Ich bin ein großer Fan von Aquarien. Ich sehe einem naturnah und klug gestalteten Aquarium mit unterschiedlichen Fisch- und Krustentierarten gern zu. Selbst hatte ich auch mal ein Aquarium, doch gerade bei solchen Installationen sind „gern ansehen“ und „besitzen und pflegen“ zwei sehr unterschiedliche Dinge. Ein Aquarium ist eine einfache Sache, denken sich viele, das legt man einmal an, Fisch rein und fertig. Doch so leicht ist es keineswegs: Die Wasserqualität ist um so schwerer zu halten, je kleiner das Aquarium ist, Algen machen einem das Leben schwer, die Fische müssen wohlausgewählt sein (wer einmal einen Barsch tagelang kleinere Fische verfolgen und anknabbern sehen hat, weiß, wovon ich rede), und wenn man die Pflege nur wenige Tage schleifen lässt, rächt sich das langfristig, oft ohne eine Chance, den Schaden wiedergutzumachen.
Ich persönlich stelle mir daher kein Aquarium mehr in die Wohnung, sondern schaue sie mir in Zoos an; oder auf Youtube, wo es eine unendliche Menge an Profiaquarien in guter Streamingqualität zu bestaunen gibt, und das ganze ohne die Mühe des Wasserwechsels, Filterreinigens und Urlaubsfütterungsvertretungsuchens.
Wie komme ich zu diesem zugegebenermaßen etwas seltsamen Einstiegs in diesen Artikel über den Hacienda de Chihuahua Sotol Silver?
Mir sprang beim ersten Verkosten sofort eine Erinnerung in den Kopf, aber ich musste lange in meinem Gedächtnispalast nach dem entsprechenden Wortgegenstück zum Geschmackseindruck suchen, bis ich ihn fand. Das mag jetzt wirklich abstrus klingen – wer aber schonmal ein Aquarium hatte, und das nach einiger Zeit gereinigt hat, kennt diesen seltsamen, fischig-algigen Geruch. Genau so schmeckt dieser Sotol – aquariumig.
Beginnen wir aber am Anfang. Farblich ist er natürlich weit davon entfernt, ein brackiges Süßwasserfischbiotop zu sein, im Gegenteil: Jeder Fisch würde sich in so kristallklarer Umgebung gewiss wohlfühlen. Die Flasche macht sich das zu nutzen und präsentiert den Sotol Silver in seiner ganzen Transparenz. Selbst das aufgeklebte Etikett ist großteils durchsichtig. Eine schöne, konsequente und blickfängerische Präsentation.
Geruchlich tauchen dann erste Assoziationen auf. Sehr pflanzlich, vegetal, aber nicht nach Kräutern. Eher gemüsig, dazu ein Anflug des rauchigen Geruchs, den man von Mezcal kennt, aber sehr zurückgenommen und nicht so aggressiv wie bei diesem Landsmann des Sotol. Eine leichte Alkoholnote ist auch da.
Im Mund passiert dann genau das, was ich oben ansprach: Feuchtes Kies, Algen, Wasserpflanzen. Mineralisch, etwas steinig und Sellerie. Ein außergewöhnliches Geschmacksbild, gewiss in Ansätzen verwandt mit Tequila und Mezcal, aber doch völlig eigenständig. Insgesamt ist der Hacienda de Chihuahua Sotol Silver recht süß, cremig und angenehm zu trinken, mit nur leichtem Alkoholbrand; im Abgang kommt grüner Pfeffer, eine gewisse Schärfe, die sich aber schnell wieder legt, zum Vorschein, und eine stark an Lakritz erinnernde Bitterwürze.
Nochmal zurück zur Flasche: Ein dekoratives Lederband hält durch eine geschickte Knotenkonstruktion den echten Korken auf der Flasche, man kann es zur Seite schieben um den Korken zu lösen, und danach wieder darauf drücken. Ein Siegel hält das Band an der Seite der Flasche, über den Detailangaben, ebenso auf transparentes Plastik gedruckt: 100% Agavacea del Deserto de Chihuahua, hergestellt in Mexiko. Während für Tequila die blaue Weberagave und für Mezcal die Espadín-Agave benutzt werden, ist es für Sotol also keine Agave, sondern Dasylirion, eine Verwandte des Spargels, einer Wüstenpflanze, die äußerlich aber einer stacheligen Agave ähnelt. Die biologische Klassifikation Agavacea auf dem Etikett ist, wenn ich Wikipedia richtig lese, wohl in den letzten Jahren durch neue Forschung aufgelöst worden.
Ich würde einen Sotol Silver in allen Cocktails nutzen, die nach weißem Tequila verlangen, und könnte mir vorstellen, dass er auch spannend als Gin- oder Vodkaersatz wirkt. Ein sehr aromatisches Beispiel dafür ist der eh schon recht flexible Daisy Cocktail, den man mit allem mixen kann, was die Bar hergibt; und mit Hacienda de Chihuahua Sotol Silver erhält man ein sehr vegetales Wüstengänseblümchen, weswegen ich ihn Desert Daisy getauft habe.
Desert Daisy Cocktail
2 oz Hacienda de Chihuahua Sotol Silver
1 oz Zitronensaft
1 Teelöffel Grenadine
½ Teelöffel Gomme Sirup
Auf Crushed Ice servieren und mit eisgekühltem Sprudel aufgießen
Wer seine Hausbar um einen wirklich sehr besonderen, und zugegebenermaßen etwas seltsamen, auf jeden Fall aber unikalen neuen Hausgeist bereichern will, mit dem man Trinkfreunde und Gäste überraschen kann, sollte einen Sotol in Betracht ziehen, und da es in Europa kaum andere Marken gibt, entsprechend dem Hacienda de Chihuahua Sotol Silver eine Chance geben. Ihn gibt es auch als Reposado (also leicht gereift) und als Añejo (also stärker gereift) – ich werde mir eventuell den älteren Sotol noch holen, denn ich bin sehr interessiert daran, wie Fassreifung sich auf eine derart pflanzliche Spirituose auswirkt. Insbesondere Freunde von Tequila und Mezcal kommen um diese neue Geschmacksvariante der mexikanischen Pflanzendestillation aber eh kaum herum.
6 Kommentare zu „Von Fischen und Wüstenpflanzen – Hacienda de Chihuahua Sotol Silver“