Ich habe es neulich beim Spirituosenwettbewerb Spirits Selection am eigenen Gaumen erfahren – Whisky ist längst nicht mehr eine Domäne von Schottland, Irland und den USA. Heutzutage wird in aller Welt Whisky hergestellt, Frankreich ist ein sehr prominenter Produzent geworden, ich habe zwei Whiskydestillerien in Belgien besichtigt, in Österreich und der Schweiz drängt jeder Brenner zum Whisky, und natürlich hat auch Deutschland seine Brenner, die ein ganz eigenes Produkt herstellen. Jede Region hat ihre Vorlieben – einer der bekanntesten deutschen Whiskies kommt vom Schliersee und heißt Slyrs. Was macht man als Brenner, wenn der Brand ausgereift ist, mit den Fässern? Man kann sie zum Beispiel Bierbrauern aus der Nähe geben, die dann ein Bockbier darin lagern. Und dann kommen limitierte Sonderauflagen heraus, wie das Maisel & Friends Slyrs Bock Barrel Aged 2020. „Mehrere Monate“ reifte das Bier, aber bei mir zuhause hatte es keine Chance, länger zu liegen: Es kam schnell ins Glas.
Die hellbraunrötliche Farbe mit fast orangefarbenen Reflexen zeigt sich beim Gegenlicht besonders, wo man auch die leichte Trübung erkennt. Feine Bläschen steigen unermüdlich auf, landen im Schaum, der an der Glaswand ein bisschen dicker, auf der Mitte der Bieroberfläche schnell Lücken aufweist und sich in großen Blasen sammelt. Die Nase ist tatsächlich stark vom Whiskyfass geprägt, direkt von Anfang an sind da Gerstenmalz, Vanille vom Holz, und leicht bananige Töne. Den Vormieter des Fasses kann man mehr als nur erahnen, milde scotch-ähnlicher Aromen kombinieren sich mit leicht fruchtigen Tönen aus dem Bier. Das erinnert etwas an Erdbeersahnejoghurt, und warmen, buttrigen Streuselkuchen – hübsch, ohne dass der Whisky untergeht oder komplett übernimmt.
Im Antrunk wirkt das Slyrs Bock frisch und hell, mit bereits dort deutlicher Säure, die die cremige Textur etwas einfängt, so dass das Bier nicht zu süß wirkt. Die Karbonisierung fällt auf, da prickelt es am Gaumen, gar nicht unangenehm. Aromatisch hat man Holz, leichte Whiskyaromen, eine fast schon weinartige Note kommt dazu. Pistazien schmeckt man, und ein buttriges Toffee, vielleicht weiße Schokolade, doch insgesamt ist das Bier eher über seine frische Struktur definiert als über überwältigende Aromatik. Der Abgang ist wieder pistaziennussig, frisch, pikant fast schon, insgesamt eher kurz, hinterlässt aber eine freche, eckige Bittere am Gaumen und insbesondere am Zäpfchen. Erinnerungen an Zuckerwatte und Butterstreusel hängen noch eine Weile nach. 10,5% Alkoholgehalt, das ist darüber hinaus schon eine Hausnummer, die ich zu schätzen weiß.
Sehr trinkbar, leicht und hell, mit sehr rezentem Charakter. Die Whiskyfassreifung kommt sehr deutlich durch, ist aber für mich irgendwie nicht wirklich der Hauptreiz des Bieres. Ich mag es als erfrischende Auflockerung eines warmen Sonntags, doch mir fehlt etwas die Komplexität und Spannung insbesondere im aromatisch minimal schwächelnden Abgang – wenn das zu negativ klingt, entschuldige ich mich, doch bei ambitionierten (und teuren!) Bieren darf man ruhig anspruchsvoll sein, finde ich. Unabhängig davon macht es Spaß und ich finde es schade, dass ich nicht mehr an eine zweite Flasche herankommen werde!
10,5% Alc. ist schon eine Menge. Zusammen mit Deiner Beschreibung macht es aber auch neugierig.