Der eine oder andere Gin-Freund hört es nicht so gern, wenn man über seine Lieblingsspirituose etwas abfällig als „aromatisierten Vodka“ spricht. Ich kann das verstehen, denn der Gin hat doch eine lange Tradition, und das Geschmacksbild verändert sich im Vergleich zum Vodka doch deutlich – rein formal ist es aber eine zutreffende Beschreibung. Vielleicht liegt der Ärger daran, dass das Wort „aromatisiert“ in der heutigen Industrielebensmittelgesellschaft eine negative Konnotation erhalten hat – der halbaufgeklärte Konsument verbindet es mit künstlichen Geschmacksstoffen, manipulierten Laborprodukten und verbrauchertäuscherischen Betrugsversuchen.
Dabei ist eine Aromatisierung an sich natürlich nichts schlimmes – sie wird es erst, wenn es heimlich oder mit täuscherischem Ansatz geschieht, um eine höhere Qualität vorzugaukeln oder mit niedrigem Geldeinsatz den Geschmackseindruck eines hochwertigen und damit teuren Aromas zu ersetzen. Erdbeerjoghurts, die nie ein einzelnes echtes Fruchtmolekül gesehen haben, Tütenbolognese, die völlig frei von Tomaten ist oder Rum, der mit allerlei Zusätzen auf alt und gereift getrimmt wird sind nur drei Beispiele dessen, was wir uns gefallen lassen.
Daher kann es schon sein, dass der skeptische Tequilafreund etwas schief schaut, wenn man ihm einen Ocho Curado Tequila vorsetzt. Dabei haben wir hier aber den Fall, dass die Aromatisierung einen echten Sinn hat, aus einem Basisprodukt etwas Besonderes macht, zusätzlichen Wert liefert, so wie das bei Gin auch passiert. Hier werden nun natürlich statt „botanicals“, den Kräutern wie Wacholder also, die dem Gin sein Aroma geben, in einen normalen Ocho Blanco Tequila (dieser ist 100% Agave, natürlich) gekochte Agaven eingelegt.
Bei der Farbe beginnt also die Reise. Durch die Mazeration der gekochten Agave bekommt der sonst klare Blanco neben einem stärkeren Agavenaroma eine erkennbare Färbung. Würde man es nicht besser wissen, könnte man diesen Tequila glatt für einen farblich ganz typischen Reposado halten – blasses Strohgold, erinnernd an Weißwein. Von der Viskosität her sehr flüssig, hinterlässt aber trotzdem Beine am Glas. Rein optisch ein schmalbrüstiges Wässerchen.
Kaum hält man die Nase ins Glas, ist es aber vorbei mit der Schmalbrüstigkeit, da beginnen sich wuchtige Rundungen abzuzeichnen. Der Ocho Curado Tequila weist einen sehr kräftigen Agavencharakter auf, mehr als bei den meisten Tequilas, die ich kenne. Grasig und grün, dabei sehr würzig, dicht, aromatisch und körpervoll. Ein nahezu idealer Tequiladuft.
Damit ist das Schwärmen des Tequilafreunds aber noch lange nicht vorbei, im Gegenteil: Das wunderbare Mundgefühl, mild und dabei doch vollmundig, lässt mein Herz hüpfen. Sehr süß nach Honig, gleichzeitig dicht und kräftig nach Agave. Nur mild grasig und gemüsig, leicht salzig und umami. Ein feiner Touch von Rauch und Holz. Die 40% Alkohol, also im üblichen Bereich für Tequila, spürt man kaum. Der Abgang ist mildbitter, würzig und leicht feurig, warm und sehr lang, leicht betäubend an Zungenspitze und adstringierend am Gaumen. Ehrlich – das ist eine echte Agavenbombe, die das beste aus zwei Welten kombiniert: die jugendliche Frische eines Blanco mit der zusätzlichen, verstärkten Agavenpower.
Ein weiterer positiver Punkt am Ocho Curado ist, dass er in Cocktails sowohl als Blanco als auch als Reposado eingesetzt werden kann. Ein Beispiel dafür ist der Southbound Suarez, der eigentlich im Originalrezept mit gereiftem Tequila hergestellt wird, aber eigentlich durch den Curado sogar noch an Charakter gewinnt. Wer über die ungewohnte Zutat „Horchata“ stolpert: Das ist eine Art Milch, hergestellt aus Nüssen, erhältlich in unterschiedlichsten Varianten. Wer sie nicht selbst herstellen will (wie das Erfinder Jeffrey Morgenthaler bestimmt tut, in seiner perfektionistischen Art), kauft im Drogeriemarkt einfach eine fertige aus Cashewnüssen oder Mandeln.

Southbound Suarez
1½oz / 15ml Tequila Reposado (oder hier: Ocho Curado Tequila)
½oz / 15ml Limettensaft
½oz / 15ml Agavendicksaft
1 Teelöffel Becherovka
1½oz / 15ml Horchata
Alle Zutaten auf Eis shaken.
[Rezept leicht adaptiert nach Jeffrey Morgenthaler]
Ich hatte neulich bei einem anderen Tequila erklärt, dass die Mexikaner scheinbar eckige, gedrungene, folkoristisch angehauchte Flaschen mögen. Hier haben wir nun den genauen Gegenentwurf: Eine sehr einfache, strenge Halbliter-Flasche, ohne Zier oder Kinkerlitzchen, mit einem simplen (aber qualitativ hochwertigen) Schraubverschluss. Kein Etikett hindert unseren Blick auf den Inhalt; alle Infos sind direkt aufs Glas aufgebracht.
Bei ungefähr 26€ für 500ml bewegen wir uns preislich gewiss im eher leicht gehobenen Bereich – für Tequilafreunde ist der Ocho Curado Tequila aber auf jeden Fall eine lohnenswerte Investition. Spannend ist er allemal, und wird aller Voraussicht nach ein dauerhafter Mieter zumindest in meinem Spirituosenregal werden.
5 Kommentare zu „Agaventee mit Schuss – Ocho Curado Tequila“