In Teil 1 der Jagdsaison haben wir bereits einen Hirsch gejagt – es wird Zeit für anderes Wildbret. Wie wäre es mit Geflügel? Ein gluckernder Truthahn wäre doch genau das richtige. Ein wilder Truthahn, von seltener Art, ein meleagris gallopavo raruskentuckus, oder, wie man ihn landläufig besser kennt: Wild Turkey Rare Breed Kentucky Straight Bourbon Whiskey.
Das Gefieder des wilden Truthahns glitzert am Jagdmorgen im Frühnebel in herrlichem Terracotta. Es ist aber schon ein gewichtiger Vogel, mit seinem barrel proof 112.8, also 56,4% Alkohol ganz klar einer, der eine dicke Suppe ergibt, und den man runterkühlen muss muss vor dem Genuss. Ein paar winzige Tropfen Wasser reichen dazu schon aus, um ihn auf 50%, was gute Trinkstärke ist, zu verdünnen und palatabler zu machen. Barrel proof bedeutet nicht automatisch auch single barrel – es handelt sich beim Wild Turkey um einen Blend aus drei verschiedenen Whiskeys.
Im Präparationsglas bezaubert das wilde Huhn dann mit recht bourbontypischen Aromen: Sehr vanillig, weich, mit praktisch keiner Lösungsmittelkomponente, und etwas Eiche. Ich liebe diesen Geruch.
Ein Whiskey, der in seiner Konsequenz manchen überraschen wird: Hochfruchtig, äußerst wuchtig, extrem süß sind die ersten Geschmackseindrücke; nachdem man die edle Flüssigkeit etwas im Mund herumgespült hat, schießt dann schnell etwas Eichenwürze nach. Von allem nur das beste, ohne einen Fehler im Muster. Das erinnert mich so gar nicht an einen bodenbewohnenden Vogel, das ist eines Seeadlers würdig.
Vanille ist die vordergründigste Komponente, ein schön cremiges Mundgefühl stellt sich ein, begleitet von einem leichten, sehr angenehmen Brennen, das für mich zu einer Spirituose einfach dazugehört. Ein Hauch von Lakritz ist mehr fühl- als schmeckbar. Gegen Ende dann die für Bourbon übliche gemüsige Karottennotte im Abgang. Die Amis haben so wunderbare Whiskeys, da wundert es mich, dass Vince Vaughn in der zweiten Staffel von „True Detective“ immer den langweiligen Johnnie Walker runterkippt.
Ich glaube nicht, dass es auf der Welt einen Bourbon gibt, der besser in einen Lion’s Tail passt. Die Charakterstik dieses Whiskeys schmiegt sich so unglaublich perfekt an das Allspice Dram und die Gesamtkomposition an, dass man glauben könnte, dieser Cocktail wäre nur für den Rare Breed geschaffen worden.
Lion’s Tail
2 oz Wild Turkey Rare Breed
½ oz Limettensaft
½ oz Allspice Dram (z.B. The Bitter Truth Pimento Dram)
¼ oz Zuckersirup
1 Spritzer Pfirsichbitter (z.B. von The Bitter Truth)
Am Ende muss noch kurz die Flasche und die Dose angesprochen werden, in der der Wild Turkey daherkommt. Eine auf den ersten Blick etwas unförmige Tropfenflasche, die ich umso lieber gewinne, je öfter ich sie anschaue. Das Etikettenredesign ist für meinen Geschmack ein Schritt in die falsche Richtung; mir hat das alte, verschnörkeltere, verspieltere besser gefallen als das neue, langweilige, strengere. Ein sehr sehenswerter Flaschenstöpsel krönt die Flasche. Die Geschenkdose, in der die Flasche kommt, ist auf jeden Fall ein glitzerndes Highlight: Eine schöne Trophäe, an der man sich erfreuen kann, wenn der Vogel längst verspeist ist.
Es gab früher schon andere Versionen des Gockels, die von Fans sehr geliebt wurden; manchmal bedauere ich, so spät ins Spirituosengeschäft eingestiegen zu sein, wenn selbst ein so wirklich ausgesprochen wunderbarer Whiskey wie dieser als vergleichsweise minderwertig zu seinem Vorgänger angesehen wird. Vielleicht ist das alles aber auch nur Jägerlatein und der Blick durch die rosarote Brille; vom heutigen Jagdhochstand aus sieht für manchen melancholischen Nostalgiker alles flacher und schlechter aus als früher, als noch die wahren Jagdobjekte vor der Flinte herumtanzten.
Für eine Weile bin ich gesättigt. Doch das heißt nicht, dass die Jagd nicht weitergeht. Fürs nächste Shootout mit wildem Getier habe ich mir eine größere Beute ausgesucht, für die der Henrystutzen im Sattelhalfter bleibt und statt dessen der Bärentöter rausgeholt werden muss. Bis dahin: Waidmannsheil!
Nachdem ich die Metaxa Rezensionen gelesen hatte, machte ich mich auf die Pirsch, ob denn mein Lieblings Whiskey hier schon besprochen wurde.
Na ja, fast.
Im Gegensatz zu wohl den meisten Whiskey und Whisky Experten, bevorzuge ich den preiswerteren WT 101
Der 101 passt besser zu meinem Geschmacksempfinden, ist für seine 50,5 Prozent sehr sanft, nicht sprittig und bei aller schlichten Robustheit gleichzeitig ein Füllhorn an Aromen.
Als bekennender Banause ziehe ich den 101 allen mir bekannten Scotch und Bourbon vor.
Auch dem hier beschriebenen älteren Bruder.
Herzlichen Gruß
Eberhard