Es überrascht uns immer wieder. Da gehen wir durch den Supermarkt, und entdecken hin und wieder seltsame neue Gemüse- und Obstsorten, die wir so noch nie zuvor gesehen hatten. Manchmal erinnern sie uns optisch an eine oder mehrere Früchte, die wir kennen; manchmal, wenn man es riskiert und das Neue ausprobiert, erkennen wir einen Geschmack, den wir irgendwo anders her kennen und nicht mit dem Erscheinungsbild verbinden würden. Mischformen und Hybridzüchtungen sind in; einerseits bringt das Verlangen nach Neuem Züchter dazu, zwei altbekannte Sorten zu kreuzen. Andererseits vereinen Hybride manchmal das beste aus zwei Welten und sorgen für gern angenommene Effekte wie die hypoallergische Eigenschaft eines Labradoodle.
Weitere Beispiele gefällig? Für uns als Spirituosenfreunde ist die Pomeranze oder Bitterorange wohlbekannt – eine uralte Kreuzung aus Mandarine und Pampelmuse, die uns im Triple Sec viel Freude bereitet. Die moderne Gentechnik und Zuchtfreude macht vor nichts halt, und wir können uns darauf einstellen, künftig in Obstabteilungen immer wieder mal etwas zu finden, was wir nicht direkt einordnen können; Romanesco, als zumindest optisches Verwirrspiel zwischen Brokkoli und Blumenkohl, war nur der Anfang.
Da ist es natürlich nur recht und billig, dass sich auch Biersorten untereinander kreuzen lassen. Dazu braucht es dann keine genetischen oder züchterischen Kenntnisse, doch ein tieferes Verständnis von dem, was in einem Bier möglich, interessant und letztendlich auch vermarktbar ist, muss natürlich vorhanden sein. Aktuell ist eine gute Zeit für derartige Experimente; das Interesse an Bier abseits von Pils und Lager ist bei den mittelständischen und kleinen Brauereien gerade groß, deren Kundschaft gleichzeitig auch bereit, sich auf neues einzulassen und auch entsprechend Geld auf den Tisch zu legen. Eines dieser Neukreationen ist das Maisel & Friends Citrilla Weizen IPA, das seine beiden Elternteile schon im Namen trägt (inzwischen heißt es nur noch „Weizen IPA“).
Auch wenn Hersteller Maisel & Friends ein hauseigenes Pint-Glas für den Genuss vorschlägt – wir sind hier schon auf einer experimentellen Schiene, da muss nicht auch noch mit der Glasware gespielt werden. Ein Weizenglas ist ein perfekt geeignetes Behältnis für dieses naturtrübe, blass-strohgelbe Bier; wenig Perlage, ein feiner, zunächst dicker Schaum mit vereinzelten großen Blasen – sehr hefeweizentypisch sieht es zumindest aus. Doch, wie schon bei Hybridfrüchten, das muss erstmal nichts aussagen, denn…
… der Geruch ist dann plötzlich sehr viel mehr IPA als klassisches Weizen. Fruchtig, zitronig, reife Ananas, und dann erst viel später die Weizen-Banane, und etwas Fruchtmarmelade. Besonders ist die Aktivität des Geruch, der schon beim Ziehen des Kronkorkens offensiv verströmt wird. Sowas gefällt mir.
Das Citrilla setzt seinen Crossover-Kurs gnadenlos fort: Mild-cremig ist es im Antrunk, dicht und kräftig, süßlich, sehr frisch, wie ein Hefeweizen halt. Dann springt es um auf die IPA-Komponenten, der Hopfen attackiert mit orangigen Fruchtnoten und schließlich, boom! Eine Bitterexplosion kickt alle süßen Gefühle des Vorspiels in die Weichteile. Ein Männerweizen, wenn man positiv formulieren will; wenn ich kritisieren will, finde ich diesen Übergang etwas brutal – es kommt unerwartet, selbst beim zweiten oder dritten Schluck, und dadurch wirkt das Bier etwas unrund komponiert. Der sehr lange Abgang, bitter-trocken, säuerlich, mit vielen Hopfenaromen, entschädigt dafür.
Ein sehr spannendes Experiment. Die Frage ist, ob außerhalb der Craft-Interessierten die Bierwelt bereit ist für so ein Bier. Ich bin ein großer Fan des Herstellers, insbesondere des Pale Ales, und finde auch den Hopfenreiter sehr gelungen. Das Citrilla trifft nicht wirklich meinen Geschmack – da ist ein bisschen zuviel von allem, süß, sauer, bitter, trocken… mir fehlt ein gewisser Geschmackskitt, der all diese Komponenten zusammenhalten könnte.
Der Hefeweizen Summer Beer Cocktail, der, wie der Name schon andeutet, normalerweise mit „normalem“ Hefeweizen gemacht wird, ist ein recht süßer Biercocktail. Für meinen Geschmack, fast schon zu süß, wenn die Orangen für den Saft entsprechend mild sind. Das Citrilla Weizen IPA durchbricht diese Süßewolke, und fügt einen herben, leicht bitteren Unterton ein – persönlich empfunden verbessert das Citrilla den Cocktail also sogar etwas.
Hefeweizen Summer Beer Cocktail
6 oz Hefeweizen (z.B. Maisel & Friends Citrilla Weizen IPA)
2 oz frischgepresster Orangensaft
1 oz Holunderlikör (z.B. The Bitter Truth Elderflower Liqueur)
[Rezept nach http://www.craftedpours.com]
Das Flaschendesign ist unspektakulär, das Etikett im üblichen, gelungenen Retro-Maisel-Stil gehalten. 330ml in der Longneck-Flasche bekommt man für den äußerst fairen Preis von 1€ – darin enthalten sind 6,0% Alkohol, 37 IBU durch die Hopfensorten Herkules, Citra und Amarillo – die beiden letzteren sind die Paten für das Citrilla; auch im Namen setzt sich also der „Crossover“-Effekt konsequent fort.
Selbst wenn dieses Bier mich nicht zu Begeisterungsstürmen hinreißt, so finde ich es dennoch großartig, dass wir in Deutschland Brauer haben, die was riskieren, herumspielen, Neues schaffen, und sich nicht auf althergebrachten Sorten und Marken ausruhen – und so einige davon, an vorderster Front Maisel & Friends, brauchen sich diesbezüglich hinter keinem britischen oder amerikanischen Bierhersteller zu verstecken, obwohl sich diese, auch wenn sich das verrückt anhört im Bierland Deutschland, mit solcherlei einen leichten Vorsprung erarbeitet hatten.
Ich danke der Brauerei Maisel & Friends für die unaufgeforderte Zusendung von 3 Flaschen des Citrilla Weizen IPAs.
Ein Kommentar zu “Zucht und Ordnung – Maisel & Friends (Citrilla) Weizen IPA”