Same Porto as Every Year? Porto Cruz Special Reserve Tawny

Porto Cruz Special Reserve Tawny Titel

Eigentlich wollte ich diesen Artikel so beginnen…

Die Briten verbinde ich persönlich eigentlich immer mit Sherry, und noch mehr vielleicht mit Portwein. Selbst die Urbritin und der Urbrite, Miss Sophie und James der Butler, die wir in Deutschland seit Jahrzehnten immer zur selben Zeit im Fernsehen beim Essen und Trinken beobachten, heben sich den Portwein als Krönung zum Schluss auf: „I think we’ll have port with the fruit“, ordert Miss Sophie beim letzten Gang des Dinner for One.

Ich habe nun schon einige Portweine im Regal, doch um aus der „same procedure as every year“-Dauerschleife meiner mir bekannten Ports herauszukommen, habe ich diesmal beschlossen, mir eine neue Marke anzuschauen.

Wollte, ja. Leider hat mir Nils Wrage von Mixology den Gag um wenige Tage vorweggenommen, und ich wollte diese so stilvolle Einleitung dann aber doch nicht mehr ändern – das zeigt letztlich, welches Ausbaupotenzial, was Marketing angeht, in dieser Spirituose steckt, wenn sich die Fachpresse und Blogger so um einen gelungenen Einstiegssatz streiten müssen. Egal, ich gebe mich in diesem Kampf geschlagen, und mache trotzdem einfach weiter, als wäre nichts gewesen.

Wie so oft entscheidet das Äußere mit über den Spontankauf, und der Porto Cruz Special Reserve Tawny zog meinen Blick in einem französischen Supermarkt mit seiner ausgesprochen hübschen Flasche und dem aufwändigen Etikett magisch an, so dass ich nicht widerstehen konnte.

Porto Cruz Special Reserve Tawny Flasche

Die Farbe ist rubinrot mit braunen, fast schon orangefarbenen  Reflexen. Die Flüssigkeit ist leicht viskos mit entsprechend langen Beinen im Glas, wenn man den Port schwenkt. Dabei treten auch sofort, ohne dass man die Nase wirklich ins Glas halten muss, die ersten Aromen auf – der Porto Cruz Special Reserve hält nicht hinterm Berg mit seinen Vorteilen.

Also zum Geruch: Süß und dabei sehr wuchtig. Neben einem erkennbaren Weinduft ist Frucht die vorherrschende Richtung: nach Erdbeeren und Feigen. Ich erkenne Anklänge von Brandy, der ja bekanntermaßen eingesetzt wird, um den Fermentierungsvorgang von Portwein zu stoppen. Ein Hauch von Kräutern. Insgesamt recht portotypisch.

Porto Cruz Special Reserve Glas

Im Mundraum macht sich dieser Tawny schnell breit: Cremig und voll fühlt er sich an. Süß, im Gegensatz zum Geruch weist er nur leichten Rotweincharakter auf. Dunkle Trauben. Birne. Brombeeren. Später etwas karamellig oder malzig. Eine frische, aber dezente Säure bricht den bisherigen Geschmackseindruck im Abgang; eine leichte Pfeffrigkeit verbleibt auf der Zungenspitze. Warm und wohlig läuft der Special Reserve den Rachen hinunter, ohne jegliches Brennen oder Kratzen, was man bei 19% auch nicht wirklich erwarten muss. Der Abgang ist mittellang und mild trocken.

Ein sehr angenehmes, weiches, mildes Getränk. Wirklich sehr rund und ausbalanciert: Süßer und körpervoller als viele andere Ports, die ich kenne, und die zurückgenommene Säure im Abgang gefällt mir sehr gut. Der Porto Cruz Special Reserve Tawny ist ein Blend aus 2 oder 3 Tawnies, mit einem Durchschnittsalter von 7 Jahren; 10€ habe ich im französischen Cora-Supermarkt (daher auch das französische Etikett) bezahlt. Persönlich empfinde ich das als ein ausgesprochen gutes Preis-Leistungs-Verhältnis.

In so einigen Cocktails ist Portwein als Verdichtungsmittel enthalten, um der Mixtur eine tiefe, dunkle Note zu geben, aber geschmacklich dabei im Hintergrund zu bleiben. Nur wenige Cocktails setzen ihn als zentralen Geschmacksträger ein; der Tiki-Cocktail Gooney Goo-Goo ist einer davon. Hier schmeckt man den Porto Cruz schön heraus, selbst durch den Fruchtsaft und die Hitze der brennenden Overproof-Flamme. Ich bitte darum, diese vor dem ersten Schluck auszupusten – ich will nicht verantwortlich gemacht werden für abgebrannte Augenbrauen, Wimpern oder andere Gesichtbehaarung!

Gooney Goo-Goo


Gooney Goo-Goo
1 oz Portwein (z.B. Porto Cruz Special Reserve Tawny)
1 oz Orangensaft
¾ oz Limettensaft
¼ oz Grapefruitsaft
½ oz Weinbrand (z.B. Asbach Privatbrand)
¼ oz Orgeat
¼ Teelöffel Zimtsirup
5 Tropfen Old Time Aromatic Bitters

Eine halbe Limette entfleischen, wenden, mit
½ oz Overproof-Rum (z.B. Wray&Nephew) füllen,
auf dem Drink platzieren, anzünden, und dann

mit etwas geriebenem Zimt überstreuen


Die besondere Wirkung dieses Cocktails erschließt sich erst, wenn man ihn im Dunkeln betrachtet. Doch erneut vorsicht: Man sollte die Flamme nicht allzulange brennen lassen, selbst wenn man sich nicht daran sattsehen kann. Das Glas erhitzt sich extrem durch den brennenden Sprit, und abgesehen von Verbrennungsgefahr besteht auch das Risiko, dass das Glas springt.Gooney Goo-Goo Cocktail Dunkel

Eine besonders interessantes Fakt über diesen Portwein findet sich auf der Herstellerseite: Im Gegensatz zu Rumherstellern haben die Portugiesen, zumindest Porto Cruz, keine Probleme damit, den Zuckergehalt ihres Produkts öffentlich darzulegen. Für mich ist der Zuckergehalt von 100 g/L und der damit einhergehende Brennwert von 149kcal/100ml dennoch äußerst erstaunlich, ich wusste nicht, dass Portwein residual soviel Zucker enthält – dazu habe ich mich (noch) nicht ausführlich genug mit Weinherstellung auseinandergesetzt. Der Hauptunterschied zum Zuckergehalt in Rum ist natürlich, dass der Zucker im Portwein produktions- und quellmaterialbedingt ist, sozusagen zum Produkt fest dazugehört, weil er als Fruktose und Glukose aus den Trauben kommt, während er bei vielen Rums überflüssig und künstlich dazugefügt wird. Daher sollte man das eigentlich nicht vergleichen – spannend ist es dennoch, und damit viel Material für zukünftige Artikel…

Veröffentlicht von schlimmerdurst

Hüte dich vor denen, die nur Wasser trinken und sich am nächsten Tag daran erinnern, was die anderen am Abend zuvor gesagt haben.

2 Kommentare zu „Same Porto as Every Year? Porto Cruz Special Reserve Tawny

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