einem trinkfertigen Bier oder Wein nur wenig zu tun haben, außer, dass sie einen Alkoholgehalt aufweisen, der diesen zum direkten Konsum hergestellten Produkten entspricht. Die meisten Biere, die wir in Deutschland so trinken, enthalten Hopfen, ein „whisky beer“ enthält keinen. Und als ich in Chile bei Bauzá einen Schluck des ungebrannten Piscoweins probieren konnte, stellte ich auch fest, dass ein Weintrinker daran nur mäßig Freude haben würde.
Darum ist es auch ein Unterschied, ob wir einen ungereiften Protowhisky (zum Beispiel New Make) trinken, oder einen Bierbrand – letzter wird aus tatsächlich fertig gebrauten Bier hergestellt. Die Steinwald Brennerei in der Oberpfalz macht genau so etwas aus ihrem hauseigenen, kellertrüben Zoiglbier; das Zoigl ist eigentlich eine Geschichte für sich selbst, ich denke mal, darüber erzähle ich ein anderes Mal, wenn ich so ein Bier auch wirklich vor mir im Glas habe, bis dahin soll es genügen, dass das Zoigl dahingehend besonders ist, dass es gemeinsam in einem Kommunbrauhaus gebraut wird und zum immateriellen Kulturerbe Bayerns gehört. Ein Zoiglbrand ist noch nicht derart geschützt, doch die Familienbrauerei, aus der der Schraml Z1 Bierbrand stammt, gibt es immerhin schon seit 1818 und ist in 6. Generation weiterhin aktiv. Brauen und Brennen sind aber schon zwei unterschiedliche Dinge, werfen wir mal einen Blick darauf, ob die Schramls beides können.
Ungereift und ungefärbt, daher verwundert die Farbe nicht – so transparent läuft eine Spirituose immer aus der Brennblase. Man erkennt eine gewisse Öligkeit beim Drehen des Glases, und viele, unscharf voneinander abgegrenzte Beinchen.
Der Geruch ist intensiv und prägnant, man meint, abgestandenes Bier zu riechen, ohne das negativ zu meinen. Die Mischung aus Hopfen und Malz ist sehr fruchtig, eine deutliche Blütigkeit könnte schon aus dem Hopfen stammen; dies würde ich auch definitiv als einen grundlegenden, klaren Unterschied zu einem Whisky-New-Make beschreiben, der Z1 ist halt eben, wie oben schon beschrieben, ein Bierbrand und kein Gerstenbrand. Malz sorgt schon in der Nase für süße, schwere Eindrücke. Frisch, fruchtig, süß – eine angenehme Duftkombination.
Auch im Mund spüre ich zunächst die schwere Süße, die Malzigkeit, und das dichte Mundgefühl. Sehr schnell erblüht der Z1 allerdings dann, wie schon in der Nase, auch am Gaumen, mit sehr viel Veilchen, Flieder und Rosenblüten, die aromatische Komponente des Hopfens, wie man es von starkgehopften Bieren kennt – aber ohne die extreme Bittere, die meist damit einhergeht. Litschi, Guave, das fühlt sich dann auch kurz mal exotisch an. Auch wenn die Süße erhalten bleibt, entsteht im Verlauf dann aber doch aus ihr noch eine pikante Chilifeurigkeit, die den Gaumen und die Zunge kitzelt, ohne je alkoholisch zu brennen, die 40% Alkoholgehalt sind ohne Fehler eingebettet. Der Nachklang ist dann wieder superblumig, lang, mit Jasmin und Lavendel, die sich ausdauernd im Mundraum halten, und einem kühlen, beinahe mentholischen Gefühl: Ein sehr klarer Brand, mit viel Bandbreite, aber dennoch stringent linear und erkennbar sauber strukturiert.
Bierbrände sind nach meiner Erfahrung oft eher stumpf und desinteressiert, hier hat man ein vielschichtiges, komplexes Trinkerlebnis, das ich durchaus als Digestif nach einem bodenständigen Hausmacheressen empfehlen würde – die Frische und Würze räumen den Gaumen auf, die Blumigkeit ersetzt einen Nachtisch. Tolles Handwerk aus der Oberpfalz.
Der Z is for Zoigl ist natürlich, der Kenner wird es direkt sehen, vom englischen Titel von André Franquins Meisterwerk „Z comme Zorglub“ inspiriert. Spirou und Fantasio treten in diesem frankobelgischen Bande Dessinée gegen den größenwahnsinnigen Zorglub an, der die Weltherrschaft anstrebt und die Leute dabei mit seinem Dummheitsstrahl gefügig macht. Das kann einem natürlich beim übermäßigen Konsum des Z is for Zoigl auch passieren. Man trinke also mit Bedacht – der erste Schluck ist noch gewöhnungsbedürftig, nach dem dritten will man irgendwie nicht mehr aufhören. Eviv Bulgroz – oder Lgioz?
Z is for Zoigl
1½oz / 45ml Bierbrand
¾oz / 23ml Ingwerlikör
½oz / 15ml Zitronensaft
Auf Eis shaken. Toppen mit 1oz / 30ml dunklem Bockbier
[Rezept nach Helmut Barro]
Die Flasche selbst ist unauffällig, kommt in einem Präsentkarton mit großem Ausschnitt, und hat als einzige Dekoration das große, textbeladene Etikett, auf dem man alles nachlesen kann, was einen während eines Schlucks des Bierbrands so interessieren könnte. Wer sich auf der Homepage der Brennerei noch etwas einliest, findet so nette Details, wie dass der nach eigener Aussage erste bayerische Gin 1957 von Alois Schraml als exotische Idee hergestellt wurde; unangepasste Geistesblitze scheinen also irgendwie in der Familienlinie zu liegen.
Mein nächster Auftrag: in die Oberpfalz fahren, vor Ort ein paar Gläser frisches Zoigl trinken. Man bekommt jedenfalls sehr viel Lust dazu, wenn man sich mit dem Z1 angefreundet hat.
Mal wieder ein sehr anregend geschriebener Artikel mit persönlicher Nähe, aber auch neuem Wissen aus der Welt der (Proto-)Spirituosen. Das eigens kreierte Rezept des „Z is for Zoigl“ kann ich zwar mangels Bierbrand nicht stante pede nachmixen, aber so wie ich den letzten noch auf der Zunge habe wird das sicher großartig, sobald Nachschub unterwegs ist.
Keep on with the good stuff, Helmut!
Vielen Dank für dieses Lob! :)