Was ist Craftbier (Craft-Bier / Craftbeer)? Eine klare, eineindeutige Definition habe ich bis heute nicht gefunden, obwohl viele, inklusive mir, das Wort inzwischen wie selbstverständlich aussprechen. Einerseits dient es oft wohl nur oberflächlich dazu, die „modernen“, durch Amerika wiederentdeckten eigentlich schon alten britischen Bierstile, bequem in ein Schlagwort zu fassen und dem alteingesessenen Bier gegenüberzustellen: Pale Ale, IPA, Stout und Porter gegen Pils, Lager und Weizen. Andererseits verstehen darunter auch viele Leute den Aufstand von David gegen Goliath – die kleinen Brauereien gegen die großen Konzerne, die Handwerker gegen die Industrie, die kleine aber feine Menge gegen den Millionenhektoliterausstoß. Und schließlich meinen manche noch, dass nur Bier-„Künstler“ Craftbier herstellen, in Abgrenzung zum Bier-„Produzenten“.
Doch man sollte mit einseitigem und elitärem Gebrauch dieser Aspekte vorsichtig sein, und ich fasse mir dafür gern auch selbst an diese Nase, der ich diese Sprechweise gern zum Polarisieren nutze – der erste Punkt ist eigentlich falsch, als wäre es unmöglich, ein handwerklich spannendes Weizenbier herzustellen. Gerade für Deutschland gilt der zweite Punkt beispielsweise, wenn man ehrlich ist, nur bedingt: In Deutschland haben wir die großartige Situation, dass selbst das industrialisiert hergestellte Bier meist immer noch hochwertiges (wenn auch oft langweiliges) Qualitätsbier darstellt, vor allem im Vergleich zu anderen Ländern: das Traditionsbewusstsein und der Selbstanspruch ist stark hierzulande. Und wenn der letzte Punkt auch sicherlich einen Kern Wahrheit in sich trägt, denn auch eine kleine Biermanufaktur kann ein anspruchsloses Nullachtfuffzehnbier hervorbringen, so braucht ein echter gestandener Craftbierbrauer keine derartig künstlich-esoterische Aura um sich.
Bei manchen Bierbrauern hat man entsprechend, obwohl sie in einem marktführenden Unternehmen mit durchaus großem Ausstoß arbeiten und sich nicht als Michelangelo gerieren dennoch den Eindruck, dass sie am Bier selbst sehr interessiert sind und deshalb eine neue Idee ausarbeiten und diese in eine Flasche gießen, statt ausschließlich auf den ökonomischen Vorteil zu schauen. Maisel & Friends gehören für mich persönlich eher in diese Gruppe, und mit ihrem Maisel & Friends Pale Ale untermauern sie diesen Eindruck; das ist Craftbier, zumindest das, was ich darunter verstehe.
Die goldene Farbe mit feinem, dünnen, aber langanhaltenden Schaum sorgt für die ersten Tröpfchen an Spucke, die mir beim Eingießen ins Spiegelau-IPA-Glas bereits zusammenläuft. Denn spektakulär fruchtig dringt das Maisel & Friends Pale Ale schon dabei in die Nase und macht klar, dass wir hier keinen Blender vor uns haben, wie ihn uns der eine oder andere deutsche Hersteller unter dem Deckmäntelchen des neuen Namens unterschieben will, sondern ein wirkliches Pale Ale von Schrot und Korn.
Geschmacklich bleibt es dann im großen und ganzen zurückhaltend, was die Fruchtnoten angeht, mehr mild-orangig, aber dafür mit etwas, das vielen amerikanischen ultragehopften Ales inzwischen in ihrem Hopfenrekordwahn leider fehlt: dem Biercharakter. Man schmeckt hier noch, dass es ein Bier ist, und keine reine Hopfenkaltschale. Die Sorten Herkules als Bitter-, Chinook, Amarillo, Simcoe und Citra als Aromahopfen werden verwendet, die Brauer von Maisel übertreiben es aber angenehmerweise nicht.
Das ausgewogene Hopfen-Bierbild weist darüber hinaus noch eine tolle Dichte und feine Würze auf; es ist herrlich erfrischend dank des perfekten Kohlensäureanteils.
32 IBU sind deutlich schmeckbar: Fruchtig an der Zunge, aber sehr trocken und bitter am Gaumen und im Rachen. Mit 5,2% Alkohol bewegen wir uns im sortentypischen Rahmen. Die Standardbierflasche wird mit einem sehr gelungenen, Stempel/Brandzeichen-Etikett aufgewertet, ist dadurch ein kleiner Blickfang im Bierregal. Eine gelungene Designmischung aus Tradition und Moderne, ohne in eins der Extreme abzugleiten.
Ein sehr gutes Pale Ale aus deutschen Landen, das gern auch den Weg in mein Cocktailglas findet, zum Beispiel im Rocky Mountain Handshake, einem Rezept aus dem Buch American Cocktail. In Ermangelung der lokalen Zutaten aus Colorado, die das Originalrezept nutzt, machen wir einfach eine deutsch-amerikanische Kooperation daraus, indem wir Kentucky-Whiskey mit deutschem Pale Ale verheiraten. Gewiss keine Verschlechterung.
Rocky Mountain Handshake
1½ oz Whiskey (z.B. Rare Breed Kentucky Straight Bourbon Whiskey)
¼ oz Amaro (z.B. Villa Rillago Amaro)
¼ oz Zuckersirup
4 oz Maisel & Friends Pale Ale
Erneut der Tipp für Cocktails, in denen eine sprudelige Zutat, wie Champagner, Tonic Water, Ginger Beer oder eben Bier eingesetzt wird, und in denen es oft „aufgießen mit…“ heißt: Zuerst die sprudelige Zutat ins Glas, und dann den geshakten oder gerührten Teil darauf gießen. So bleibt mehr Blubber im Drink als andersherum.
Ich war etwas überrascht zu sehen, dass neben all den Industriebieren (ha, da ist es schon wieder! Man wird eine Attitüde nur schwer wieder los…) in einem lokalen Rewe-Supermarkt auch tatsächlich ein Pale Ale zu finden war. Das Maisel & Friends Pale Ale ist als Einzelflasche und im Sixpack-Tragekarton zu bekommen, für unter 1,50€ die Flasche. Gern schlage ich da öfters zu, und wenn es nur deswegen wäre, dem Laden zu demonstrieren, dass so ein Bier gefälligst immer im Regal zu stehen hat und nachgekauft werden muss, wenn die Ladenbestände erschöpft sein sollten. Was nicht bedeuten soll, dass Ihr mir das jetzt in Zukunft vor der Nase wegkaufen sollt!
Mal wieder sehr gelungen. In Hessen hab ich mal Störtebeker Atlantic Ale im Supermarkt für n Euro gefunden. Kreativ auf deutsch-professionelle Art. Ich fands super. Aber was hältst Du in dem Zusammenhang von den belgischen Produkten? Ich finde die immer wieder Beeindruckend. Aber irgendwie find ich es schwer, was drüber zu schreiben. Auf jeden Fall Micro Brewing und sehr vielfältig. Aber immer auch glatt, mit dem konservativen Selbstbewußtsein langer Tradition. Wahrscheinlich bin ich zu ungebildet, um da noch einzelne Nuancen rauszuschmecken…
Ich habe mir vorgestern in einem Biomarkt 2 Varianten von Hefeweizen von Störtebeker geholt. Da mich das Whisky-Bier von denen ziemlich abgestoßen hat, will ich dieser Brauerei doch noch eine Chance geben…
Die belgische Bierkultur ist hochfaszinierend. Ich liebe Witbier, und trinke sehr gern die belgischen Fruchtbiere wie Kriek und Lindemans und dergleichen. Auf dem Kaiserslauterner Weihnachtsmarkt gabs sogar belgisches Glühbier, das ich jedem Glühwein klar vorziehe.
Besonders spannend ist das Lambik-Verfahren, bei dem die in der Luft herumschwirrenden Hefen statt Zuchthefen eingesetzt werden. DAS ist wirklich regionales, einmaliges Bier!
Übrigens: Zu ungebildet kann man nicht sein; letztlich ist es nur die eigene Erfahrung, die zählt. Jeder schmeckt anders!