Japan in einem Tropfen – The Japanese Bitters Shiso/Umami

The Japanese Bitters Shiso/Umami Titel

Die Japaner sind sowohl Puristen als auch Perfektionisten, was handwerkliche Arbeiten angeht. Natürlich kann man nicht verallgemeinern, aber gerade in der Spirituosen- und Cocktailwelt ist das, was wir hier in Europa aus Japan hören, immer auf dieser Basis. Kein Wunder also, dass sich der Bartender Yuki Yamazaki, als er japanische Drinks designen wollte, nicht auf amerikanisch-europäische Bitter verlassen konnte – ein japanischer Cocktail soll als solcher sowohl erkennbar in der japanischen Tradition stehen und die Kultur wiederspiegeln, als auch idealerweise viele Zutaten darin dort hergestellt sein. The Japanese Bitters sind das Ergebnis seiner Mühen.

In der Präfektur Chiba im Südosten Japans stellt Yamazaki diese Bitter her; die Inhaltsstoffe werden zwei bis drei Monate in Alkohol sous-vide mazeriert. Ich habe mir, kurz nachdem ich von ihnen zum ersten Mal gehört habe, direkt vom deutschen Importeur Capulet & Montague, ansässig in meiner Heimatstadt Saarbrücken, zwei der Bitter geholt und will sie hier besprechen – denn sowohl ein Shiso Bitter als auch ein Umami Bitter sind schon etwas derart Exotisches, dass ich einfach nicht daran vorbei kann.

The Japanese Bitters Shiso/Umami

Eine Purverkostung macht bei Cocktailbittern eigentlich nur wenig Sinn, denn sie werden ausschließlich in Drinks eingesetzt. Entsprechend will ich auch hier versuchen, wiederzugeben, wie sie einen bekannten, gewohnten Cocktail verändern. Für einen klassischen Manhattan setzt man meist Angostura oder Orange Bitters ein, das kennen wir alle gut. Darum habe ich einfach zwei Manhattans angesetzt, auf identischer Basis (2 oz Koval Single Barrel Bourbon, 1 oz Martini Rosso), auf Eis gerührt, und dann jeweils einen Spritzer – ca. ¼ der Pipette – der Japanese Bitters zugegeben, und nochmal leicht gerührt.

Beginnen wir mit dem Manhattan mit dem Shiso Bitter. Geruchlich hat er sich praktisch nicht verändert, der Bourbon beherrscht deutlich das Bild. Auch im ersten Antrunk meine ich nicht, eine ungewohnte Note erkennen zu können. Im Verlauf jedoch baut sich eine Idee von Minzigkeit und Kräuterigkeit auf. Wie gesagt, nur eine Idee – das gefällt mir in der Subtilität sehr. Gegen Ende ensteht tatsächlich eine „Grüne“, anders will ich das nicht formulieren; Shiso eben, dazu Melisse, milde Minze, Liebstöckel, Kerbel, Petersilie, so etwas in der Art. Eine sehr subtile Veränderung des Manhattan entsteht dadurch, etwas, was viele oberflächliche Trinker gar nicht aktiv wahrnehmen werden – der Kenner wird die Begrünung des Cocktails aber sicher zu schätzen wissen. Ich denke, dass ein Spritzer davon in einen Martini, eine Margarita oder einen Daiquiri sehr positive Effekte haben können. Insgesamt Drinks auf Basis vegetaler Spirituosen profitieren sicher davon, mehr als ein erdigholziger Bourboncocktail. Probiert man ihn dann doch als Tropfen auf der Hand pur, so wird genau jenes deutlich – ein grünes Kräutertöpfchen ist das, angesetzt mit 28% Alkoholgehalt.

The Japanese Bitters Shiso-Umami Manhattan-Vergleich

Hatte ich eben die Subtilität des Shiso Bitters angepriesen, so ist der Umami Bitter eine ganz andere Kategorie. Das ist alles andere als unterschwellig – schon beim Aufdrehen des Fläschchens riecht man, wohin die Reise geht. Speck, Rauch, Grillkohle, Räucherfisch. Eine Viertelpipette reicht, um dem Manhattan eine vorsichtige Rauch- und Specknote zu verleihen. Und im Geschmack wird das noch deutlicher, hier kommt plötzlich eine ausgeprägte Salzigkeit hervor, dazu der Umami-Geschmack, den man höchstens als „würzig“ beschreiben kann. Etwas Speck, etwas Rauch, deutliche pilzige Erdigkeit sind plötzlich im Cocktail, und verwandeln ihn von einem freundlichen Anschmeichler in einen maskulinen Macho. Als wäre ein Schuss Mezcal mit im Drink. Ich stelle mir vor, dass die Umami Bitters eine wunderbare Variante für die sind, die sonst viel Aufwand mit Fatwashing oder Glasräuchern betreiben, um genau diese Eindrücke für eine Spirituose zu erzeugen. Leicht schwächer mit 27% Alkoholgehalt angesetzt, ist dieser Bitter heller und trübe – Reste der verwendeten Bonito-Fischflocken und des Seetangs schwimmen wahrscheinlich noch drin. Pur probiert schmeckt man sehr viel Salz, Sojasauce, Pilze, Räucherfisch, Sellerie und starke Gemüsebrühe. Der Probiertropfen auf dem Handrücken riecht noch eine Stunde nach. Kein Wunder, dass dieser Bitter den Drink verändert – man muss wirklich vorsichtig dosieren, um nicht einen Fischcocktail zu erhalten.

The Japanese Bitters Shiso-Umami Pipette

Tatsächlich wollte ich eigentlich keine weiteren Bitters für meine Heimbar anschaffen, ich habe schon ein Dutzend, und eingesetzt werden eh praktisch nur Orangen-, Angostura-, Schokoladen- und Peychaud’s Bitters. Doch die Japanese Bitters sind extravagant und exotisch genug, und dazu aber mit einem erkennbaren Einsatzplan, dass ich es keineswegs bereue, die doch sehr hohen Anschaffungskosten von 35€ pro Fläschchen investiert zu haben. Man bekommt aber auch, neben dem sehr hochwertigen und aufregenden Inhalt, was fürs Auge – die Japanese Bitters sind abgefüllt in kleine, 100ml-Fläschchen mit Pipette und weisen ein sehr attraktives Etikett auf aus schönem washi und mit hübscher Kalligrafie und Illustration von Sando Sagara: Ein Blickfang für die Heimbar.

Aufmerksame Leser wissen, dass weitere der Japanese Bitters im Bunde fehlen – der Yuzu Bitter und der Sakura Bitter. Ich habe aktuell noch soviel Grapefruit- und Zitronenbitter, dass ich den ersten erstmal zurückgestellt habe, der zweite ist aktuell noch nicht erhältlich gewesen. Nach meiner Erfahrung hier ist es aber nur eine Frage der Zeit, bis auch diese ihren Weg zu mir nach Hause finden.

Veröffentlicht von schlimmerdurst

Hüte dich vor denen, die nur Wasser trinken und sich am nächsten Tag daran erinnern, was die anderen am Abend zuvor gesagt haben.

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