Es ist schon seltsam – da kennt man auch als fortgeschrittener Spirituosenfreund dutzende von Rumbrennereien, Whiskydestillen und Tequileros, ist von kaum etwas überrascht, neue Firmen kommen eher selten auf den globalen Markt. Doch mit jeder neuen Abfüllung von Grape of the Art, die mir ins Haus flattert, denke ich mir – den Namen auf dem Etikett habe ich noch nie zuvor gehört, da wird mir immer wieder schmerzhaft vor Augen geführt, wie unbekannt Armagnac hierzulande noch ist, und wie wenig ich eigentlich über diese grandiose Spirituosengattung weiß. Beim GotA Hontambère 1985 Armagnac ging es mir wieder mal nicht anders. Der Brenner sitzt in der Domaine de Pouchégu in der Region Ténarèze, wo die Rebsorte Ugni Blanc 1985 zu einem Destillat verarbeitet wurde, das nach 36 Jahren Holzreifung schließlich im August 2022 in Fassstärke (in diesem Fall sehr angenehme 56,6%) auf 350 Flaschen gezogen wurde. Ich genieße sehr, wieviele Details die Jungs von Grape of the Art immer auf Etiketten und Beipackzettel packen – so soll es sein, jede kleine Information ist für einen analytischen Menschen wie mich ein zusätzlicher Funken, der den Genuss steigert. Analyse, Schmanalyse, rein ins Glas mit dem Stoff.
Nach all diesen Zahlen fangen wir an, weniger direkt messbare Größen zu untersuchen. Obwohl, auch für Farben kann man ja eigentlich klare Definitionen angeben – ich halte mich weiterhin gern an das „Farbenrad von Single Malt Whisky“, das ich vor Urzeiten mal bei Eye for Spirits runtergeladen hatte, und das mich bis heute begleitet – und da liegt der Hontambère bei zwischen Pariser Rot D1 und Gebrannte Siena D2. Der Armagnac lässt sich nur mit etwas Schwung in Bewegung versetzen, und die Beinchen, die dann aus dem entstandenen Film ablaufen, lassen sich viel Zeit dabei.
In der Nase finden sich richtig schöne, typische Noten von reifen Feigen, Rosinen, Walnüssen und überreifen Weinbergpfirsichen. Ein bisschen Lack ist mit drin, und etwas angebranntes Karamell, dazu ein Ticken Zimt und frisch dunkel gebackenes Brot. Etwas frisch versengtes Holz kommt in einer Phase, wenn man die Nase schon wieder aus dem Glas zieht, noch nach. Vielschichtig und sehr angenehm, ohne jede Störnote, das schnuppert sich extremst angenehm, ohne, dass der Alkoholgehalt je pieksen würde. Irgendwie erinnert mich das etwas an Bourbon.
Im Mund ist zunächst die Textur auffallend – es beginnt weich und sanft, voll und breit, wandelt sich dann aber von dieser gemütlichen Seite schnell in ein Kraftpaket, mit feuriger Würze, die die Zunge mehr als nur kitzelt, und dann sogar ins Trockenholzige übergeht, mit kräftiger Astringenz und chilihaftem Brennen im Abgang. Ein spannender Gefühlsbogen, der von holzig-deftigen Aromen getragen wird, mit etwas fruchtigreifer Pflaume und süßpikanter Melasse, was am Ende in steinobstigen Nachklängen endet, auch hier mit etwas leicht medizinischem und lackigem Holzeinfluss, anishaftiger, wilder Bittere und zimtiger Hitze. Der Mundraum bleibt gereizt, erwärmt und entspeichelt für eine ganze Weile – das muss man abkönnen.
Mit dem Hontambère hat man einen wuchtigen, schweren, trockenen Armagnac vor sich, der sich nie zurückhält, deutlich vom Holz beeinflusst ist, dabei aber noch Frucht durchscheinen lässt. Das trinkt sich nicht unkompliziert, zugegeben, aber aufregend, wenn man starke Spirituosen, die sich nicht einschmeicheln, mag. Ich genieße so etwas sehr – etwas, wofür man sich für so ein kleines halbes Verkostungsglas durchaus eine halbe Stunde Zeit lassen kann, ohne dass es langweilig wird.
Offenlegung: Ich danke Grape of the Art für die kosten- und bedingungslose Zusendung dieses Samples.