Im Käfig oder auf dem Fensterbrett? Koval Millet Single Barrel Whiskey

Koval Millet Single Barrel Whiskey Titel

Ich bin eigentlich in jedem Geschäft, das Lebensmittel anbietet, immer auch auf der Suche nach neuen Spirituosen. Das Angebot ist meist recht unterschiedlich. Gewisse Standardware hat jeder, wie den Old No. 7, Havana Club 3 Años oder Gordon’s Gin; darüber hinaus ist das Sortiment aber dann schon wechselnd. Der eine Markt konzentriert sich auf Billigschnaps en gros, der andere hat kleine aber feine Marken in der Auslage.

Seit einiger Zeit gehe ich für einige Lebensmittel in Biomärkte, und neben der deutlich sichtbaren Professionalisierung (die ungepflegten Hippies, die braune Bananen mit einem maoistischen Flyer einwickelten, sind Geschichte) bieten diese Läden inzwischen auch Wein, Bier und Spirituosen an, fair hergestellt und gehandelt, mit Zertifikaten und Siegeln. Schnaps, den man oft sonst kaum woanders findet, denn der Kunde mag bei Eiern, Tomaten und Rindfleisch inzwischen auf nachhaltig produzierte Ware schauen, bei flüssigen Genussmitteln ist das eher die Ausnahme. Für manche Hersteller eine Chance, eine Nische zu füllen, die mit der Zeit wahrscheinlich immer bedeutender werden wird.

Für amerikanischen Whiskey gibt es dabei einige grundlegende Dinge zu beachten, wenn es um Bioproduktion geht. Das Rohmaterial, also hauptsächlich Mais, Gerste und/oder Roggen, muss biozertifiziert sein, was in den genmanipulationsfreundlichen USA bereits einen ersten Stolperstein darstellt. Der Koval Millet Single Barrel Whiskey wird auf der Herstellerseite und in Shops als „organic“, dem englischen Begriff für „bio“, vermarktet – doch auf der Flasche selbst findet sich kein Hinweis mehr darauf. Ist da was schiefgegangen?

Koval Millet Single Barrel Whiskey

Die Erklärung ist recht simpel – neben den Basisprodukten muss auch die Produktion und, und das vergessen viele, sogar der Vertrieb zertifiziert sein, um ein entsprechendes Siegel in Europa zu erhalten. Der Importeur Haromex kann (oder will, aus Kostengründen) dies nicht leisten. Nun, wir wollen ihn trotzdem verkosten, denn Bio-Zertifizierung ist ja gut und schön, wenn er aber geschmacklich nichts taugt, bringt das alles nichts.

Hirse (engl. millet) als Basisgetreide für Whiskey ist ein Alleinstellungsmerkmal – das uralte Gewächs dient hier als Ersatz für die sonst bei amerikanischem Whiskey üblichen Sorten wie Mais, Gerste, Roggen oder Weizen. Die Farbe zeigt diese ungewohnte Zutat allerdings nicht: Kräftiger, strahlender Bernstein, sehr erinnernd an Bourbon oder Rye. Lange, dicke Beine beim Schwenken erzeugen eine ansprechende Optik. Auch die Nase wird überzeugt: Vanille, eine süßliche Note nach Birne und Litschi (mit Dank an Horst Lüning für diesen Hinweis, den ich selbst nicht benennen hätte können, aber definitiv da ist!), Eichenholz, Cerealien. Sehr mild und attraktiv. Die deutlich erkennbare Lösungsmittelnote gehört mit dazu bei amerikanischem Whiskey.

Der Bourbonkenner ist überrascht beim ersten Schluck: Zwar klar süß, aber dazu leicht seifig, insgesamt sehr eigen. Das überragend samtige Mundgefühl passt zum dichten Körper, während die Aromatik aber eher auf der Obertonebene bleibt. Litschis, mildes Obst wie Birne und Banane, dazu aber eine milde Säure. Die Hirse macht sich ingesamt sehr gut als Whiskeygetreide, gibt neben der ganz eigenen Aromatik noch eine runde, feine Tiefe an das Getränk. Eine durchaus kräftige Pfefferschärfe komplettiert ein spannendes Panorama von Eindrücken.

Im Endgame findet sich etwas Säure, ein leichtes Kitzeln belebt den ansonsten samtigen und zarten, sehr langen Abgang. Obstnoten bleiben noch länger am Gaumen, dazu ein minimales Betäubungsgefühl auf der Zungenspitze, spannend für einen Brand, der eigentlich nur 40% (80 proof) aufweist.

Tatsächlich kann man den Koval Millet Single Barrel Whiskey meiner Meinung nach überall dort einsetzen, wo man sonst eigentlich einen Bourbon hernehmen würde. Durch solch leichte Variationen in Basisspirituosen bekommen wir schnell einen ganz anderen Drink; der Haymaker profitiert beispielsweise von der Zartfruchtigkeit und der brummenden Tiefe des Koval-Bioprodukts.

Haymaker


Haymaker
¾ oz Whiskey (z.B. Koval Millet Single Barrel Whiskey)
  ¾ oz Triple Sec (z.B. Grand Marnier Cordon Jaune)
¾ oz Trockener Wermut (z.B. Noilly Prat)
¾ oz Limettensaft
[Rezept nach unbekannt]


Die restlichen Daten lesen sich schön für einen Whiskeyfreund, der auf Herstellungsdetails und Transparenz steht (ich tue das): unfiltrierte Single-Barrel-Abfüllung mit entsprechender Flaschennummerierung, gereift in ausgebrannten, neuen 30-Gallonen-Fässern aus amerikanischer Weißeiche aus Minnesota, die Hirse stammt von einem Biofarmerkollektiv im Mittleren Westen der USA – wer will, kann den Inhalt seiner Flasche bis zum Getreidebauern zurückverfolgen. Wie üblich bei Koval wird nur der Heart Cut eingelagert (das tun aber auch die anderen Hersteller, denn Heads und Tails eines Brennvorgangs werden eigentlich überall als minderwertig wahrgenommen).

Ich freue mich über jede neue Idee, die die sympathische Craftbrauerei aus Chicago hervorbringt. Wer mehr von ihnen probieren will, sollte sich definitiv auch deren Single Barrel Bourbon und den Four Grain Single Barrel anschauen.

Veröffentlicht von schlimmerdurst

Hüte dich vor denen, die nur Wasser trinken und sich am nächsten Tag daran erinnern, was die anderen am Abend zuvor gesagt haben.

2 Kommentare zu „Im Käfig oder auf dem Fensterbrett? Koval Millet Single Barrel Whiskey

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