Zwischenwelten – Soledade Rum do Brasil Armazenado em tonéis de Ipê

Soledade Rum do Brasil Armazenado em tonéis de Ipê Titel

„Rum do Brasil“, das ist nun das zweite Mal, dass ich diese eher seltene Deklaration einer Spirituose lese. Brasilien verbinden wir einfach mit Cachaça, und ja, ich betone es einfach nochmal erneut, Cachaça ist kein Rum, sondern eine zweite Unterform des Zuckerrohrbrands, wie es Rum auch ist. Gar nicht so schwierig eigentlich. Doch zurück zum Thema, warum steht da nun „Rum“ auf dem Etikett des Soledade Rum do Brasil Armazenado em tonéis de Ipê? Ich habe einfach bei meinem Freund Vicente Bastos Ribeiro, der Master Blender bei der Fazenda Soledade ist, nachgefragt, was da Sache ist. Und er hat es mir ausführlich erklärt, ich gebe hier einfach eine sehr oberflächliche Version wieder: Der Hauptunterschied ist, dass bei diesem Rum für die Destillation eine Mischung aus Melasse und Zuckerrohrsaft eingesetzt wird – wie aufmerksame Leser meines Blogs wissen, ist für Cachaça ausschließlich Zuckerrohrsaft erlaubt. Ein paar Destillationsdetails sind auch anders als das Gesetz es für Cachaça vorschreibt. Vicente experimentiert gern mit seinen Destillaten, und der Soledade Rum ist so ein Versuch, mal „etwas anderes“ zu machen.

Ich erkläre noch gern das Wort „armazenado“ – es ist der technische Begriff für die Tatsache, dass der Brand nach dem Destillieren „in Holzbehältern aufbewahrt“ wird, Dauer und Fassgröße sind dabei nicht bestimmt. „Tonéis“ sind schließlich dann eben die Fässer, und „Ipê“ ist eine in Brasilien heimische Hartholzart, die man durchaus öfter für Cachaça einsetzt. Sie ist grundsätzlich nicht unproblematisch, denn die Bestände der brasilianischen Walnuss, wie man sie auch nennt, sind zwar im Moment noch nicht offiziell als „stark gefährdet“ gekennzeichnet, doch bereits seit langem „übererntet“ und allein deswegen schon kurz davor, in diesen Status zu geraten. Und die vielen illegalen Abholzer, die aktuell in Brasilien praktisch ungehindert ihr kriminelles Unwesen treiben können, werden sich darüber hinaus schon darum kümmern, dass wir dieses Holz bald sehr viel seltener sehen werden. Ich hoffe, die neue brasilianische Regierung setzt sich etwas mehr für die Umwelt ein, als es die alte getan hat. Wieder hin zu leichteren Themen, probieren wir den Soledade-Rum!

Soledade Rum do Brasil Armazenado em tonéis de Ipê

Man erkennt, dass das Ipê-Holz schon eines ist, das etwas Farbe an die in ihm gelagerte Flüssigkeit abgibt (manche brasilianischen Hölzer sind da sehr viel sparsamer), ein leichtes Ocker mit einem Touch von Orange. Beim Schwenken zeigt sich der Rum lebendig und nur leicht viskos, die sich bildenden Beinchen laufen schnell ab.

Hält man das Glas dann an die Nase, verwirrt der Geruch zunächst etwas; erinnert man sich aber an die Herstellung, klärt sich das direkt auf. Da ist sowohl eine Note eines leichten Rums spanischer Machart, als auch die grasige Komponente einer Cachaça, und insbesondere die hohe Typizität und Identität des Ipê ist erkennbar, aber in einem anderen Ton, als man das vielleicht gewohnt ist. Sehr floral wirkt das in dieser Kombination, mit Lavendel, Thymian, etwas Minze, Kardamom und zu guter letzt vielleicht noch etwas Aprikose. Definitiv anders als ein Rum, wie wir ihn sonst aus Eichenfässern kennen, und auch anders als eine Cachaça. Spannend!

Soledade Rum do Brasil Armazenado em tonéis de Ipê Glas

Auch im Mund setzt sich direkt das brasilianische Holz durch, mit seiner leicht mentholischen, leicht eukalyptischen, jedenfalls sehr blumigen Eigenheit. Lavendel- und Thymianeindrücke entstehen daraus, erblühen voll und gehen dann langsam in weiche, warme Kandiszucker- und Ahornsirupkomponenten auf. Ein sehr weiches Mundgefühl mit kaum erkennbaren 40% Alkoholgehalt schmeichelt sich an den Gaumen, erst spät im Verlauf kommt feine, pikante Würze dazu, die dann am Schluss die Zunge prickeln lässt. Grasigkeit und ein Eisenton entstehen schließlich, mit diesen klingt der Rum dann gemütlich aus, während noch etwas von der Ipê-Blumigkeit im Mund zurückbleibt.

Ein leichter Rum, aromatisch, aber doch stark vom Holz getrieben, fast ausschließlich sogar, würde ich sagen. Das leichte, fast schon zarte Basisdestillat hat der Aromenwucht des Ipê kaum etwas entgegenzusetzen, und wird von ihm so dominiert, dass kaum etwas übrig bleibt. Nun, persönlich mag ich Ipê sehr, darum stört mich das nicht so wahnsinnig – doch ich vermisse etwas die Interaktion zwischen Destillat und Holz, etwas Komplexität, etwas sensorische Spannung. Dennoch ein interessantes Produkt, das eine eigene Charakteristik aufbaut!


Ja, ich weiß was meine aufmerksamen Leser sagen werden, wenn ich nun den Anita als Cocktail vorstelle – „geht der Soledade Ipê nach dieser Geschmacksbeschreibung nicht unter in einem Drink mit Campari?“ Nun, tatsächlich ist so ein feiner Rum nicht die offensichtliche Wahl dafür, doch ich habe es aus einer Laune heraus probiert, und finde, dass die exotische Holznote ganz dezent selbst gegen den italienischen Bitter durchkommt und den Drink damit interessant macht. Theorie und Praxis, manchmal muss man seiner Intuition folgen!

Anita Cocktail

Anita
⅔oz / 20ml Campari
⅓oz / 10ml gereifte Cachaç
a
⅔oz / 20ml Blutorangensaft
⅓oz / 10ml Limettensaft
⅓oz / 10ml Macadamianusssirup
Auf Eis shaken. Mit Basilikum dekorieren.

[Rezept nach Thalita Alves]


Über die Präsentation gibt es nur Erfreuliches zu berichten – mir gefällt die bauchige Flasche, das kleine Bastnetz am Flaschenhals, die Holzkrone auf dem Korken. Das ganze ist unabhängig von der Hauptmarke der Fazenda Soledade, die wir in Deutschland kennen – Nêga Fulô, der eine oder andere wird aber durch dieses Bastnetz vielleicht daran erinnert, bei letzterer Marke ist nur eben die ganze Flasche damit umhüllt.

Im Fazit bleibt für mich festzuhalten, dass ich solche Versuche von Brennern immer gerne probiere und es spannend finde, was die sich so einfallen lassen. Gerade für Leute, die ähnlich wie ich empfinden, ist so ein Grenzgängerprodukt wie der Soledade Ipê natürlich sicher einen Geschmacksversuch wert – da lernt man nebenbei doch so einiges über Kategorien, Hölzer, Destillationsarten, Basismaterialien und so weiter, während man den Rum gemütlich im Glas schlürfen kann.

Veröffentlicht von schlimmerdurst

Hüte dich vor denen, die nur Wasser trinken und sich am nächsten Tag daran erinnern, was die anderen am Abend zuvor gesagt haben.