Sotol ist eine mexikanische Spirituose, die sich dahingehend abgrenzt, dass sie nicht aus Agaven hergestellt wird, wie die bekanntesten und verbreitesten Brände von dort, sondern aus Dasylirion, einem Spargelgewächs – optisch sieht diese Pflanze aber trotzdem aus wie eine stachlige Agave, mit schmaleren Blättern vielleicht, und ist mit unserem Spargel mit Sauce Hollandaise kaum vergleichbar. Ich hatte vor sehr langer Zeit mal einen Sotol besprochen, den Hacienda de Chihuahua Sotol Silver, hier stelle ich nun vier andere Ausprägungen vor, die ich als Sample teils erworben, teils kostenlos zur Verfügung gestellt bekommen habe: Sotol La Higuera Janos Chihuahua, Sotomayor Sotol Artesanal, Desert Door Texas Sotol, sowie den aromatisierten Seis14 Gintol.
Beginnen wir mit Sotol La Higuera Janos Chihuahua 48% der Familienbrennerei Elaborator de Sotol. Dasylirion Wheeleri wächst 15 Jahre und wird dann nach traditionellen Methoden verarbeitet, die man in Chihuahua seit Generationen so kennt – manuelle Ernte, prähispanische Steinöfen in Zapfenform dienen zum Kochen, und in riesigen Kieferbottichen mit freien Hefen vergoren. Noch zweifach in Kupferbrennblasen destilliert, und fertig ist der Sotol mit 48% Alkoholgehalt!
Kristallklar, völlig transparent, dabei aber lebendig im Glas, mit attraktiven Schlieren. Der Duft ist sehr ungewohnt, mit vielen grünen und vegetalen Tönen, unterstützt von sehr deutlichem Bienenwachs und getrocknetem Harz – das erinnert etwas an eine Kerze. Ganz leicht klingt Vanille durch, eine süßliche Kuchenteignote vielleicht, und am Ende ein Touch von Plastik. Im Antrunk ist diese ungewöhnliche Mischung aus noch nassem, süßen Teig und etwas Plastik auch am Gaumen vorhanden, mit Anklängen von Honig und auch etwas Milchschokolade. Im Verlauf kommt die Grüne stärker nach vorne, und zusammen mit prickelndem Feuer auf der Zunge wird die initiale Süße etwas nach hinten verschoben, ohne, dass der Brand je wirklich trocken wird. Rund und voll im Mundgefühl. Der Nachklang ist warm, nun kommt auch geschmacklich das Wachs vor, mit einem hauchigen Gefühl endet der La Higuera dann nur widerwillig. Ungewohnt, interessant!
Nun der Sotomayor Sotol Artesanal – die Herstellung ist hier ähnlich handarbeitslastig wie beim Vorgänger. Auch hier brauchen die wilden Gewächse bis zu 15 Jahre zur Reifung, werden nach der Ernte in prähispanischen Steinöfen mit Mesquitholz und Vulkansteinen gekocht, dann von Hand zerkleinert und bis zu 8 Tage durch wilde Hefen fermentiert. Doppelt destilliert kommt der Sotol auf 44% eingestellt in eine Keramikflasche – und von dort dann zu mir ins Glas.
Glasklar, ohne Fehler oder Einschlüsse. Deutlich viskos beim Schwenken, mit langhaftenden Glaswandartefakten. In der Nase findet sich eine Mischung aus Autowerkstatt und Gartenmarkt – Teer und altes Öl, Gummihandschuhe, staubige Werkzeugschränke, Gartendünger, Grünblattschnitt, feuchte Erde und ein Ticken Rauch; man sieht, ein stark assoziativ wirkendes Bouquet, dunkel, feucht und warm. Sehr spannend und vielschichtig. Im Geschmack wirkt der Sotomayor viel leichter und heller, die grundsätzliche Aromatik der Nase bleibt aber erhalten. Das erinnert an einen wenigrauchigen Mezcal, die Pflanzlichkeit ist am Gaumen viel stärker als zuvor. Mildpikante Würze entsteht aus dem cremigen, süßschweren Mundgefühl, vorsichtige Trockenheit bildet sich aus, ein deutlicher Eisenton kombiniert sich am Ende mit zart aufblühender Jasmin-Floralität. Sehr attraktiv und trinkig, ohne Ecke oder Kante, sehr genehm und anschmeichelnd. Wem Mezcal zu harsch ist, findet hier etwas aromatisch ähnliches, nur ohne die Wildheit.
Der dritte im Bunde ist nun Desert Door Texas Sotol. Im Gegensatz zu den Vorgängern stammt er nicht aus Mexiko, sondern aus den USA. Das ist ein Thema für sich – eigentlich ist Sotol wie viele andere Spirituosen in Mexiko durch eine Herkunftsangabe geschützt („denominación de origen Sotol“), doch die USA haben dies noch nicht anerkannt. Wir sind hier also nicht weit von einer Kulturaneignung entfernt – da die Pflanzen auf beiden Seiten der Grenze wachsen, und auch der Kulturkreis, aus dem Sotol entstammt, nicht klar auf ein Land eingrenzbar ist, kann man wenigstens darüber diskutieren, wie dies zu bewerten ist. Lisa Pietsch von Tequila Aficionado hat dieses Thema detailliert aufgearbeitet. Die Spirituose wird jedenfalls deutlich industrieller hergestellt – Dasylirion Texanum wird zwar noch händisch geerntet, dort dann aber in Dampfkochtöpfen gekocht, maschinell zerkleinert, in Edelstahltanks mit proprietären Hefen vergoren, und nach der Destillation mit Wasser auf 40% Alkoholgehalt eingestellt.
Auch hier ist eine klare Flüssigkeit vorhanden, mit mittlerer Viskosität, und hübschen Schlierenbeinchen. Geruchlich hätte ich hier sofort „Tequila“ gesagt, das wirkt sehr viel weniger grün und vegetal als die beiden Vorgänger, hat sogar etwas von Reposado, mit einer leichten Nougat-Vanille-Note. Eine leichte Steinigkeit oder Betonton ist noch da; ein angenehmer Duft, aber, wie gesagt, im Vergleich zum mexikanischen Sotol eher untypisch. Im Mund findet sie sich auch nicht, diese starke Vegetalität, im Antrunk wirkt der Desert Door sogar etwas neutral, nur die Süße, die das sehr weiche Mundgefühl unterstützt, ist präsent. Eine Mischung aus floralem Lavendel und im Verlauf dann doch auftauchender Grüne dominiert später den Gaumen, im Abgang kommt dann warme Würze dazu, recht schnell klingt der Brand aus. Nun, für sich gesehen ist das eine angenehme Spirituose, jedoch aromatisch eher zum Tequila tendierend und für die Kategorie nicht wirklich repräsentativ, finde ich.
Zu guter letzt haben wir noch eine besondere Form des Sotol im Angebot – Seis14 Gintol ist keine Mischung aus Gin und Sotol, wie man vielleicht annehmen könnte, sondern es ist ein mit Kräutern aromatisierter Sotol (statt Neutralalkohol aus Getreide, wie das bei Gin die Regel ist). Dasylirion Wheeleri bekommt bis zu 30 Jahre zum Wachsen, wird von Hand geernet und gekocht. Offene Holzfässer dienen als Behältnis während der Fermentation mit wilden Hefen. Nach der Destillation erfolgt dann, wie bei Gin, die Aromatisierung mit Botanicals, hier Wacholder, Kardamom, Fenchel, Orange, Zitrone, Pfeffer und Aprikosenschale. 45% Alkoholgehalt haben wir am Ende.
Die pflanzlichen Bestandteile haben zu keiner Trübung oder Unreinheit geführt, der Gintol schwenkt sich ölig und träge. Die Nase ist beherrscht von Wacholder und Zitrus, den Pfeffer riecht man schön, das Kardamom auch – hier sind deutlich Komponenten wahrnehmbar, das mag ich immer an Spirituosen. Der Sotol als Basisspirituose bringt auch erkennbar etwas der Erdigkeit und Grüne mit, die ich als typisch empfinde, verbindet sich aber angenehm mit den Botanicals. Das wirkt komplexer als manch ein Gin, und schnuppert sich wirklich sehr unterhaltsam. Auch im Mund gefällt diese Mischung, ist im Antrunk noch etwas kräuterig-blumiges im Vordergrund, übernehmen die Zitrusaromen im Mittelteil, und dann die Gewürznoten am Ende, zusammen mit einer feurigen, aber nicht kratzenden Wärme, die lange vorhält und die Zunge am Ende leicht betäubt zurücklässt – dann kommt auch der Sotol deutlich durch, zusammen mit starkem Eukalyptus und Rosmarin. Ein kraftvolles Produkt, sehr schön gemacht, und als Abwechslung zu einem Gin auf Neutralalkoholbasis sehr empfehlenswert.
Vier Sotols, vier Eindrücke – Mexiko ist reich an Spirituosenkultur in vielfältigen Ausprägungen. Ich persönlich halte, wie ich schon an anderer Stelle formuliert hatte, nicht viel von der Art, wie der mexikanische Gesetzgeber diese Traditionen zu schützen versucht, da geht viel in die falsche Richtung und schützt die Falschen oder gar niemand, und behindert manch einen traditionell arbeitenden Produzenten sogar. Bei Sotol ist das nicht anders, und um so wichtiger ist, dass man sich als Konsument informiert, was man da trinkt. Ich hoffe, meinen Teil dazu beitragen zu können.