Es gibt Spirituosen, die werben damit, dass sie 200 mal destilliert wurden – hauptsächlich Vodka ist stolz auf die Anzahl der Destillationsvorgänge. Über die Sinnhaftigkeit dessen lässt sich trefflich streiten, vor allem, wenn es sich um industrielle Column-Still-Destillationsapparate handelt, bei denen das Destillat dann eh einfach nur hin- und herläuft, und man die Destillationsvorgänge eigentlich nicht wirklich zählen kann. Andere Spirituosen dagegen werden nur einmal destilliert, denn sie wollen die Geschmacksstoffe, die durch Destillationsvorgänge entfernt werden, möglichst erhalten. Und dazwischen gibt es natürlich viele Zwischenstufen; manche Rumsorten werden 3 mal destilliert, ebenso einige irische Whiskeys und Scotches. Und Cognac beispielsweise wird zweimal destilliert.
Armagnac wird oft als der kleine Bruder des Cognac beschrieben. Ein gewichtiger Unterschied zwischen Cognac und Armagnac ist, dass Armagnac nur einmal destilliert wird, wodurch diese unterschätzte Spirituose deutlich charaktervoller und rauher daherkommt als sein weltbekannter Cousin. Doch nicht nur die schlichte Destillation selbst sorgt dafür, dass die Entscheidung zwischen Cognac und Armagnac eine gewichtige Glaubensfrage ist: nein, die gesamte Herstellungseinstellung des Armagnac ist von einem anderen Geist und Ansatz getrieben als die teilindustrialisierte Cognacproduktion.
Man muss ein bisschen suchen, um einen Armagnac in einem deutschen Geschäft zu finden. Letztlich reduziert sich die Auswahl für den Nichtinternetbesteller häufig auf genau eine Flasche, die noch gut verbreitet ist: Der Comtal Fine Armagnac V.S. ist in vielen Supermärkten für rund 16€ erhältlich. VS, also Very Special, ist die Basisqualität für Brandys, das gilt für Cognac, Brandy de Jerez, viele deutsche Brände, und auch für Armagnac – das Destillat ruhte laut dieser Bezeichnung 2 Jahre in einem Holzfass.
Mich begeistert schon die kräftige, dunkle Farbe im Glas. Flugs daran geschnuppert: Dunkle Früchte – getrocknete Feigen, Pflaumen, Datteln, Rosinen. Minimal Anis, etwas Menthol. Vielleicht etwas nussig. Auf jeden Fall ein echtes schweres Pfund.
Kann sich das auch im Geschmack fortführen? Ja! Schokoladig, schwer und dicht. Voluminöser als die meisten spanischen Brandys, die ich bisher gekostet habe, und auch als die meisten Cognacs. Etwas salzig, paradoxerweise aber gleichzeitig sehr süß. Angebrannter Karamell, vielleicht eine kleine Erinnerung an gereiften Grappa. Ein kleiner Fehlton von Spülmittel, wenn man danach sucht.
Feurig im Abgang, heiß rinnt er die Kehle hinunter, und hinterlässt sogar etwas Pfeffer in der Speiseröhre und brandytypischen Schwefel im Mund, aber ohne wirklich unangenehm alkoholbrennend zu werden. Beim ersten Schluck kann man den Weg in den Magen klar verfolgen, wo der Comtal sich dann noch eine ganze Weile niederlässt. Im Mund verbleibt neben der Hitze bei diesem eher längeren Abgang eine deutlich adstringierende Trockenheit, und die Aromen dunkler Früchte und Kakao.
Ein würzig-aromatischer Ersatz für den dagegen sehr zivilisiert wirkenden Cognac, und das zu einem richtig guten Preisleistungsverhältnis. Der Comtal Armagnac ist wild und ungezähmt, das mag dem Genießer feiner Spirituosen schon etwas zu weit gehen – ich aber mag so ungebremste Energie: Der Abgang ist für mich sensationell.
Wenn man sich umschaut, findet man kaum Cocktailrezepte speziell für Armagnac. Das ist aber auch nicht nötig: Überall dort, wo man Cognac oder Brandy einsetzt, ist auch Armagnac ein geeigneter Ersatz. In vielen Fällen, nicht allen, ist die Feurigkeit des Comtal Fine Armagnac V.S. sogar eine erwünschte Verbesserung; beispielsweise im French Connection, wo ein etwas assertiverer Brandygeschmack als der eines feinen, eher zum Untergehen neigenden Cognacs, nicht schadet.
French Connection
1 oz Comtal Fine Armagnac V.S.
¾ oz Vodka (z.B. Green Mark Vodka)
1/3 oz Maracuja-Sirup (z.B. von Teisseire)
2 oz Zitronen-Soda (z.B. San Pellegrino Limonata)
Zur Flasche – in Franken würde man dazu Bocksbeutel sagen. Das grüne, dazu noch geeiste Glas (in den neueren Abfüllungen leider nicht mehr) gibt kaum einen Blick auf den Inhalt frei. Das Etikett ist für die heutige Zeit etwas altmodisch; man schaue sich andere altehrwürdige Spirituosen an, die mit etwas mehr Pep auch jüngere Genießer schon von der Optik her ansprechen. Die Zeiten, in denen man den älteren Herrn, der sich mal einen Armagnac vor dem Kamin eingießt, als Zielgruppe ansprechen muss, sind vorbei. Wer sich nicht der neuen Zielgruppe der jungen, dynamischen Craft-Spirit-Interessierten öffnet, wird auf die Dauer nicht weiterkommen. Dabei hätte Armagnac im Allgemeinen und der Comtal Fine Armagnac V.S. im Speziellen alles, was die Gegenwart braucht und sucht, und muss wirklich nicht in der elitären Komfortzone dahinvegetieren.
2 Kommentare zu „Das Feuer der Gascogne – Comtal Fine Armagnac V.S.“