Die Brennerei des Doktor Moreau – Curado Tequila Blanco Infusión de Agave Cupreata

Curado Tequila Blanco Infusión de Agave Cupreata Titel

Es ist schon 6 Jahre her, Menschenskinder, dass ich den Ocho Curado besprochen hatte. Wenn ich mir so meinen Artikel selbst durchlese, scheint es mir, dass dieser besondere Tequila mir durchaus zugesagt hatte, doch die damalige Ankündigung, dass ich ihn dauerhaft in meine Heimbar integriere, wurde nie Realität; nicht aus Geschmacks- oder Qualitätsgründen, sondern einfach nur, weil das in die Phase der Verbreiterung meines Interesses fiel und ich lieber immer neue Produkte kaufe statt bekannte aufzufüllen. Nun hat sich meine Neugier wieder wecken lassen – das Curado-Brand wurde vor kurzem aufgefrischt, und so zögerte ich nicht lange, auch meine alte Liebe zu dieser einzigartigen Herstellungsweise mit neuem Feuer wiederzubeleben.

Das neue Feuer heißt Curado Tequila Blanco Infusión de Agave Cupreata. Die Version, die ich damals besprochen hatte, lief noch unter dem Markennamen „Ocho“, und war ein kleines Projekt von Tomas Estes. Man nutzte gekochte Stücke der Agave, die auch fürs Brennen des Tequila selbst verwendet wurde, für eine Infusion. Der Gedanke wurde hierfür nun von den Familien Estes, Camarena und Vantguard konsequent weitergeführt – statt der Weberagave setzt man bei dieser Version nun Cupreata-Agave ein. Ein Crossover von Tequila und Mezcal also, auch wenn jeder weiß, dass jeder Tequila theoretisch auch ein Mezcal ist augenroll blablabla. Die wildwachsende Cupreata wird in Etúcuaro im Bundesstaat Michoacán auf der Farm von Crescenciano Ayala Téllez geerntet, dort nach den traditionellen Methoden der Region gekocht (eine Achtsamkeit, die ich schätze), dann nach Jalisco transportiert und für die Infusion in einem 100%-de-Agave-Blanco der NOM 1474 (gemacht von Carlos Camarena) verwendet. Keine Zusätze, keine Fassreifung, „keine Tricks“, wie die hübsch gestaltete offizielle Produktseite betont. Besonders letzteres ist heute sehr aktuell, denn die Regelungen für Tequila sind lasch ohne Ende und erlauben Tricks in vielen Formen. Um so mehr freue ich mich nun auf eine Vergleichsprobe zu meinen alten Tastingnotes!

Curado Tequila Blanco Infusión de Agave Cupreata

Es gilt, wenn man sich die gelbgoldene Farbe der Flüssigkeit ansieht, weiterhin zu betonen, dass es sich um einen ungereiften Blanco-Tequila handelt; die Färbung stammt nicht aus Fässern, sondern aus der Infusion mit den gekochten Agavestücken. Optisch unterscheiden von einem Reposado könnte ich das blind sicher nicht (also im Blindtest, meine ich). Lebendig und leicht schwenkt sich das dann, mit eher unauffälliger Viskosität.

Die Nase bekommt dann dabei direkt eine volle Agavenwucht ab; „Duft“, wie ich diese sensorischen Eindrücke bei Tequila gern bezeichne, kann man das schon nicht mehr nennen, das ist kräftig, voll und fast schon deftig. Mineralisch, grün, voller direkter Agavenaromen, die man überhaupt nicht suchen muss, mit süßen Untertönen aus Karamell, Zimt und Vanille, und auch etwas reife Guave sowohl als Fruchtbeigabe als auch mit ihrer typischen leichten Teernote, dazu etwas Litschi und Mango: eine durchaus fruchtige Komponente ist da unschwer erkennbar. Ein bisschen Plastik ist da auch dabei, nicht das unangenehme Stinkeplastik, mehr diese seltsame Note, die so zwischen Floralität und Oliven wabert. Insgesamt also etwas, das mit Kraft und Komplexität gleichzeitig punktet.

Curado Tequila Blanco Infusión de Agave Cupreata Glas

Die Verknüpfung zu den Eindrücken am Gaumen ist direkt – da geht erstmal die Agave volle Pulle ab, richtig schön umami, mit einem Tick Salz, fast schon ein bisschen speckig, mit Grünzeug als Beilage, ohne je gemüsig zu werden, mehr in die mineralisch-algische Richtung. Eine sehr weiche Textur legt sich breit und voll an den Mundraum, mit aber wenig Schwere, die initiale Süße wirkt sehr natürlich und leicht. Im Verlauf entsteht Wärme, keine Hitze, und ein sehr angenehmes leichtes pfeffriges Prickeln aus der Würze. Aprikose und Jasmin, Vanille und Kokosfleisch wechseln sich von floral nach fruchtig und umgekehrt, mit milden, aber effektiven Gewürznoten und einer gewissen Fleischigkeit. Der Abgang ist mittellang, hier nun starksteinobstfruchtig, ohne aber die Hauptrolle der Agave je anzutasten, mildtrocken und mildherb, einfach rund und aromatisch, und im Nachhall klingt schließlich plötzlich und unerwartet noch Erdnuss ganz deutlich nach.

Ja, man erkennt die Komponente, die die Cupreata-Agave hinzugibt zu diesem Gesamtkunstwerk, da entdeckt man feine Noten, die man in einem normalen Tequila seltener findet. Dabei entsteht ein kräftiges Getränk mit Charakter – dieser Curado ist eher stark als elegant, eher wuchtig als fein, aber immer ohne Gewalt oder Ansatz von Rohheit. Das passt perfekt für mich. Wer Agavendestillate mag und ihre Typizität, der wird den Curado Tequila Blanco Infusión de Agave Cupreata lieben.


Im Longbottom Line würde eigentlich Reposado eingesetzt. Nun, wie schon geschildert, man kann den Eindruck eines Reposado auch gut durch einen Curado ersetzen, oder besser gesagt: ergänzen. Gerade die Kombination mit einem Tabaklikör (da gibt es zum Perique Liqueur de Tabac eigentlich keine mir bekannte Alternative) ergibt dann einen sehr aromatischen Drink, dicht und voll, mit vielen kleinen Seitennoten, die man explorieren kann.

Longbottom Line Cocktail

Longbottom Line
1½oz / 45ml Tequila reposado
1oz / 30ml Fino Sherry
¾oz / 23ml Tabaklikör
¼oz / 7ml Amaro
1 Spritzer Angostura Bitters
1 Spritzer Aromatic Bitters
Auf Eis rühren. Auf einem großen Eiswürfel servieren.

[Rezept nach eldritch_garnish]


Für die Präsentation hat man sich auch für ein Crossover entschieden – eine strenge, gerade, einfache Flasche ohne Sperenzchen mit dazu passendem Etikett auf der einen Seite, und die großflächige Verwendung von fantasievollen, bunten „Alebrije“-Illustrationen andererseits. Diese sind eine Art mexikanischer Wolpertinger, Fantasiekreaturen wild zusammengesetzt aus existierenden Tieren, und gleichzeitig spirituelle Führer, die den Sucher auf geistigen Reisen zwischen den Reichen der Lebenden und Toten begleiten und leiten sollen. Ein durchaus passendes Maskottchen hat man sich da ausgesucht, finde ich, darüber hinaus künstlerisch, modern und ohne Kitsch gemacht: ich bin dankbar, dass man dieser letzteren Versuchung widerstanden hat.

Nach der sehr positiven Erfahrung kann die Reise für den, dessen Interesse hier geweckt ist, auch noch fortgeführt werden, denn weiterhin gibt es eine Version, in der blaue Weberagave für die Infusion genutzt wird (also praktisch eine Neufassung des alten „Ocho Curado“, in neuer Aufmachung und größerer Abfüllmenge), und eine, bei der man Espadín verwendet. Eventuell liest man hier in Zukunft irgendwann mal über letzteres. Mein persönliches Infusionsinteresse jedenfalls besteht.

Veröffentlicht von schlimmerdurst

Hüte dich vor denen, die nur Wasser trinken und sich am nächsten Tag daran erinnern, was die anderen am Abend zuvor gesagt haben.

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