Hier sitze ich also und trinke gemütlich die zweite Flasche Altbier für diesen Artikel. Beim vor sich hin Sinnieren fallen einem manchmal die seltsamsten Fragestellungen ein – eine davon, die mir beim Betrachten des Uerige Alt, einem der klassischen Altbiere aus der originalen Düsseldorfer Hausbrauwelt, in den Sinn kam, ist, woher so ein dunkles Bier seine Farbe bezieht. Man hört zur Zeit ja immer wieder in Fernsehreportagen, dass dunkles Bier oft eigentlich nur gefärbtes helles Bier sei; mit Zuckerkulör und Farbebier wird bei so manchem Bierbrauer scheinbar schnell die Sortenvielfalt vergrößert, ohne zusätzliche Arbeit hineinzustecken.
Ist so ein Zweifel erstmal gesät, treibt er seltsamste Blüten, wie die Geschichte darüber, dass ein Altbier in produktionstechnischen Engpässen schonmal einfach eingefärbtes Kölsch sei – durch Miss- und Mangelinformation entstehen so urbane Legenden, die die seit Anbeginn der Zeit konkurrierenden Metropolen Köln und Düsseldorf natürlich gern aufgreifen, ohne den Wahrheitsgehalt zu prüfen oder auch nur die Sinnhaftigkeit. Dass Altbier auch außerhalb Düsseldorfs gebraut wird, eventuell sogar in Köln, ist ja die eine Sache; daraus zu schließen, dass dann einfach Kölsch hergenommen und dunkelgefärbt wird, eine andere. Da kommt einem doch schnell die alte Karikatur in den Sinn, die für beide Seiten so schnell passend gemacht werden kann. Das glückliche Pferd.
Der Unterschied zwischen Kölsch und Alt ist, das muss man einfach dazusagen, so gigantisch nicht, wie die gepflegte Feindschaft der beiden Herkunftsstädte es andeutet. Beides sind leichte, obergärige Biere – während das Kölner Bier mit hellem Gerstenmalz hergestellt wird, unterläuft das Malz des Düsseldorfer Biers einer Röstung, was für die dunkle Farbe sorgt und Röstaromen und mehr Malzigkeit in das Bier bringt, allerdings in gemäßigter Form, nicht etwa wie bei einem Stout oder Porter: Ein Alt bleibt, trotz der Farbe, immer ein geschmacklich relativ helltöniges, frisches Bier. Wollen wir einfach mal ausprobieren, ob so ein echtes Hausbraueralt wie das Uerige Alt tatsächlich wie ein Kölsch schmeckt, oder?
Die Farbe ist natürlich hier erstmal wieder Thema Nummer 1. Sehr attraktiv, rotbraun mit goldenen Reflexen im Glas, ich hoffe allein entstanden durch das Röstmalz. Ich vertraue der Hausbrauerszene hier einfach mal, und will nicht paranoid werden, obwohl meine Erfahrungen in der Spirituosen– und Bierbranche das durchaus als angebracht erachten ließen.
Für die Geruchseinschätzung muss man schon genauer hinschnuppern – geruchlich ist das Uerige Alt ein eher neutraleres Bier. Was man riecht ist sehr malzig, herber. Leicht brotig vielleicht sogar. Auch die Aromen auf Zunge und Gaumen sind zunächst rar gesät; was dagegen einen sofort positiv anspringt ist die hohe Rezenz, dazu die perfekte Mischung aus Säure und Süße. Im Abgang hebt die milde, äußerst angenehme Bittere, entstanden durch den schonungslosen Einsatz von Bitterhopfen, ihren Kopf, begleitet von wuchtigen Röstaromen, einem Anflug von Salz: hier wirkt das Alt dann doch recht dunkeltönig, und wer das mit einem Kölsch verwechselt, sollte das Biertrinken ganz sein lassen.
Sehr erfrischend, selbst bei fast schon Zimmertemperatur, und sehr süffig rinnt das Uerige Alt unglaublich gut und freundlich die Kehle hinunter. Tatsächlich ist das ein Bier, das ich weniger wegen den (doch deutlich zurückgenommenen) Aromen trinke, sondern wegen der Klarheit, Assertivität und Robustheit. Da ist nichts blumig-fruchtiges, nicht zitronig-liebliches – ein sehr klassisches Bier, geradeheraus, ohne Sperenzchen und dabei doch mit einer respektablen Tiefe und Komplexität. Der einzige Wermutstropfen – man muss es recht zügig trinken, denn es wird schnell schal.
4,7% Alkohol bekommt man mit dem Uerige Alt, abgefüllt in einer Halbliter-Bügelflasche mit dezent, aber sehr gefällig gestaltetem Etikett. 3 Sorten Malz (Gersten-, Caramel- und Röstmalz) wurden eingesetzt zur Herstellung, dazu, für meinen Geschmack zu generisch formulierten „Doldenhopfen“, was auch immer sich dahinter verbergen mag. Wer etwas als Hausbrauer auf sich gibt, hat natürlich auch seinen eigenen Hefestamm, hier die „Uerige Hefe“.
Der erste (und leider praktisch einzige) Treffer, den man bei der Internetsuche nach Altbiercocktails findet, ist der Altbier Breezer, der in Zusammenarbeit mit dem Deutschen Brauer-Bund entwickelt wurde. Tatsächlich erkennt man am Rezept die Handschrift eines Profis – daher schäme ich mich nicht, das recht offensichtliche hier nochmal wiederzukäuen.
Altbier Breezer
4 halbierte Kumquats mit…
1 Esslöffel Kokosblütenzucker muddeln
Crushed ice ins Glas geben, dazu…
1 oz Rum (z.B. Rhum Negrita)
¾ oz Grand Marnier Cordon Rouge
…und am Ende auffüllen mit
Altbier (z.B. Uerige Alt)
[Rezept leicht modifiziert nach Kent Steinbach]
Was bleibt als Fazit für das Uerige Alt? Ideal als Genießerbier, ideal als Essensbegleiter, ideal als Durstlöscher. Was kann man sonst noch von einem Bier verlangen? Da muss man wirklich, um wie schon beim Artikeltitel im Düsseldorfer Platt zu bleiben, kein uerig Jesech machen. Ein herrliches Bier, das auf meiner persönlichen, aber inoffiziellen Bierskala sehr weit oben landet. Es ist fast schon eine Schande, dass ein dermaßen faszinierender Bierstil wie das Alt nur noch in Kulturtaschen wie Düsseldorf getrunken wird. Das muss aufhören. Trinkt mehr Alt, liebe Leute! Ich hoffe aber, dass dieser Aufruf nicht dazu führt, dass aufgrund von plötzlicher Altknappheit nun allerlei Kölschbestände und Farbebiervorräte aufgekauft werden…
Kennste den? Warum hoffen Kölner, dass der Rhein regelmäßig die Altstadt flutet?… na..? weil der Geschmack vom Kölsch nicht verfälscht werden soll! …
Ein wegschmeiß- Brüller