Manche Dinge sind unlösbar mit bestimmten Situationen verbunden. Ich persönlich verbinde beispielsweise die heute hier vorgestellten Biere ganz stark mit Weihnachten – mein Bruder hatte vor ein paar Jahren einen Kasten des Wettelsheimer Bier Heller und Dunkler Bock zur Familienweihnachtsfeier mitgebracht, und seitdem ist das eine Art Ritual geworden. Die Brauerei stellt diese Bockbiere in der Vorweihnachtszeit her, nennt sie darum auch gerne „Weihnachtsbock“. Beide haben eine Stammwürze von 16,6% und einen Alkoholgehalt von 6,6% – und man muss wissen, welcher welcher ist, denn das Etikett ist diesbezüglich unauskünftig. Da hilft nur Probieren!
Nehmen wir erstmal den Wettelsheimer Bock Dunkel in Augenschein – man erkennt ihn dann doch von außen, an der roten Aluhalskrause. Irgendwo zwischen Pariser Rot und Haselnussbraun findet man das Bier im Glas, leicht opalisierend und leuchtend, wenn man das leichte Gushing beim Ziehen des Kronkorken überwunden hat. Schaum ist initial gut da, fällt aber ziemlich schnell in sich zusammen, so dass nur ein Staub auf der Bieroberfläche bleibt.
In der Nase schnuppert sich das Bier leicht säuerlich, mit etwas Zitrone und vielleicht grüner Apfel, aber nicht wie ein Sauerbier, sondern mehr als Idee. Minimalst erkennt man noch die Getreidebasis, aber sonst ist da kaum etwas, was man erwähnen könnte. Im Mund bildet sich direkt eine fette Textur, die Karbonisierung bläst die Struktur noch etwas weiter auf, so dass sich das dick an Gaumen und Zunge legt. Hier ist der Bock dann plötzlich sehr malzig, leicht röstig, mit einem minimalen Touch von Rauch. Die Zitronigkeit bleibt erhalten, geht über in eine sehr klare Frische, kühlend und sauber. Der Abgang ist kurz, von Malz und Röstaromen getrieben, und hinterlässt einen prickelnden Eindruck, fast schon wie Brausepulver vom Effekt her.
Das gefällt mir wirklich richtig gut, aromatisch ist das etwas eindimensional, ja, aber die Effekte am Gaumen, die Sauberkeit und die schön eingebundenen Malz-Röstaromen sind schon richtig gut gemacht. Das trinkt sich echt süffig!
Ebenso minimal trüb, aber im Kontrast zum Vorgänger mit schönem Bernstein steht der Wettelsheimer Bock Hell im Glas. Auch hier gilt es, das Gushing zu berücksichtigen. Weißer, feinblasiger Schaum bleibt etwas erhalten; man sieht feine Perlage im Bier.
Die Nase ist leicht, minimal fruchtig mit Anklängen von reifer Ananas und Banane, aber man darf nicht zu viel erwarten – es ist mehr ein leiser Duft als ein echter Geruch, und auch diesen nimmt man nur wahr, wenn man explizit danach sucht. Leichte Getreidenoten, etwas Hefe findet man dann auch noch. Süß und voll ist der Wettelsheimer Bock Hell dann am Gaumen, richtig dicke Textur, breite Cremigkeit und so richtig was zum Kauen, das muss man erst ein bisschen im Mund herumschieben, bevor man es runterschlucken kann. Auch hier leichte Fruchtigkeit aus Ananas und Banane, im Verlauf entsteht sogar noch etwas Säure, um die dicke Süße aufzuschneiden, und das sorgt für tolle Rezenz. Gegen Ende erst kommt milde Würze, auch diese in die Süße und die dicke Struktur eingebettet, und sogar etwas kitzelnde Effekte am hinteren Gaumen und den Backeninnenseiten. Der Abgang ist mittellang, eher vom Effekt getragen als von Aromen, auch wenn die Banane noch etwas nachklingt.
Auch der helle Bock ist ein Strukturbier, das ist gar nicht schlimm, das grenzt das Bier etwas ab von der Masse. Jedenfalls macht es viel Spaß und ich schätze die Ungewöhnlichkeit sehr.
Beide Biere gefallen mir wirklich gut. Das sind Bockbiere, wie ich sie mag – nicht getragen von verrückten Aromen, sondern von einer grandiosen Textur, Klarheit und Sauberkeit, die man lange spürt und genießen kann. Da freue ich mich immer sehr, wenn mein Bruder einen Kasten organisiert, es scheint gar nicht so einfach zu sein, die Mengen sind übersichtlich und schnell ausverkauft; kein Wunder, das Bier würde ich dem Brauer auch aus den Händen reißen!