Ich bin wirklich kein Weinkenner, doch selbst mir ist verständlich, dass bei einem Weinbrand der dafür verwendete Wein eine natürlich große Rolle spielt. Für viele Weinbrände ist klar geregelt, welche Rebsorten für die Produktion eingesetzt werden dürfen; bei Armagnac sind es genau zehn, vier davon machen den Löwenanteil aus: Ugni Blanc, Colombard, Baco und Folle Blanche. Die klassische Armagnac-Rebsorte ist letztere Folle Blanche, die erst nach ihrer praktischen Vernichtung in der Phylloxerakatastrophe 1878 durch andere Rebsorten ersetzt oder ergänzt wurde. Heute gewinnt sie wieder an Beliebtheit – ich hatte 2019 in einer Masterclass mit Marc Darroze (rechts im Bild) und Olivier Chapt (ganz links) eine spannende Vergleichsreihe, in der ein junger, rein auf Folle Blanche basierender Cognac mit einem ebensolchen Armagnac verglichen werden konnte. Das gleiche gab es dann auch für Ugni Blanc und Colombard.
Warum reite ich so auf dieser seltenen Rebsorte herum? Für die meisten Armagnacs wird eine Rebsortenmischung eingesetzt, es sind aber auch, wie gerade gezeigt, auch Einzelrebsortenbrände verfügbar. Manche Anbieter des Castarède Bas Armagnac XO schreiben in ihren Shopbeschreibungen, dass dieser Armagnac aus dem ältesten Maison für Armagnac (Gründungsjahr 1832) zu 100% aus Trauben dieser Weißweinvarietät hergestellt wird; das ist aber nicht der Fall. Das macht diesen Armagnac keinesfall schlechter, man sollte einfach nur wissen, was man trinkt – und nicht den Bekundungen der Shops glauben, die sich meist selbst nicht wirklich mit den Spirituosen, die sie verkaufen, auskennen.
Die gesetzlichen Regelungen schreiben für einen französischen Weinbrand mit der Alterskennzeichnung „XO“ eine Holzfassreifungsdauer von mindestens 10 Jahren vor, seit der Änderung vor einigen Jahren, als das Mindestalter von 6 Jahren angehoben wurde. Wie Whisky auch ist Armagnac durchaus vom Fass definiert, darum gönnt Maison Castarède seinem XO auch ein bisschen mehr als die gesetzliche Mindestdauer. Hier lässt man den Brand 20 Jahre in Eichenfässern liegen; das Abfülldatum ist auf dem Rücketikett als 22.02.2021 vermerkt. Das ist gar nicht so weit von meinem Verkostungszeitpunkt im April 2021 entfernt; ein frischer Eindruck also, den ich hier nun schildere!
Die dunkle, terracottabraune Färbung überrascht mich bei einem so alten Brand nicht. Die schwerschwappende, träge Konsistenz passt sehr dazu, wie auch die vielen dicken Beine, in denen die Flüssigkeit langsam an der Glaswand abläuft.
In der Nase kommt der Castarède XO zunächst sehr süßfruchtig an. Pflaumen, Kirschen, reife Banane, ganz leicht nur Ananas und Aprikosen. Traubigkeit und Tresterigkeit kommt danach. Nach leichtem Schwenken kommen dann die würzigen Aromen zum Vorschein, unterstützt von Zimt, Kokos und Karamell, und auch eine leichte Nussigkeit, Mandeln vor allem. Nur ein milder Anflug von Rancio lässt den Brand jünger wirken, als er ist. Eine gewisse Erinnerung an Bourbon stelle ich fest, das sind wahrscheinlich die Holzreifungsnoten aus Vanille, Zimt und trotz des hohen Alters nur leichter Holzigkeit.
Der Antrunk wirkt zunächst erst unauffällig und süßlich, doch dann mit einer sich schnell über den ganzen Gaumen auswirkenden Breite. Die Textur ist entsprechend groß und voll, mit öliger Konsistenz und viel Volumen. Im Verlauf wirkt der Castarède XO dann leicht schokoladig, mit Erinnerungen an Toffee, Nougat und Traubennussschokolade. Milde und ausdauernde Pfeffrigkeit kitzelt an der Zungenspitze, sicherlich nicht den 40% Alkoholgehalt entstammend, mehr eine der Würze zuzuschreibende Pikanterie. Zugrunde liegt beständig eine schwere, aber nie klebrige Fruchtsüße, die gegen Ende in eine knackig bittere Trockenheit übergeht.
Der Abgang schließlich ist mittellang, weiterhin leicht pfeffrig, wirkt aber trotz dessen mentholisch kühl, mit sehr gelungener Süßtrockenbalance. Er wird gegen Ende dann plötzlich überraschend blumig und dabei immer kälter, die anästhesierte Zunge friert es fast, und klingt mit sehr angenehmen, prachtvollen Trauben- und Fruchtnoten dann sehr langsam über viele Minuten aus.
Viele Traubenbrände haben das Problem, dass die Nase grandios ist, der Geschmack danach vergleichsweise enttäuscht. Hier ist das definitiv nicht der Fall. Ein entspannter Brandy, die 20 Jahre haben viel des typischen Feuers eines jungen Armagnacs gelöscht, alle Ecken und Kanten ausgeglichen und eine Rundheit und sanfte Feinheit, die allerdings trotzdem nie flach oder langweilig wird, daraus erzeugt. Das trinkt sich mühelos, allerdings nicht unkomplex, gemütlich, aber nicht seniorenhaft. Aufregung ist diesem Armagnac inzwischen fremd, doch er hält die Erinnerung an die wilden Tage noch aufrecht.
Der Froupe Cocktail ist wieder mal ein alter Klassiker aus der Craddock-Schmiede des Savoy Hotels. Im Original wird Cognac verwendet; ich sehe keinen Grund, diesen nicht durch Armagnac zu ersetzen, im Gegenteil – das Volumen und das sanfte Feuer des Castarède XO gibt diesem Drink sogar eine kleine Extrawürze, die in so einer süßlastigen Rezeptur gar nicht schadet.
Froupe Cocktail
1½ oz Armagnac
1½ oz süßer Wermut
1 Teelöffel Bénédictine
Auf Eis rühren.
[Rezept nach Harry Craddock]
Wie für ein bodenständiges Destillat wie den Armagnac durchaus üblich, ist die Präsentation zurückhaltend bis fast schon asketisch – eine einfache Halbliterflasche, Echtkorken, Etiketten mit nur wenigen Worten darauf, und einem charmant mit Schreibfehlern versehenen Versprechen des Maisons auf der Rückseite, dass alle Angaben (viele sind es ja nicht) stimmen. Das oben bereits erwähnte Abfülldatum ist jedenfalls sehr lobenswert. Es scheint, dass es auch einen Geschenkkarton dafür gibt, dieser wurde bei meiner Onlinebestellung leider auch auf Anfrage nicht mitgeliefert.
Ich hatte meine grundsätzliche Meinung zu Armagnac und dessen Positionierung in der Weinbrandwelt ja bereits vor ein paar Jahren in meinem Artikel über den Comtal VS kundgetan – und daran hat sich nichts geändert. Ich freue mich, dass sich auch in Deutschland nun mit Nicolas Kröger jemand mit gutem Ruf und Netzwerk der Spirituose unter dem Motto „Mission Armagnac“ annimmt und die moderne Trinkerschaft auf der Suche nach hochwertigem Schnaps dafür begeistern will – da bleibt mir nur, so richtig viel Erfolg dabei zu wünschen!
Danke für diesen tollen Artikel! War mir eine Freude deine Worte zu lesen!